Читать книгу Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 45

8.

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Ohne daß es dazu eines Wortes bedurft hätte, wurde das Beiboot abgefiert.

Carberry konnte es anscheinend nicht mehr erwarten, endlich die Insel zu betreten.

Alles blieb geisterhaft still und verlassen. Immer noch zeigte sich keine Menschenseele.

Der Seewolf blickte immer wieder zum Land hinüber, das jetzt zum Greifen nahe vor ihnen lag. Diese eigentümliche Ruhe, die über allem lag, wunderte ihn immer mehr.

„Du vermutest einen Hinterhalt?“ fragte Ben Brighton.

„Anfangs schon, es ist ja auch reichlich merkwürdig. Aber jetzt glaube ich nicht unbedingt an einen Überfall. Laß trotzdem die Stückpforten hochziehen. Gefechtsbereitschaft beibehalten, ich bin mir meiner Sache nicht so sicher.“

„Die Eingeborenen könnten aus Angst vor uns geflüchtet sein, in die Berge wahrscheinlich oder in eine andere Bucht. Und das Schiff kann schon ewig hier liegen.“

„Gut, ich werde mir das aus der Nähe ansehen“, sagte der Seewolf. „Nur Dan und ich gehen vorerst an Land. Alle anderen bleiben auf ihrem Posten. Sollten wir angegriffen werden, dann weißt du, was du zu tun hast.“

„Aye, Sir“, sagte Ben, der damit automatisch das Kommando über die „Isabella“ erhalten hatte.

Carberry stand schon bereit. Aber diesmal rieb er sich vergeblich die Hände, und sein Gesicht wurde immer länger und enttäuschter, als Hasard den Kopf schüttelte.

„Nur Dan und ich, Ed“, sagte er. „Hier stimmt etwas nicht, das wirst du selbst merken. Also genügen vorerst zwei Mann. Ich habe das Gefühl, als hielten sich Spanier auf der Insel auf.“

„Weil das Wrack dort liegt, Sir?“ fragte Ed. „Die können längst mit einem anderen Don wieder weggesegelt sein. Das hat nicht viel zu bedeuten“, versuchte er den Seewolf umzustimmen.

Hasard und Dan stiegen über die Jakobsleiter. Sie trugen Pistolen im Gürtel, außerdem hatte der Seewolf noch seine doppelläufige Waffe dabei, die Radschloßpistole.

„Es bleibt dabei“, sagte Hasard knapp.

Siri-Ton, die beiden Zwillinge und Batuti, der schwergebaute Neger, waren schon vor längerer Zeit unter Deck gegangen und hatten sich in die achteren Kammern zurückgezogen.

Hasard wollte auf diese Art und Weise mißtrauischen Fragen vorbeugen, falls es zu einer Begegnung mit Spaniern kommen sollte.

Als sie die kurze Strecke zum Strand hinüberpullten, standen hinter dem Schanzkleid die Seewölfe und blickten ihnen nach. Auch sie waren bewaffent, und standen dicht neben den schußfertigen Culverinen. Die Lunten lagen schon neben den Messingbecken.

Falls jetzt ein Überfall erfolgte, konnte sich die „Isabella“ von einem Augenblick zum anderen in eine feuerspeiende Festung verwandeln.

Auch unterwegs blieb alles ruhig. Niemand zeigte sich, bis Dan unbehaglich die Schultern hob.

„Ein eigenartiges Gefühl“, sagte er. „Man weiß nicht, was los ist und ob nicht gleich eine wilde Horde auftaucht.“

„Spanier würden vermutlich nicht sofort auf uns feuern“, entgegnete Hasard. „Die meisten halten uns doch auf Anhieb für einen Landsmann, erst recht dann, wenn noch die spanische Flagge aufgezogen ist.“

Das Boot lief knirschend auf den Sand. Die beiden Männer sprangen heraus und zogen es ein Stückchen höher hinauf.

Dann sahen sie sich wieder nach allen Seiten um.

Über der Bucht kreiste ein Vogel von bunter, leuchtender Farbe. Er zog eintönige Kreise, immer in der gleichen Höhe, immer im gleichen Bogen, als wollte er etwas auskundschaften.

