Читать книгу Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer - Страница 47

10.

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Dumpf und unheilvoll begannen die Trommeln zu dröhnen.

Dan O’Flynn preßte die Lippen zusammen. Mit auf den Rücken gebundenen Händen stand er neben dem ebenfalls gefesselten Bretonen. Jean Morros Gesicht hatte sich verkantet, seine grauen Augen wirkten hart wie Felsgestein. Der Bretone hatte Mut. Er wußte, daß er verloren war, und er würde wie ein Mann sterben.

Dan wandte den Kopf und lächelte matt. Seit sie hier oben auf der Spitze der Tempelpyramide standen und den rituellen Vorbereitungen für die Opferung zusahen, hatte sich zwischen ihm und dem Piratenkapitän etwas wie ein Band stummen Einverständnisses gebildet.

Das gemeinsame Schicksal schmiedete sie zusammen. Sie waren Feinde gewesen und hatten gegeneinander gekämpft, aber jetzt und hier spürten sie beide, daß sie im Grunde aus dem gleichen Holz geschnitzt waren. Aus einem harten Holz. Jenem Holz, aus dem Männer gemacht waren, die die tobende See nicht zerschlagen konnte und die noch dem Teufel trotzten.

Und, seltsam genug, schienen das auch die Maya zu spüren, die weit davon entfernt waren, ihre Gefangenen quälen und demütigen zu wollen, sondern sie im Gegenteil mit sichtlicher Achtung behandelten.

Weil sie würdige Opfer waren?

Weil sie nicht schrien und jammerten, keine Furcht zeigten, sondern das Unvermeidliche mit Fassung trugen?

Dan wußte es nicht. Im Grunde war es ihm auch gleichgültig. Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Es würde kein schöner Tod sein, den er fand, kein Tod im Kampf, wie er ihn sich manchmal vorgestellt hatte, aber in diesen endlosen Minuten des Wartens wurde ihm klar, daß dies vielleicht eine letzte Bewährungsprobe war – größer, als irgendein Kampf auf Leben und Tod sie bieten konnte.

„Meine Schuld“, sagte der Bretone neben ihm leise. „Es tut mir leid, daß ich dich da hereingezogen habe, Dan O’Flynn.“

„Unsinn, Jean Morro. Immer noch besser, als am Zipperlein zu sterben, oder?“

„Am Zipperlein stirbt man nicht.“ Der Bretone schwieg einen Moment, dann verzog sich sein Gesicht zum Zerrbild eines Grinsens. „Ich hoffe, dein schwarzer Freund wird es überleben. Ich nehme an, ihr habt mir die Pest an den Hals gewünscht, aber irgendwann hätten wir uns wohl noch zusammengerauft.“

„Irgendwann? Der Seewolf hätte euch schneller zu Fischfutter verarbeitet, als ihr hättet denken können. Und dich hätte er ganz bestimmt wieder auf der verdammten Insel ausgesetzt.“

„Nicht an der Rahnock aufgeknüpft?“

„Glaube ich nicht“, sagte Dan nach einem kurzen Schweigen, „wir sind keine Mörder. Und wir sind auch keine Piraten, falls das in deinen Kopf geht.“

„Und was seid ihr dann?“

„Freibeuter“, sagte Dan O’Flynn stolz. „Freibeuter mit einem Kaperbrief der Königin von England! Wir kämpfen für unser Land.“

„Amen“, sagte Jean Morro. Und nach ein paar Sekunden: „Mein Vaterland hat mir das leider nicht erlaubt. Und meinen Männern auch nicht! Die meisten von uns sind Hugenotten und in Frankreich wegen ihres Glaubens verfolgt worden. Aber auf der freien See fragt niemand danach, auf welche spezielle Art jemand zu seinem Herrgott betet. Auf See sind die Menschen gleich! Dein schwarzer Freund genauso wie Jacahiro und wir alle.“

„Du hättest Prediger werden sollen“, sagte Dan trocken.

Der Bretone lächelte. Für einen Moment tanzten silbrige Funken in seinen grauen Augen.

„Vielleicht“, sagte er sehr leise. „Du bist dran, glaube ich. Mach’s gut, Dan O’Flynn!“

„Mach’s gut, Jean Morro!“

Dans Muskeln spannten sich.

