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5.

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Thomas Federmann hatte Thorfin Njal und die anderen Siri-Tong-Piraten auf das schwarze Schiff begleitet. Die Polynesier, die als Führer durch das Inseldickicht fungiert hatten, waren am Strand zurückgeblieben.

Das Boot wäre in der starken Brandung beinahe gekentert, und Thorfin Njal hatte Mord und Bein gewettert und dem Stör eine schallende Ohrfeige verpaßt, obwohl der genausoviel oder so wenig wie die anderen dafür konnte.

Dann ihr Eintreffen auf dem schwarzen Segler – Federmann hatte sich vor Siri-Tong ein bißchen geschämt, weil er doch nur den Lendenschurz trug. Die Rote Korsarin hatte seine Gegenwart aber kaum zur Kenntnis genommen. Nur flüchtig hatte sie auf Thorfin Njals Erklärungen über das Dorf und dessen Bewohner hin genickt.

Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Gefecht. Grollend wälzte sich der Kampflärm über die See. Siri-Tong hielt mit dem Spektiv Ausschau, konnte aber nicht mehr erkennen als einen rötlichen Schimmer über dem Platz, an dem das Gefecht der beiden Galeonen augenscheinlich stattfand.

„Missjöh Buveur!“ brüllte Thorfin Njal zum Vormars hinauf. „Verfluchter Saufsack, siehst du denn nicht, wie der Kampf verläuft?“

Der Franzose, diesmal weniger schwerhörig, rief zurück: „Nein, wir haben die nördliche Nachbarinsel genau davor! Da kann ich auch nichts dran ändern.“

„Nein“, sagte Siri-Tong. „Aber ich halte es hier in der Bucht nicht länger aus. Hasard soll von mir denken, was er will, oder soll mir eigenmächtiges Handeln vorwerfen – wir laufen aus.“

„Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mitfahre, Madame?“ sagte Thomas Federmann.

Siri-Tong streifte seine Gestalt mit einem raschen Seitenblick. „Wie? Nein, natürlich nicht.“ Sie eilte nach vorn an die Five-Rail, legte die Hände auf die Leiste der hölzernen Balustrade. „Wir gehen ankerauf und stoßen so schnell wie möglich zur „Isabella“ vor. Wenn Hasard Hilfe braucht, erscheinen wir vielleicht gerade noch rechtzeitig!“

Die Crew antwortete mit einem Kampfruf.

Kurz darauf glitt das schwarze Schiff mit vollen Segeln aus der Bucht, nahm Nordkurs und hielt auf die Insel im Norden zu.

Thomas Federmann stand in der Nähe von Siri-Tong, und auch der Wikinger war wieder zu ihnen getreten. Staunend ließ der Deutsche seinen Blick über die vier Masten mit den schwarzen Segeln wandern, betrachtete die Aufbauten und verfolgte die Mannschaft bei ihren emsigen Vorkehrungen.

„So ein Schiff habe ich noch nie gesehen“, gestand er. „Ich glaube nicht, daß es in Europa gebaut worden ist. Auch nicht in der Neuen Welt.“

„In China“, teilte ihm Thorfin Njal mit. „Das ist ein riesengroßes Land, in dem die Leute lange Zöpfe tragen. Nicht nur die Frauen, auch die Männer, meine ich.“

Federmann lächelte jetzt. „Ich habe Bücher gelesen, die die Portugiesen und Spanier über das Reich der Mitte geschrieben haben. Sie waren alle hochinteressant.“

„Du scheinst ja mächtig viel zu wissen“, sagte der Wikinger. „Bist du so was wie ein Gelehrter? Wie viele Sprachen kennst du eigentlich?“

„Fünf oder sechs. Aber mein Hauptfach ist die Malerei.“

„Malerei? Was malt man denn auf so einer Insel?“

Federmann wollte eine Antwort darauf geben, aber die Rote Korsarin setzte in diesem Moment das Spektiv ab und wandte sich an ihn.