Hasard blickte in das Dickicht, aber dort gab es außer dichtem Gebüsch und rot leuchtenden Blumen nichts zu sehen. Es gelang ihm nicht, durch das dunkle Grün hindurchzublicken. Es hatte Dschungelcharakter und war unglaublich dicht.

Die Stille zerrte an den Nerven. Dort drüben lag das Wrack, etwas weiter standen zahlreiche, palmblättergedeckte Hütten, da waren die dichten Palmengruppen und dahinter die Berge. Und über allem rührte sich nichts, außer dem leisen Plätschern und Raunen der Brandung, die an den Strand lief.

„Sehen wir uns zuerst das Wrack an“, sagte Hasard. Seine Worte klangen seltsam hohl in dieser Stille, und wieder beschlich ihn das Gefühl, als würden sie von hundert Augen belauert.

Das Wrack lag wie hingeworfen und zerschlagen auf dem Sand. Als die beiden Männer davorstanden, sahen sie den Toten, der immer noch im Mast hing, wie festgeklebt sah er aus. Seine spanische Uniform war an etlichen Stellen zerrissen und zerfetzt.

„Sollte das die ‚Kap Hoorn‘ sein?“ fragte Dan.

„Sieht so aus, Dan. Der Tote hängt noch nicht lange da, sonst wäre er bei dieser Hitze längst verwest. Gehen wir mal zur anderen Seite, dort steht sicher der Name.“

Es war die „Kap Hoorn“, wie sich gleich darauf herausstellte. Der Name prangte an der einen Seite, die nicht so stark eingedrückt war. Man konnte die goldenen Buchstaben noch deutlich erkennen.

„Was mag hier vorgefallen sein?“ fragte Dan in die Stille hinein. Blitzartig drehte er sich um, als ein hartes Knacken ertönte.

Auch der Seewolf fuhr herum, die Radschloßpistole in der Faust.

„Verdammt“, sagte Dan. „Es ist das Holz, nichts weiter. Das Schiff fällt immer mehr auseinander.“

„Ja, natürlich, es hat keinen Halt mehr.“

Er ging die paar Schritte wieder zurück.

„Die können nicht alle umgekommen sein“, sagte er dann. „Das halte ich für ausgeschlossen. Entweder haben sie sich versteckt, oder sie befinden sich auf einem anderen Teil der Insel. Oder sie sind wirklich mit einem anderen Schiff weitergesegelt, nachdem sie hier Schiffbruch erlitten haben.“

Er sah sich am Strand um und entdeckte die verkohlten und zerfetzten Überreste einer Hütte. Richtig verkohlt waren sie eigentlich nicht, das sah von hier nur so aus, weil sich Reste von Holzkohle um die zerstörte Hütte befanden. Es wirkte so, als hätte ein Schuß die Hütte kurz und klein geschlagen.

Jeder der beiden Männer stellte eigene Überlegungen an, und jeder versuchte in Gedanken zu rekonstruieren, was hier wohl vorgefallen sein mochte.

Hatten die Insulaner die „Kap Hoorn“ überfallen, nachdem sie das Feuer eröffnet hatte? Hatte ein Sturm die „Kap Hoorn“ zerfetzt und aufs Land geworfen, oder war sie auf die Korallen gebrummt? Nach einem schweren Sturm sah es jedoch nicht aus.

Hasard wurde nicht schlau daraus.

Dem jungen O’Flynn erging es nicht anders. Auch ihm boten sich zu viele Überlegungen an, die alle zutreffen konnten.

Sie sahen sich das Wrack genauer an, ohne jedoch an Bord zu klettern.

Die Bruchstellen waren frisch, das sah man deutlich an den überall hervorstehenden Planken. Vom Wrack weg gab es Schleifspuren zu den Hütten, als hätte hier viel im Sand gelagert.

Ebenso gab es einen verbrannten Fleck am Strand, in dem noch Holzkohle lag. Also hatte hier jemand ein Feuer entzündet.

Das Wrack war nicht mehr zu retten oder zu reparieren. Das meiste Holz taugte bestenfalls noch zum Verbrennen, mehr gab es nicht her.

Überall jedoch lagen abgebrochene Hölzer, zerschlagene Fässer und sonstiges Zeug herum.

Bis auf das leise Knacken und Knistern war auch hier alles ruhig.

