Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 48
3.
ОглавлениеEtwa zu dieser Zeit stieß einer der Boten, die im Auftrag Diegos unterwegs waren, in der Nähe der „Schildkröte“ auf Bombarde, den Marquis und das Narbenweib Maria Juanita. Erregt berichtete er, daß die Rote Korsarin wieder aufgetaucht sei und Männer für ihre Karavelle suche. Diego habe ihn beauftragt, es allen zu sagen.
Maria Juanita schwieg. Sie wußte ja bereits, wer Tortuga angelaufen hatte. Und sie hatte sich gehütet, ihren beiden Liebhabern zu verraten, welche Personen sich hinter den beiden Kapitänen verbargen, auf die sie Bombarde und den Marquis gehetzt hatte.
Jetzt war, zumindest was die verdammte Rote Korsarin betraf, die Katze aus dem Sack. Maria Juanita war gespannt, wie die beiden Kerle auf diese Neuigkeit reagieren würden. Würden sie abspringen?
Der Marquis war nachdenklich geworden.
Bombarde hingegen schnappte sich den Boten, der schon weitergehen wollte, und zog ihn am Hemdausschnitt zu sich heran.
„Moment, mein Freund“, sagte er lauernd. „Wo steckt denn das Weib? Etwa bei Diego in der ‚Schildkröte‘?“
Der Bote nickte.
Bombarde ließ ihn los und blickte den Marquis grinsend an.
„Ich schätze, daß du mir den Vortritt läßt, wie?“ fragte er.
„Bitte sehr“, erwiderte der Marquis und lächelte hinterhältig.
Bombarde war zu vernagelt, um zu merken, daß der Marquis allem Anschein nach eine Trumpfkarte im Ärmel hatte. Er wandte sich wieder an den Boten.
„Ist sie allein in der ‚Schildkröte‘?“
Der Bote schüttelte den Kopf. „Nein, sechs Männer sind bei ihr.“
„Was für Männer?“
„Ich kenn sie nicht.“
Von den Vorfällen in der Kneipengrotte wußte der Bote nichts, da er sie bereits vorher verlassen hatte.
„Hm“, sagte Bombarde, „sechs Männer.“ Er spuckte verächtlich aus. „Die putze ich mit Links weg, zack-zack.“
Der Bote räusperte sich und starrte Bombarde irritiert an.
„Die sahen nicht so aus, als ließen sie sich mit Links wegputzen“, sagte er. „Was soll das überhaupt?“
„Verschwinde“, sagte Bombarde, „sonst brate ich dir einen über, du Pisser!“
Das war Bombarde – vulgär, überheblich, nur leider nicht gewitzt, wenn es galt, einen großen Schlag zu landen.
Als der Bote weg war, funkelte Bombarde Maria Juanita an.
„Du kannst schon mal die Matratze wärmen“, sagte er zu ihr. „Ich hol das Weib.“
„Die Matratze wird erst angewärmt, wenn beide Kapitäne gefangen vor mir stehen“, sagte Maria Juanita kalt.
„Beide? Ach so. Wer ist denn der andere Kapitän?“
„Frag doch einen der sechs Männer, die bei der Roten Korsarin sind“, sagte Maria Juanita spitz. „Vielleicht ist es sogar einer der sechs.“
„Den mach ich hin“, sagte Bombarde.
„Ich will ihn lebend, du Idiot!“ fauchte Maria Juanita. „Ihn und das Weib! Geht das in dein Gehirn?“
„Warum willst du ihn denn lebend?“
„Weil ich es ihm zu verdanken habe, daß ich jetzt hier auf dieser Scheißinsel bin!“ schrie ihn das Narbenweib an. „Darum will ich ihn. Hast du noch mehr so blöde Fragen?“
„Ich schnapp sie mir beide“, sagte Bombarde.
Der Marquis grinste höhnisch. „Paß auf, daß du dich nicht verschluckst, du Großmaul.“
Bombarde musterte ihn mit einem verächtlichen Blick.
„Mit dir rechne ich auch noch ab, du billiger Louis“, sagte er, „hinterher, nicht jetzt. Du bist längst fällig, du mieser Hund.“
Der Marquis hetzte weiter. Er wußte genau, was er wollte. Wenn er Bombarde bis zur Weißglut trieb, würde der wie ein blindwütiger Stier handeln. Und wer aus dem Affekt heraus handelte, der hatte schon immer das schlechtere Los gezogen. Der Marquis zweifelte keinen Augenblick daran, wie die Konfrontation Bombardes mit den sechs Männern in der „Schildkröte“ ausgehen würde – nämlich zu Bombardes Ungunsten.