„Hör mal zu, du Schlauberger“, erklärte sie nicht besonders freundlich. „Wenn du schon alles weißt, dann sag mir, ob es einen Kanal oder eine Passage nördlich der Insel dort gibt.“ Sie wies auf das Eiland, hinter dem der Feuerschein lohte und das Grollen der Geschütze zu vernehmen war. Der Schimmer schien sich immer weiter in nördlicher Richtung zu verlagern.

„Die Eingeborenen nennen die Insel Maui“, erwiderte der Deutsche. „Wir können westlich an ihr vorbeisegeln, an Kahoolawe und Lanai vorbei, schwenken dann nach Nordosten und befinden uns im Pailolo-Kanal. Auf diese Weise fallen wir Ciro de Galantes in den Rücken.“

„Ciro de Galantes?“ wiederholte sie verwundert.

„Der Piratenkapitän.“

„Ach so“, sagte sie, und fuhr dann in ironischem Tonfall fort: „Pailolo, das klingt lustig. Dieser Hund von einem Spanier wird gleich seine helle Freude an uns haben.“

Thomas Federmann nahm den Blick von der schönen Frau und schaute nach rechts, zu Thorfin Njal. Der grinste von einem Ohr zum anderen. Er sagte nichts, wußte aber ganz genau, was der Deutsche äußern wollte. Und, verdammt noch mal, es stimmte ja auch: Ein so resolutes, entschlossenes Frauenzimmer wie die Rote Korsarin gab es auf dieser Welt nicht noch einmal!

Siri-Tong hatte wieder das Fernrohr ans Auge gehoben.

„Ein Schiff scheint lichterloh zu brennen“, sagte sie leise. „Hoffen wir, daß es nicht die ‚Isabella‘ ist. Gnade Gott diesen elenden Piraten, wenn dem Seewolf etwas zugestoßen ist.“

Federmann schwieg, aber er hatte wieder etwas von dem, was mit dem Charakter und Lebensbild dieser Frau zusammenhing, begriffen. Sie liebte den Seewolf, diesen Sohn des Godefroy von Manteuffel, allem Anschein nach.

Als das schwarze Schiff die Insel Lanai Backbord achteraus gelassen hatte und ganz hart an den Nordost ging, öffnete sich der Blick auf den Pailolo-Kanal. Im Norden lag noch eine Insel.

Federmann wies mit der Hand hinüber und sagte: „Sie heißt Molokai. Und weiter nordwestlich befindet sich Oahu, wo die Piraten des de Galantes ihren Schlupfwinkel haben.“

„Schiff voraus!“ schrie Missjöh Buveur. „Es brennt wie ein Weihnachtsbaum! Das ist nicht die ‚Isabella‘!“

Die Männer begannen zu grölen und zu johlen.

„Wenn er sich geirrt hat, lasse ich den Franzosen auspeitschen“, zischte Siri-Tong. Sie hielt angestrengt Ausschau. Das Feuer an der östlichen Seite der Passage spendete genügend Licht, so daß sie einen Begriff von der Bauweise der Galeone und der Höhe der Masten erhielt.

„Nein, das ist wirklich nicht die ‚Isabella‘“, sagte sie aufatmend.

Der Besanmast der Piraten-Galeone knickte soeben knackend und prasselnd nach Steuerbord weg. Er stürzte in die See. Das Zischen, das das verlöschende Feuer bei der Berührung mit den Fluten verursachte, war bis zum schwarzen Schiff hin zu vernehmen.

„Wir verlegen ihnen den Fluchtweg nach Westen“, sagte Siri-Tong. „Jetzt bin ich gespannt, was sie tun. Im Osten scheint die ‚Isabella‘ zu stehen. Bleibt noch die nördliche Richtung. Aber das Schiff ist eine flügellahme Ente. Bevor es sich auf die offene See verdrücken kann, haben wir es erreicht – und geben ihm den Rest.“

Soweit kam es aber gar nicht mehr.