„Wir sehen uns mal die Hütten an“, sagte Hasard. „Aber vergiß nicht, spanisch zu sprechen, auch wenn es so aussieht, als wären wir weit und breit allein. Falls es doch jemand hört, wird er nicht mißtrauisch werden.“

„Ich werde daran denken, Sir.“

Auf dem Weg zu den Hütten blieb der Seewolf mehrmals stehen und bückte sich.

„Hier sind Fässer abgesetzt worden“, sagte er, „und hier lagerten Kisten oder Truhen. Man sieht deutlich die Abdrücke im Sand. Hier haben etliche Männer gestanden.“

Er steckte die Waffe wieder in den Hosenbund zurück.

„Tu dasgleiche, Dan“, riet er. „Als Spanier gegen Spanier können wir ja nicht mehr mißtrauisch sein, seit wir wissen, welches Schiff es ist.“

„Richtig, das wird sie beruhigen, wenn sie noch hier sind und irgendwann einmal auftauchen.“

Auch Dan steckte die Waffe zurück und gab sich nach außen hin neugierig und verwundert.

„Ich werde das verdammte Gefühl nicht los, als beobachte man uns“, sagte er nach einer Weile. „Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, aber auf dem Hügel hat sich etwas bewegt, da bin ich ganz sicher. Und das lausige Dickicht dahinten scheint mir auch nicht sauber zu sein.“

Der Seewolf entgegnete nichts, aber er kannte Dans scharfe Augen, denen nichts entging. Wenn der etwas gesehen hatte, dann stimmte es auch.

Auch er sah sich immer wieder um, aber das Dickicht wirkte wie erstarrt, und auf den Hügeln gab es keine Bewegung.

Sie traten in das Dämmer der ersten Hütte.

Die Einrichtung war so spärlich, wie sie es erwartet hatten. Da lagen die Matten am Boden, da standen Töpfe, Kokosnußschalen und irdene Gefäße.

Es sah aus, als wären die Hütten in aller Ruhe verlassen worden.

In ein paar anderen gab es allerdings auch Unordnung, aber das hatte nicht viel zu bedeuten.

Nachdem sie alle Hütten durchstöbert hatten, waren sie nicht viel schlauer als vorher auch. Die Möglichkeit bestand natürlich, daß sich Spanier vorübergehend in den Hütten einquartiert hatten, nachdem die Insulaner geflüchtet waren.

Sie traten wieder hinaus, und Dans erster Blick galt dem dunkelgrünen Dickicht.

„Sieh dich unauffällig um“, sagte er leise. „Ja, genau zwischen den drei Palmen, da blitzt etwas.“

Hasard sah sich die Stelle an und bemerkte tatsächlich sekundenlang ein leichtes Glitzern.

„Da der Wikinger wohl schlecht auf dieser Insel sein kann“, sagte er grinsend, „dürfte es sich um einen spanischen Kupferhelm handeln. Also stecken dort ein paar Burschen, die noch nicht wissen, wie sie sich uns gegenüber verhalten sollen. Wir werden ihnen diese Entscheidung abnehmen, etwas müssen sie ja unternehmen.“

Von den Hütten bis zum Wrack waren es noch nicht einmal zwei Kabellängen, und von dort bis zum Dikkicht höchstens hundert Yards.

Sorglos schlenderten sie darauf zu, bogen kurz vorher aber ab und schlugen einen kleinen Bogen, um nicht aufzufallen, bis sie die Stelle entdeckt hatten.

Noch einmal sahen sie es blitzen, als ein Sonnenstrahl einen Helm traf und glänzen ließ.

„Hoffentlich finden wir noch ein paar Überlebende“, sagte der Seewolf laut. „Don Alfredo von der ‚Patria‘ wird ganz schön der Schreck in die Knochen fahren, wenn er erfährt, daß Sinona hier mit seinem Schiff gestrandet ist.“

Er hatte so laut und deutlich gesprochen, daß die im Dickicht versteckten Männer jedes Wort hören mußten.

Die Reaktion trat umgehend ein.

Plötzlich waren sie von Männern umringt, bewaffneten Männern in zerrissenen Uniformen und solchen in einfachen Hosen und Hemden.

Musketen und Pistolen waren auf sie gerichtet, immer mehr Leute erschienen aus der dunkelgrünen Wand.