Er sah die beiden hünenhaften Maya-Krieger auf sich zutreten, und es kostete ihn Mühe, einen Moment der heißen, verzweifelten Schwäche zu überwinden. Das wilde Grinsen des Bretonen half ihm. Er schüttelte die Fäuste ab, die nach ihm greifen wollten, und trat mit stolz erhobenem Kopf auf den Opferblock zu.

Der schwarze Stein war noch verfärbt vom Blut Jacahiros.

Dan starrte den Priester an, der sich umgewandt hatte und das Opfer ansah. Ihre Blicke kreuzten sich. Die dunklen Augen des Maya funkelten flüchtig auf. Ganz leicht neigte er den Kopf, und Dan wußte, dies war ein Zeichen des Respekts für den Mut des Opfers.

Im nächsten Moment schien sich das Gefühl des Unwirklichen wie ein Schleier zwischen ihn und die Umgebung zu senken.

Fäuste packten ihn, warfen ihn auf den Opferblock und hielten ihn fest. Dan spürte die Kälte des schwarzen Steins in seinem Rücken. Das Dröhnen der Trommeln schien sich in seinen Ohren zum Orkan zu verstärken. Trotzdem hörte er noch die Schritte des Priesters, die sich gemessen näherten. Ein Schatten fiel über den Opferstein.

Dan sah die hochaufgerichtete Gestalt in den wallenden Gewändern, deren blutiges Rot sich mit der karmesinfarbenen Glut des Sonnenuntergangs mischte. Die dunkle gutturale Stimme der Maya schien zu singen und wiederholte seltsam monoton immer dieselben unverständlichen Worte. Dann hob der Priester mit einer feierlichen Gebärde die Hand – und Dan sah das lange, gekrümmte Messer in seiner Rechten.

Ein blutiges Messer! Dazu bestimmt, dem Opfer des schrecklichen Rituals bei lebendigem Leibe das Herz aus dem Körper zu schneiden.

Der Priester rief etwas.

Die Trommeln verstummten.

Jäh fuhr das Messer nieder und Dan O’Flynn schloß die Augen und spannte sich mit jeder Faser, um diesen letzten schrecklichen Moment zu ertragen.

Die Sekunden dehnten sich.

Endlos.

Dan hörte ein seltsames Geräusch, einen dünnen Knall, aber er war nicht fähig, ihn richtig einzuordnen. Jeder Nerv und jede Faser seines Körpers war vorbereitet auf den letzten, entscheidenden Augenblick. Zwei Ewigkeiten vergingen: Sehr fern hörte Dan einen vielstimmigen Aufschrei – und da erst öffnete er wieder die Augen.

Der Priester!

Hoch aufgerichtet stand er da, das blutige Messer in der Rechten. Aber das Messer raste nicht nieder. Der Priester schwankte, einen ungläubigen, fast törichten Ausdruck in den Augen. Sein Gesicht verzerrte sich – und jetzt erkannte Dan das kleine schwarze Loch genau auf der Stirn seines Gegners.

Der Priester fiel.

„O’Flynn!“ brüllte der Bretone mit sich überschlagender Stimme.

Dan begriff überhaupt nichts, aber das hinderte ihn nicht daran, auf dem Opferstein hochzuschnellen und dem nächstbesten Maya mit voller Wucht den Kopf in den Magen zu rammen.

Blitzartig ließ Philip Hasard Killigrew die zweischüssige sächsische Reiterpistole im Gürtel verschwinden.

Er sah den Oberpriester der Maya fallen. In letzter Sekunde hatte er dem Kerl eine Kugel in den Kopf geschossen, bevor er Dan O’Flynn das Messer ins Herz stoßen konnte. Wie ein Tornado jagte der Seewolf die endlose Treppe hinauf, und hinter ihm stürmten Stenmark, Matt Davis, Big Old Shane und die beiden Piraten, die sich wider Erwarten doch noch ermannt hatten, für ihren bretonischen Kapitän zu kämpfen.

Auch Yuka stürmte mit.

Es war ihm gleich, ob seine Landsleute ihn erkannten und in Zukunft als Abtrünnigen behandeln würden. Er hatte sich entschieden und sich auf die Seite der Seewölfe gestellt. Im Augenblick hatte Hasard andere Sorgen, als über die Zukunft des Maya zu grübeln.