„Die ‚Isabella‘!“ schrie Missjöh Buveur. Seine Stimme überschlug sich. Das Kanonenfeuer war verstummt. Auf der feindlichen Galeone hatten der Kapitän und seine Mannschaft alle Hände voll damit zu tun, die Flammen irgendwie zu ersticken. Sie kippten Wasser und Sand in das Feuer, aber es war eine Sisyphusarbeit, denn der Brand griff schneller um sich, als sie ihn löschen konnten.

Sie konnten seiner nicht mehr Herr werden.

Um die vielen Verwundeten kümmerte sich Ciro de Galantes schon gar nicht mehr. Wütend rannte er auf dem Achterdeck auf und ab und trat mit den Füßen züngelnde Flammen aus. Einem verletzten Polynesier, der hilfesuchend die Hände nach ihm ausstreckte, versetzte er einfach einen Stoß. Der Mann kippte rücklings über das Schanzkleid und stürzte außenbords.

Blinder Haß verzerrte de Galantes’ Züge. Er war ein großer, kompakt gebauter Mann mit vollem schwarzem Haar und dichtem Vollbart. Er trug noch Teile seiner Uniform, denn er war Bootsmann auf einem spanischen Schiff gewesen. Seine Beine steckten in langschäftigen Stiefeln, seine Hosen waren gestreift und hatten die typische Kürbisform. Nur hatte er auf den Helm und das Wams verzichtet und trug statt dessen eine Jacke aus grob gegerbtem Leder. Sein Haupt war unbedeckt. Die schwarzen Haare flatterten im Wind.

De Galantes sah, wie sich die „Isabella“ auf ihn zuschob, und er schüttelte in ohnmächtiger Wut die Faust gegen sie.

„Fahrt zur Hölle!“ schrie er. „Der Teufel soll euch alle holen, ihr elenden Hunde!“

Dieser fromme Wunsch ging aber nicht in Erfüllung, er schien von dem gegnerischen Schiff gleichsam abzuprallen und sich wie eine Faust gegen ihn, de Galantes, zu wenden.

Es war die Stunde der Vergeltung für alle seine Schandtaten.

Entsetzt stellte der Spanier fest, daß es keinen Ausweg mehr gab. Die Galeone, die er so großartig hatte überrumpeln, entern und ausplündern wollen, holte mehr und mehr auf und schnitt ihm das Schlupfloch nach Norden und Osten ab.

Und im Westen, jenseits des Inselsunds, zeichnete sich der unheimliche Schatten eines großen Schiffes ab. Da war er wieder, der rätselhafte Viermaster. Er eilte seinem Bundesgenossen zu Hilfe.

„Wir sind verloren“, sagte er.

Auf der „Isabella“ grollten jetzt wieder die Kanonen. Instinktiv duckte sich de Galantes. Seine Galeone erzitterte unter den Einschlägen der Kugeln. Die Männer brüllten vor Wut und Angst, aber es fand sich kaum noch einer, der an ein Geschütz stürzte, es gegen den Feind richtete und zündete.

„Feuer!“ schrie de Galantes.

Niemand hörte auf ihn. Die Verwundeten wälzten sich auf der Kuhl, suchten verzweifelt nach Deckung, nach Hilfe, nach Linderung der Schmerzen. Ihr Geschrei wurde zu einem grausigen Chor, dessen Lied in de Galantes’ Ohren hallte.

„Aufhören!“ brüllte er.

Ein besonders dicker Pfeil sirrte heran und bohrte sich dicht neben dem Kolderstock in die Planken. Der Rudergänger stöhnte auf. Er wollte seinen Posten verlassen, aber er schaffte es nicht mehr.

Eine Explosion hieb mit immenser Wucht auf das Schiff ein und fetzte ein Loch in die Planken. Der Kolderstock war plötzlich nicht mehr da, der Rudergänger ebenfalls nicht mehr. Ciro de Galantes war zu Boden gegangen, richtete sich jetzt wieder auf und taumelte zum Schauplatz des schrecklichen Geschehens.

„Was war das?“ stieß er immer wieder verwirrt aus. „Was? Stehen die mit dem Teufel im Bund?“

Big Old Shane hatte einen seiner pulvergefüllten Brandpfeile abgefeuert. Zum erstenmal schloß de Galantes böse Bekanntschaft mit dieser „Spezialität“ der Seewölfe, aber erst einige Zeit später fand er heraus, was für eine Höllenwaffe das war.