Hasard und Dan O’Flynn gaben sich total überrascht. Gleichzeitig täuschten sie aber auch Freude vor.

„Wer seid ihr?“ wurden sie von einem Mann angeherrscht, der hier das Sagen hatte und wahrscheinlich Sinona war.

„Empfängt man so Landsleute?“ fragte der Seewolf empört. „Da laufen wir extra die Insel an – und dann dieser Empfang! Ich bin Sir Francis Drake, und dieser Mann ist der Heilige Nikolaus!“

„Diablo, das sieht man!“

Der Spanier trat einen Schritt vor und sah den Seewolf an.

„Ich bin Capitan Sinona“, sagte er. „Von Ihnen habe ich eben meinen eigenen Namen gehört.“

„Und ich bin Capitan Pedro Morena“, sagte Hasard kühl. „Das ist mein zweiter Offizier. Unser Schiff ist die ‚Isabella‘. Wir sind vor ein paar Tagen Capitan Don Alfredo de los Domirez von der ‚Patria‘ begegnet. Er bat uns, einen Gruß an Sie auszurichten, er wird ebenfalls in ein, zwei oder drei Tagen hier eintreffen.“

„Nehmt die Waffen runter!“ befahl Sinona seinen Männern.

Die Musketen, von denen etliche des nassen Pulvers wegen nicht geladen waren, wurden weggelegt, die Pistolen eingesteckt.

Erst jetzt gab Sinona dem Seewolf die Hand, blieb aber weiterhin kühl und auf Distanz.

„Gehört das Schiff Ihnen?“ fragte er.

„Ja, ich bin der Eigentümer und fahre auf eigene Rechnung“, erwiderte Hasard.

„Sie werden sich mir wohl oder übel unterstellen müssen“, sagte Sinona. „Die Staatsinteressen gehen vor. Aber darüber reden wir später noch ausführlich.“

Hasards Gesicht blieb ausdruckslos. Er mochte diesen Typ nicht, der sich trotz seiner fast aussichtslosen Lage so überlegen gab.

Er lächelte verbindlich und musterte dabei die anderen Männer.

Einige hatte es ganz hart erwischt, das sah man an ihrer zerrissenen Kleidung, ihren Blessuren und Wunden. Andere blickten düster und sahen verlangend auf die „Isabella“.

„Was ist passiert?“ fragte er.

„Das sehen Sie doch selbst“, schnauzte Sinona. „Oder redet das Wrack keine deutliche Sprache?“

„Es gibt mehrere Auslegungen“, erwiderte Hasard. „Aber wenn Sie es nicht sagen wollen, können Sie es ja später Capitan Don Alfredo erzählen. Wir segeln wieder weiter.“

„Vorerst segeln Sie überhaupt nicht weiter“, sagte Sinona mit fast gelangweilter Stimme. „Und wenn ich Ihnen das Weitersegeln erlaube, dann nur mit Kurs auf Spanien oder eine der Inseln, wo Sie gewisse Pflanzen hinbringen werden. Sie sind anscheinend nicht über die Rechte eines kriegsmäßig ausgestatteten Spaniers unterrichtet, mein Lieber. Den Befehl hier habe ich, sonst niemand.“

Hasard ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Bei Dan O’Flynn jedoch schwoll schon die Zornesader.

Was erlaubte sich dieser abgerissene Flottenkapitän eigentlich, dachte er. Strandete hier mit einer nagelneuen Galeone und war gleich dabei, Handelsschiffe zu requirieren! Na, dem Großmaul würden sie es aber noch zeigen, das stand fest.

Sinona ließ sich aber doch noch herab, eine Erklärung abzugeben. Er tat es hochnäsig und immer im gleichen gelangweilten Tonfall, mitunter auch sehr überheblich.

„Wir ankerten vor der Bucht, und es gab in der Nacht ein Unwetter. Dabei brach die Trosse, und unser Schiff wurde auf die Korallen geschleudert. Daß es dabei zerbrach, dürfte Ihnen ja klar sein. Später schleuderte es eine plötzlich auftauchende Riesenwelle auf den Strand. Wir verloren viele Männer. Sie hatten eben mehr Glück gehabt und sind am hellen Tag in die Bucht gelaufen.