Oben auf der Spitze der Pyramide schnellte Dan O’Flynn wie ein Kastenteufel von dem Opferstein hoch.

Der Bretone reagierte gleichzeitig.

Seine Hände waren gefesselt, aber das konnte ihn nicht sonderlich beeindrucken. Er hatte die Füße frei. Zweimal trat er blitzartig zu. Zweimal wirbelten Maya-Priester in wallenden roten Roben durch die Luft – und dann bewies Jean Morro, daß er in der Tat ein ausgekochter, von allen Hunden gehetzter, mit allen Salzwassern der sieben Meere gewaschener Pirat war.

Wahrscheinlich war es nur natürlich, daß er die Situation um eine Kleinigkeit schneller erfaßte als Dan O’Flynn.

Der Bretone handelte.

Und Hasard registrierte, daß er zumindest in diesen Sekunden durchaus nicht egoistisch handelte.

Mit einem Panthersatz warf er sich gegen Dan O’Flynn. Beide Männer verloren das Gleichgewicht, stürzten und rollten die endlose Treppe hinunter. Sie rollten auf die Seewölfe zu – und genau das war das einzig Vernünftige, was sie in ihrer Situation noch tun konnten.

Dan O’Flynn kollerte Hasard direkt vor die Füße.

Der Seewolf hielt den Degen in der Faust. „Still!“ zischte er. In einem Befehlston, gegen den es schon von jeher keinen Widerspruch gegeben hatte. Dan erstarrte und rührte sich nicht mehr. Hasard hatte Gelegenheit, blitzschnell seine Fesseln mit dem Degen zu zerschneiden.

Gleichzeitig fing Matt Davies den stürzenden Jean Morro mit seinem Haken auf, und Stenmark stürzte sich mit dem Messer über die Fesseln des Bretonen.

Die Gefangenen waren frei, noch bevor die Maya-Krieger überhaupt begriffen hatten, was da passierte.

Woher der Wind wehte, brauchte Dan und Jean Morro niemand zu erzählen. Der blonde O’Flynn raste die endlosen Treppenstufen abwärts wie ein Teufel. Der Bretone brachte es noch fertig, dem „anderen Burgunder“ im Vorüberlaufen krachend die Faust auf die Schulter zu schlagen. Denn der „andere Burgunder“ war über seinen Schatten gesprungen, genau wie der einäugige Esmeraldo, genau wie die Seewölfe, für die das im Grunde selbstverständlich war – und während der wahnwitzigen Flucht über die Stufen der Pyramide verzerrten sich die Gesichter der Männer zu einem unsinnigen, aber nicht wegzuleugnenden Ausdruck wilder Freude.

Die Zuschauer am Fuß des Tempelbaus sahen ihnen entgegen.

Nach Hasards Schätzung waren es an die zweihundert Maya-Krieger, die zu den Waffen griffen. Zweihundert gegen neun! Aber zweihundert Männer konnten sich rein technisch nicht gleichzeitig auf neun zu allem entschlossene Kämpfer werfen. Und Hasard, Yuka, die drei Piraten und die anderen Seewölfe waren durchgebrochen, bevor die Maya auch nur begriffen, daß sich da ein winziges Grüppchen gegen ihre starke Armee gestellt hatte.

Etwa zwanzig braunhäutige Krieger versuchten, den Torweg zu verteidigen, der in den Urwald führte.

Batuti stürmte voran.

Die Lanzen der Maya störten ihn nicht im mindesten. Er hatte drei Krieger bewußtlos geschlagen, bevor seine Kameraden überhaupt heran waren. Unmittelbar hinter ihm folgte Big Old Shane – und der schlug mit seiner Eisenstange dermaßen um sich, daß für den Seewolf und die anderen kaum noch etwas zu tun übrig blieb.

„Kämpfend zog sich der kleine Trupp in den Urwald zurück.

Yuka, der Maya, hatte immer noch die Führung. Er kannte die Wildnis. Und er verstand es, den strategischen Rückzug so zu leiten, daß Hasards Gruppe nach einer Viertelstunde auf den Rest der Crew stieß, der immer noch verbissen mit der Hauptstreitmacht der Maya kämpfte.