Zu logischen Überlegungen gelangte er im Augenblick nicht.

Seine Leute hetzten in heller Panik über Deck, sprangen über das Schanzkleid und hechteten in die See. Der Spanier hastete ihnen nach. „Hierbleiben! Das ist Meuterei! Fahnenflucht! Ich werde euch auspeitschen – am Hals aufhängen …“

Es nutzte nichts. Wer wie durch ein Wunder noch unversehrt geblieben war, suchte sein Heil in der Flucht, und auch diejenigen Verwundeten, die wenigstens noch kriechen konnten, retteten sich von Bord. Keine Strafe der Welt konnte so schlimm sein wie ein Ausharren auf der Unglücksgaleone.

Brüllend raste ein einzelnes Geschoß auf das Piratenschiff zu. De Galantes warf sich hin, fiel in einen Flammenherd und wälzte sich fluchend heraus. Er rollte bis zum Schanzkleid der Steuerbordseite und schlug mit den bloßen Händen auf das Feuer ein, das nach seiner Kleidung griff.

Das Geschoß war heran. Es entpuppte sich als eine Kadettenkugel. Mit einem Knall schlang sie sich um den Großmast und knickte ihn. Der Mast stand ohnehin in hellen Flammen und war bereits angeschlagen – jetzt neigte er sich nach Steuerbord und kippte mitsamt dem Rigg, dem laufenden und stehenden Gut als lodernde Fackel den Fluten entgegen.

De Galantes raffte sich hoch und lief um sein Leben. Er rannte, was seine Beine hergaben. Hinter ihm krachte die wabernde, glutige Last auf das Schanzkleid. Die Galeone krängte schwer nach Steuerbord, und de Galantes schrie in blanker Todesangst.

Etwas landete polternd auf dem Achterdeck – eine von Ferris Tukkers Höllenflaschen. Ein grellgelber Blitz und ein Donnerschlag verwandelten das Deck in ein wirbelndes Inferno.

Die Seewölfe zogen alle Register. Hasard hatte den Befehl gegeben, die Piratengaleone zu versenken.

Ciro de Galantes erreichte die Back. Er torkelte und stieß unverständliche Laute aus. Er sah kaum noch, wohin er sich wandte. In seinem Rücken war eine flammende, heiße Wand, die das Schiff verschlang. Er hatte nur noch den einen Wunsch: Fort, ins Wasser, nur weg von hier.

Er erklomm das Schanzkleid. Ein Drehbassenschuß heulte dünn auf die Galeone zu und wurde gewissermaßen das auslösende Signal für den Sprung des Spaniers.

Er stieß sich ab und sah die Fluten als düsteren Schlund auf sich zurasen. In seiner kopflosen Hast landete er nicht sehr günstig. Hart klatschte sein Leib in die Fluten, das Naß stob in sein Gesicht, fast öffnete er den Mund.

Er tauchte unter, ruderte mit Armen und Beinen, gewann Auftrieb und schoß wieder an die Oberfläche. Verzweifelt begann er zu schwimmen.

Molokai – nur die Insel konnte ihm noch Rettung bieten. Dort kannte er sich glänzend aus, dort konnte er in den Wäldern unterschlüpfen und sich vor diesen fremden Teufeln verstecken. Sein Kampfgeist und stolzes Selbstbewußtsein waren verschwunden. Die Ereignisse hatten ihn in eine der Urphasen seiner Instinkte zurückgeworfen, in ihm regierte jetzt nur noch der bloße Selbsterhaltungstrieb.

De Galantes blickte nicht zu der brennenden, sinkenden Galeone zurück. Er achtete auch nicht auf die gegnerischen Schiffe, die von beiden Seiten heranglitten und ihren Klammergriff schlossen.

Er dachte nur an Flucht.

Mehrere Explosionen erfolgten im Stakkato und gaben der Galeone den Rest.