„Was hältst du hier lange Reden?“ sagte er scheinheilig. „Oder hast du Angst? Vielleicht überläßt du doch besser die Sache mir, wie? Ich würde jedenfalls nicht so große Töne spukken, sondern erst einmal handeln. Aber du stehst ja noch heute abend hier und erzählst, wen du alles hinmachen willst!“
Das war genau der richtige Ton.
Bombarde knurrte vor unterdrückter Wut, erwiderte aber nichts mehr – und marschierte los.
Der Marquis schaute ihm grinsend nach.
Maria Juanita zog ihn in eine Hausnische und schmiegte sich an ihn.
„Du hast einen Plan, Marquis“, sagte sie. „Verrätst du ihn mir?“
Der Marquis tastete über ihre Hüften.
„Vielleicht“, erwiderte er. Dann schob er sie zurück und blickte sie scharf an. „Der andere Kapitän ist jener Mann, den sie den Seewolf nennen, nicht wahr?“
Sie zuckte zusammen.
„Wie kommst du denn darauf?“ fragte sie wütend.
Der Marquis tippte an seinen Kopf. „Ich habe nachgedacht, mein Täubchen, und dann zwei und zwei zusammengezählt. Ich denke da zum Beispiel an die Schlacht in der Windward-Passage vor etwa zwei Jahren. Caligu hatte damals alles aufgeboten, was hier in Tortuga vor Anker lag, und das war nicht eben wenig. Dabei wollte er nur ein einziges Schiff jagen. Er schaffte es nicht. Er kriegte elend was vor die Schnauze. Der andere Kapitän war der Seewolf, und als er später zum Atlantik durchbrach, mußte Caligu zum zweiten Male den Schwanz einziehen. Was beim dritten Mal dann passierte, weißt du ja wohl selbst am besten …“
„Hör doch auf!“ fuhr ihn Maria Juanita an.
„Und deswegen haßt du den Seewolf“, fuhr der Marquis ungerührt fort. „Deswegen willst du ihn lebend haben.“
„Ja! Ja! Ja!“ schrie Maria Juanita mit verzerrtem Gesicht. „Deswegen will ich ihn lebend haben, ihn und diese Kanaille, dieses schwarzhaarige Luder, alle beide sollen sie vor mir kriechen und mir die Füße ablecken …“
„Mehr nicht?“ fragte der Marquis sachlich.
„Wie?“ Das Narbenweib schien aus einem wüsten Traum zu erwachen. „Was hast du gesagt?“
„Ach nichts.“ Plötzlich lächelte er kalt und drängte sie in die Nische. „Ganz schön riskante Sache, in die du uns da hineintreibst, mein Täubchen. So riskant, daß ich mir überlege, ob ich sie anpacke.“ Er tastete über ihre üppigen Brüste. „Wie wär’s denn mit einem kleinen Vorschuß?“
„Hier?“
„Wo sonst?“
Maria Juanita lachte grell und schnallte seinen Gürtel auf. Das war eine Sache nach ihrem Geschmack, und es wäre ihr völlig gleichgültig gewesen, wenn jemand dabei zugesehen hätte. Es sah niemand zu – nur ein streunender Bastardhund. Und der ergriff die Flucht, als er das Keuchen, Stöhnen und die spitzen Schreie hörte. Es klang nicht nach Mensch, eher nach Kater und Katze, wenn sie wie die Irren durch Höfe, über Zäune und Dächer tobten und brünstige Laute die wilde Jagd begleiteten.
Später herrschte Stille in der Nische. Aber da war der Hund bereits über alle Berge.
Dann sagte die heisere Frauenstimme: „Erzähl mir deinen Plan, Franzose.“
Und die Männerstimme erwiderte: „Auf Hieb und Stich geht das mit den beiden nicht, aber es gibt einen anderen, besseren Weg. Ich heuere mit sechs oder sieben meiner alten Freunde bei der Roten Korsarin an. Wenn wir bei ihr an Bord sind, schnappen wir sie bei der erstbesten Gelegenheit. Von diesem Augenblick an haben wir die anderen unter Kontrolle und diktieren unsere Befehle. Einer wird lauten, daß man uns den Seewolf ausliefert, sonst spielen wir ein bißchen mit dem Weib, verstehst du? Damit kriegen wir ihn kirre, denn das ist kein Mann, der darauf pfeift, was wir mit ihr anstellen.“ Er lachte roh und gemein.
„Ich glaube, du bist noch besser als Caligu“, sagte die Frau mit ihrer heiseren Stimme. Dieses Mal war die Stimme triumphierend.