„Ja, das war ein unwahrscheinliches Glück“, erwiderte Hasard. „Die Korallen sieht man ja auch erst, wenn man draufsitzt.“

In Sinonas Augen blitzte helle Empörung auf. Er wollte den Seewolf anbrüllen, doch dann sah er plötzlich in die eisblauen Augen, die ihn gelassen musterten, und schluckte hart.

Ein merkwürdiger Mann, dachte er beklommen. Der hatte so einen harten, zwingenden Blick, wie er ihn noch bei keinem Mann gesehen hatte. Und dann die Figur. Ein schwarzhaariger Riese von mindstens sechs Fuß Größe, muskulös und sehnig und sicher auch sehr schnell, wenn es darauf ankam.

„Bei Nacht sieht man sie jedenfalls nicht“, sagte er schroff. „Es war die alleinige Schuld meines ersten Offiziers. Er verfehlte diese Insel und landete auf einer anderen, sonst wäre das alles nicht passiert. Ich werde ihn später vor ein Bordgericht stellen lassen, vielleicht auf Ihrem Schiff.“

Das hast du dir gedacht, überlegte Hasard. Der Don glaubte, hier bestimmen zu können, aber das würde er ihm bald austreiben.

„Man sieht gar keine Eingeborenen“, sagte Hasard. „Anscheinend sind sie alle geflohen.“

„Sie hocken in den Bergen, und da können sie meinetwegen bleiben, bis sie schwarz werden. Uns geht es nur um die Brotfrucht.“

„Das weiß ich von Don Alfredo“, sagte Hasard.

„Nun, dann sind Sie ja gut unterrichtet, und Don Alfredo wird Ihnen sicher schon gesagt haben, daß Sie den entsprechenden Schiffsraum zur Verfügung stellen.“

„Er bat mich darum.“

„So, er bat Sie darum“, höhnte Sinona. „Ich bin es nicht gewohnt, um etwas zu bitten. Ich stelle Forderungen und verlange, daß sie auch sofort erfüllt werden. Sie sind Spanier wie ich, aber Sie segeln frei, und ich unterstehe einem Kommando. Das ist der kleine Unterschied zwischen uns beiden, den Sie bitte begreifen wollen. Somit unterstehen Sie von nun an mir und meinen Befehlen. Wenn ich will, kann ich über diese Insel jederzeit das Kriegsrecht verhängen lassen. Das nur zu Ihrer Information, Capitan Morena.“

In Dan kochte es immer stärker, am liebsten wäre er diesem überheblichen Kerl an die Kehle gesprungen, aber er riß sich zusammen, denn er erkannte, daß der Seewolf sich köstlich zu amüsieren schien und auf das Spiel einging.

„Vielen Dank“, sagte Hasard liebenswürdig. „Gerade weil ich freier Handelsfahrer bin, lasse ich mich nicht gern bevormunden, selbst von einem Flottenbock nicht!“

Sinona starrte ihn an, als hätte Hasard den Verstand verloren. Er glaubte, sich verhört zu haben, aber der schwarzhaarige Riese lächelte so eigentümlich und frech, daß er seine Worte tatsächlich ernst meinte.

Wütend drehte er sich nach einem gedrungen wirkenden Mann mit breiten Schultern um, der neben ihm stand.

Der Kerl sieht wie ein harter Schläger aus, dachte Hasard, vermutlich ist er der Profos von diesem spanischen Haufen.

„Bringen Sie diesem Kerl Manieren bei, Profos“, sagte Sinona mit vor Wut bleichem Gesicht.

„Warum tun Sie das nicht selbst?“ fragte Hasard gelassen.

Der Profos stürmte schon vor. Trotz seiner Gedrungenheit war er erstaunlich schnell.

Seine Faust schoß vor und zuckte nach Hasards Gesicht. Gleichzeitig beschrieb sein Körper eine halbe Drehung, und er ließ die andere Faust folgen.

So schnell der Ansatz auch war, beide Male drosch der Profos ins Leere, denn Hasard war blitzschnell zur Seite geglitten und ließ den Bulligen leerlaufen.

Als er, durch seinen eigenen Schwung getrieben, mit ihm auf gleicher Höhe war, schlug der Seewolf zu. Kurz, schnell und trocken.