„Das Feuer hat die Pulverdepots erreicht“, sagte der Seewolf. Er stand an der Five-Rail und verfolgte, wie das treibende Wrack auseinanderbrach. Ein Gluthauch wehte zur „Isabella“ herüber.

Rasch tauchten die letzten lodernden Teile des einst so stolzen und prunkvollen Schiffes in den Fluten unter.

„Beiboote abfieren!“ rief Hasard. „Da schwimmen hoch ein paar Piraten im Wasser. Wir nehmen sie gefangen. Ich will sehen, mit wem wir es zu tun hatten.“

„Weg mit den Zurrings!“ brüllte Carberry. „Schwenkt außenbords die Boote und fiert, ihr eingepökelten Heringe. Was bildet ihr euch ein? Daß ihr euch jetzt auf die faule Haut legen könnt, was, wie? Kommt in Gang, oder ich ziehe euch …“

„Geschenkt!“ schrie Blacky zurück. „Den Rest kannst du dir sparen, du Walroß!“

„Wie war das?“ Carberry rückte an.

„Blacky meint, wir sollen uns beeilen!“ rief Matt Davies zurück. „Sonst schaffen die Piraten es noch bis zur Insel und hauen ab, bevor wir sie erreichen.“

„Das sag ich ja“, dröhnte die Stimme des allgewaltigen Profos’.

Wenig später pullten die Männer den Flüchtenden nach – in vier Booten, denn auch Siri-Tong war mit dem schwarzen Segler zur Stelle und hatte zwei Boote bemannen lassen.

Die Korsarin war diesmal an Bord zurückgeblieben. Hasard indes stand aufrecht im Bug des vorderen Bootes und hielt Ausschau nach den letzten Piraten.

Sie holten sie ein. Verzweifelt suchten die Kerle im Wasser sich zu retten, aber sie waren schon zu erschöpft, um noch ausdauernd Widerstand leisten zu können.

„Nicht schießen!“ rief Hasard seinen Männern zu. „Und laßt auch die Säbel und Messer stecken, verstanden?“

„Aye, Sir“, antwortete Carberry, der das zweite „Isabella“-Boot steuerte. „Wir vergreifen uns doch nicht an Wehrlosen.“

Er bückte sich und schnappte sich einen Polynesier, der hastig Reißaus nehmen wollte. Der Bursche zappelte wie ein Fisch, aber Carberry ließ sich nicht beirren und zerrte ihn aus den Fluten, sobald er seine Beine zu packen kriegte.

Der Polynesier hatte hoch ein Messer und wollte damit zustechen. Carberry hieb nur einmal mit der rechten Pranke zu. Das Messer segelte in die See zurück, der Eingeborene jammerte und wedelte mit der schmerzenden Hand.

Hasard erblickte einen schwarzen Haarschopf Backbord voraus. Er gab seinen Männern einen Wink, und sie steuerten weiter nach links. Rasch schob sich das Boot auf den Mann im Wasser zu.

Als dieser die Verfolger bemerkte, tauchte er unter. Hasard versuchte zwar noch, ihn zu greifen, aber seine Hände faßten bereits ins Leere.

„Verdammt und zugenäht“, sagte er. „Ich habe keine Lust, hier Katz und Maus zu spielen.“

„Da ist er wieder!“ rief Shane, der die Ruderpinne bediente. „Rechts von uns! So ein raffinierter Hund!“

Hasard riß sich die Kleider vom Leib, bis, auf eine kurze Hose. Nur mit seinem Messer bewaffnet, stürzte er sich mit einem Kopfsprung in das Naß.

Der Schwarzhaarige tauchte vor ihm weg. Hasarf folgte ihm. Unter Wasser hätte auch Dan, der Mann mit den schärfsten Augen, nicht die Hand vor Augen erkennen können. Hier herrschte tintenschwarze Finsternis.

Hasard orientierte sich, so gut er konnte. Der Schwarzhaarige war ungefähr einen Yard vor ihm weggetaucht, aber als er an die Stelle geriet, war der Kerl verschwunden. Natürlich. Etwas anderes hatte Hasard auch nicht erwartet. Der Pirat fintierte, so gut er konnte.