Für Ed Carberry und die anderen war das das Zeichen, endlich den Hund von der Kette zu lassen.

Bis jetzt hatten sie sich nach den Befehlen des Seewolfs gerichtet, sich zurückgehalten, den Angriff nur eben zurückgeschlagen und zeitweise sogar das Hasenpanier ergriffen, um die Maya-Krieger dazu zu bewegen, ihnen nachzusetzen.

Jetzt brauchten sie das nicht mehr. Die Gefangenen waren befreit, Dan O’Flynn und Batuti erweckten den Eindruck, daß ihnen überhaupt nichts fehlte, es sei denn eine saftige Keilerei. Selbst der Bretone war da. Seine Männer entpuppten sich ebenfalls als überraschend kampfkräftig – und alles in allem hätte die Situation kaum besser sein können.

„Arwenack!“ brüllte Edwin Carberry mit voller Lungenkraft.

„Arwenack!“ schrie Dan O’Flynn begeistert.

„Ar-we-nack!“ tönte das donnernde Echo – und die Maya-Krieger, soweit sie nicht dumm waren, begriffen plötzlich, daß sie bei dem langen Kampf im Urwald regelrecht an der Nase herumgeführt worden waren.

Die Seewölfe befanden sich in einem wahren Taumel der Erleichterung.

Sie hatten Dan und Batuti wieder. Sie brauchten auf nichts und niemanden mehr Rücksicht zu nehmen, nicht einmal auf die Halunkenbande des Bretonen – und in dieser Situation brauchten sie nur wenige Minuten, um den Kampflatz leerzuräumen.

Die Maya-Krieger zogen sich in wilder Flucht zurück.

Zurück zogen sich auch die Seewölfe, aber genau in die Richtung, in die sie wollten.

Die Nacht senkte sich über den Urwald von Chiapas, als sie die Bucht erreichten, in der ihre Schiffe ankerten. Jubel herrschte. Ein Jubel, den Philip Hasard Killigrew im Moment noch nicht wahrnahm.

„Entscheide dich, Yuka“, sagte er sehr ruhig. „Wir verdanken dir unendlich viel. Wenn du willst, kannst du bei uns an Bord bleiben. Ich garantiere dir, daß du ein vollwertiges, gleichberechtigtes Mitglied unserer Mannschaft sein würdest. Und ich würde mich freuen, dich bei uns zu haben.“

Der Maya lächelte.

„Danke“, sagte er leise. „Ich weiß, daß du es ehrlich meinst, Seewolf. Aber ich gehöre zu meinem Volk. Und du hast dafür gesorgt, daß mein Volk mich nicht als Verräter betrachten wird. Ich danke dir, Seewolf.“

Ein paar Minuten später verschwand Yuka, der Maya, in der grünen Wildnis des Urwalds.

Hasard, Ben Brighton, die Rote Korsarin, der Wikinger und Dan O’Flynn standen auf dem Achterkastell der „Isabella“. Und Jean Morro! Für den Bretonen ging es jetzt und hier um alles. Er hatte kein Schiff mehr. Wenn die Seewölfe ihn und seine Leute zurückließen, würde er am Ende doch noch den Maya in die Hände fallen.

„Was hättest du an unserer Stelle mit uns getan?“ fragte Philip Hasard Killigrew gedehnt.

Jean Morro lächelte dünn. „Du weißt genau, daß ich euch zurückgelassen hätte und …“

„Er hätte uns nicht zurückgelassen“, sagte Dan O’Flynn überzeugt. „Der Bretone ist in Ordnung, Hasard! Bitte, gib ihm die Karavelle.“

Hasard wußte, daß er die Piraten einem furchtbaren Tod ausgeliefert hätte, wenn er sie zurückließ. Er stellte ihnen die „Santa Monica“ zur Verfügung – und Jean Morro und seine Crew waren froh, daß sie die Küste von Nueva España verlassen konnten.

Die „Isabella“ und der schwarze Segler gingen auf Westkurs.

Nichts hinderte sie mehr, ihrem fernen, geheimnisvollen Ziel entgegenzusegeln. Das große Abenteuer lag vor ihnen …

Seewölfe Paket 6

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