Der Profos rannte in den Brocken hinein, wurde jäh gestoppt, blieb auf der Stelle stehen und beugte den Oberkörper zurück.

Erst dann warf es ihn zurück, als der Beharrungseffekt aufgehoben war. Er torkelte drei, vier Schritte zurück, riß einen anderen Spanier mit sich und krachte in die Büsche.

Die anderen Spanier standen wie erstarrt da und sahen den Seewolf entgeistert an, der den bulligen Profos mit einem harten Hieb so blitzartig gefällt hatte.

Sinona war wie gelähmt. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch kein Ton drang über seine Lippen.

„Zweifelt noch jemand daran, daß ich ein freier Mann bin, der seine Meinung sagt, wann er will?“ erkundigte sich Hasard.

Zwei Seesoldaten hoben zögernd die Musketen hoch und blickten unschlüssig auf Sinona.

Der hatte sich jetzt endlich wieder gefaßt. Sein Gesicht war immer noch blaß, seine Mundwinkel zuckten.

„Na schön“, sagte er drohend. „Sie haben lediglich bewiesen, daß Sie stärker sind als er, mehr nicht! Ich könnte Sie wie einen tollen Hund abknallen lassen, aber das werde ich nicht tun.“

„Zu liebenswürdig“, sagte Dan grinsend.

Sinona warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Als er sprach, klang seine Stimme belegt.

„Da Sie von nun an meinem Kommando unterstehen, werde ich jeden weiteren unfreundlichen Akt als Meuterei auslegen, Capitan Morena“, sagte er. „Denken Sie nicht, daß ich allein bin. Es werden noch mehr Kriegsgaleonen hier eintreffen, das haben Sie ja selbst gehört. Ich an Ihrer Stelle würde jetzt zurückstecken, sonst könnte es passieren, daß Sie an Ihrer eigenen Rah hängen.“

Der Profos gelangte wieder auf die Beine. Seine Augen waren vor Wut rot unterlaufen und er schnaufte schwer. Haßerfüllt sah er den Seewolf an.

Hasard hatte inzwischen die Leute gezählt, die er sehen konnte. Es waren annähernd vier Dutzend, mehr als doppelt so viele, als er Seewölfe hatte.

„Ich verstehe“, sagte Hasard.

„Damit Sie es noch besser und in aller Deutlichkeit verstehen, behalte ich Sie solange hier!“

Er hatte die Worte noch nicht richtig ausgesprochen, als Hasard und Dan plötzlich umringt waren. Musketenläufe bohrten sich ihnen aus allen Richtungen ins Kreuz. Es wäre glatter Selbstmord gewesen, jetzt zur Waffe zu greifen.

Sinona lächelte selbstgefällig und überlegen.

„Sie sind mir zu unsicher, mein Lieber“, sagte er. „Und außerdem zu selbstbewußt. Es ist besser, wenn wir die Fronten jetzt gleich abstecken, ich bin immer für klare Verhältnisse.“

Mit dieser Aktion hatten weder Hasard noch Dan gerechnet. Hinter und neben ihnen erhoben sich zustimmendes Gemurmel und schadenfrohes Gelächter.

Sollten sie lachen, dachte Hasard. Noch war nicht viel verloren, selbst wenn die Dons als nächsten Schritt die „Isabella“ besetzen würden. Denn das hatten sie zweifellos vor.

„Bis die ‚Patria‘ hier eintrifft, mein lieber Morena“, sagte Sinona lachend, „werden wir uns an Bord Ihres Schiffes einquartieren. Und wir werden auch gemeinsam die Brotfrüchte an Bord bringen und verstauen. Ich bin sicher, daß Ihre Leute das billigen und damit auch ein Teil Ihrer Aufsässigkeit verschwindet. Wenn Sie mit dieser Lösung nicht einverstanden sind, brauchen Sie es nur zu sagen.“

„Ich beuge mich natürlich der Gewalt“, sagte Hasard. „Und selbstverständlich einem Vorgesetzten.“

Da Sinona dieser Sinneswandel merkwürdig erschien, drohte er: „Versuchen Sie keinen faulen Trick, Senor. Wir sind fünfzig Leute, ihr seid höchstens halb so viele.“

Das habe ich bemerkt. Wie geht es nun weiter?“

Sinona sagte es ihm.

Seewölfe Paket 10

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