Versuchsweise steuerte der Seewolf nach rechts – und hatte Glück. Er stieß mit dem Mann zusammen. Dieser begann sofort um sich zu schlagen und mit den Beinen zu strampeln. Das Wasser dämpfte aber die Wucht seiner Bewegungen.

Hasard ließ sich nicht irritieren. Er steckte ein paar Hiebe ein, trieb die Deckung des anderen auf, packte ihn mit beiden Händen und stieß ihn nach oben.

Gemeinsam tauchten sie auf. Sie japsten nach Luft. Hasard sah ein schwarzbärtiges, breites Gesicht vor sich, aber das Bemerkenswerteste in dieser Physiognomie waren die Augen. Sie waren groß und dunkel und loderten in unauslöschlichem Haß.

„Hasard, paß auf, er hat ein Messer!“ schrie Gary Andrews aus dem Boot.

Hasard war auf der Hut. Der Schwarzbart riß den Dolch hoch und wollte damit auf ihn einhacken. Aber er bremste ihn im Ansatz, drehte ihm den Arm um, daß das Messer wegfiel, ließ ihn blitzschnell wieder los, zog die rechte Faust hoch und knallte sie ihm unter das Kinn.

Da sank der Kerl zusammen.

Hasard fing ihn auf und schleppte ihn zum Boot ab. Shane dirigierte es näher heran, und dann streckten sich hilfreiche Hände dem Seewolf entgegen.

Er ließ zuerst den Gefangenen an Bord hieven.

„Fesselt ihn“, stieß er keuchend aus. „Sonst erleben wir noch eine Überraschung mit ihm.“

„Der Bursche ist gefährlich wie ein Sack voll Schlangen“, meinte Matt Davies. Und damit traf er genau den Nagel auf den Kopf.

Hasard klomm an Bord. Er betrachtete den Schwarzbärtigen und tastete ihn ab.

„Wollen wir eine Wette abschließen? Er ist der Kapitän der Piratengaleone“, sagte er. „Ich habe ihn auf dem Achterdeck hin und her laufen sehen, bevor Shane seinen Pulverpfeil und Ferris seine Höllenflasche ’rübersandte.“

„Und was wollen wir mit dem?“ fragte Garx Andrews.

„Erst mal sperren wir ihn ein, dann sehen wir weiter.“ Hasard stutzte, er hatte etwas entdeckt. Er öffnete vorsichtig die Rohlederjacke des Bewußtlosen und zog aus einer Innentasche ein viereckiges Etwas hervor.

„Was ist denn das?“ fragte Carberry, der jetzt an Backbord mit seinem Boot heranlief. „Eine Mappe?“

„Ja, aus Schweinsleder“, erwiderte Hasard. „Sie hat einen doppelten Verschluß, scheint völlig wasserdicht zu sein. Das läßt sich auch aus dem Fett schließen, mit dem das Leder eingerieben ist.“ Er steckte die Mappe ein. „Ich werde sie später untersuchen.“

„Vielleicht ist der Plan für einen verborgenen Schatz darin“, sagte Matt Davies.

Carberry hatte es gehört, er grinste breit und spöttisch. „Glaubst du noch an Märchen?“

„Könnte doch sein“, erwiderte Matt aufgebracht.

„Finde ich auch“, fügte Jeff Bowie hinzu. Er saß neben Matt auf der Ducht.

Der Profos fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ihr habt sie ja nicht alle. Na, lassen wir das.“ Er sah zu Hasard. „Sir – wir haben insgesamt acht Halunken aus der See gefischt – nein, mit dem dort sind es neun.“ Er wies auf den Schwarzbart. „Einige scheinen Spanier zu sein, der Rest sind Eingeborene.“

„Zurück zu den Schiffen jetzt“, befahl Hasard. „Wir fesseln alle Gefangenen, sperren sie ein und kehren zur Ankerbucht zurück.“

Seewölfe Paket 6

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