Читать книгу Der serbische Feldzug - Rudolf Dammert - Страница 10
Der Brückenschlag nach Bulgarien.
ОглавлениеOrsova liegt in einem interessanten Winkel Europas: Hier treffen sich die Grenzen dreier Staaten: Ungarn, Rumänien und Serbien. Hier beginnt das kurze Stück gemeinschaftlicher Grenze zwischen Serbien und Rumänien, das in diesem Kriege eine so große Rolle spielte, die Brücke zwischen Russland und den Westmächten mit den nachsichtigsten Wächtern. Hier ist die serbische Türe nach Osten mit dem Ausguck auf das große, mächtige Russland.
Die Donau zwängt sich in diesem Ausläufer Mitteleuropas durch hohes Karstgebiet. Der wanderlustige Strom, der sich in der ungarischen Ebene behaglich kilometerbreit ausdehnt, wird in diesem Lande, wo keiner dem andern Raum und Boden gönnt, auf wenige hundert Meter, im Engpass von Kasan auf 165 Meter, zusammengepresst. Kein Wunder, dass er schäumt und tobt und in hastiger Strömung enteilt. Hinter Orsova liegt das Eiserne Tor, das früher Frachten nur auf besonders gebauten Schiffen durchließ, dann fällt der Quellfluss des Donaueschinger Schlossparkes in die rumänische Ebene hinunter, asiatischen Gestaden entgegen. Schroffe hohe Berge grüßen hier von Ufer zu Ufer, grasüberwucherte Halden und buschiger Laubwald, über dem in den Tagen der entscheidenden Kämpfe das rostbraune Sterben des Herbstes lag.
Seit dem August 1914 waren hier von Ufer zu Ufer die Büchsen gespannt. Aber zu ernsten Kämpfen war es nicht gekommen. In dem schmalen Tal ist die Welt klein und eng. Der große Krieg brauste darüber hinweg. Der Strom hat im Frieden die Interessen der Uferbewohner miteinander verflochten. Die Serben hatten hier vorwiegend den ortsansässigen Soldaten den Grenzschutz zugewiesen. Sie verteidigten mit dem Vaterland zugleich Haus und Hof der engeren Heimat und besaßen genaueste Ortskenntnis. Diese Methode hatte aber auch ihre Bedenken. Der serbische Leutnant, dem die Artillerie des das Donautal beherrschenden Forts Elisabeth bei Tekija anvertraut war, war Hauptpächter des Fischfanges dieser Gegend und Hausbesitzer in Orsova. Manche Leute erklären sich die geringe Beschädigung dieses ihm 1 ½ Jahr zu Füßen gelegenen hübschen ungarischen Garnisonstädtchens mit seiner Furcht vor Vergeltungsmaßregeln an seinem Haus. In der Tat, es ist erstaunlich, wie planlos die wenigen Schüsse, die gewechselt wurden, gewählt waren. Die unschuldige türkische Moschee auf Ada Kaleh hat über 90 Schüsse abbekommen, die große Brücke über die Cserna, die nach Rumänien führt, die Kaserne, die Quaianlagen, selbst die schwimmende Landungsbrücke in Orsova wurden rücksichtsvoll geschont. Dies soll gewiss kein Vorwurf gegen den Kommandanten des serbischen Forts sein.
Die Serben haben Orsova nie recht getraut, und man hatte keinen Grund, sie in diesem Misstrauen zu stören. Gleich bei Beginn des Krieges wurde von österreichischer Seite ein Handstreich versucht. Ein Hauptmann, der später bei Belgrad fiel, setzte auf einem Schleppdampfer mit einer Kompanie Soldaten über. Die kühne, wagelustige Schar wurde mit überlegenem Feuer empfangen und musste unter Verlust von 14 Mann zurück. Als im Spätsommer die Spannung mit Bulgarien dem Bruch entgegenführte und sich auf dem nördlichen Donauufer eine neue Offensive ankündigte, wandten die Serben ihre größte Aufmerksamkeit der Nordostecke zu. Hier zwischen Orsova und Negotin betrug die Entfernung zwischen den Neuverbündeten in der Luftlinie nur 2—3 Tagemärsche. Hier war die Verbindung für sie am raschesten ausführbar und besonders lohnend, weil sie Serbien von dem slawischen Mutterreich trennte. Diese Ecke wurde daher mit serbischen Soldaten und Kanonen vollgepfropft. Da kam der starke überraschende Übergang bei Bazias, Semendria und Belgrad, der wuchtige Vorstoß der Bulgaren nach Mittel- und Südserbien. Die Nordostecke trat in den Hintergrund und musste Geschütze und Truppen abgeben. Nun öffneten sich am 23. Oktober in den Seitentälern von Orsova die Schlünde verborgener Geschütze und trugen eine heimlich eingesetzte neue Offensivgruppe mit Feuerwellen hinüber. Noch am gleichen Tage war das serbische Ufer vom Feinde gesäubert. Am 24. Oktober fuhr der erste Eisenbahnzug seit Kriegsbeginn wieder in Orsova ein.
Nur das unbedingte Vertrauen in die sorgfältigste Gründlichkeit unserer Vorbereitungen konnte das Wagnis auf die Verantwortung nehmen. Für die Heranführung der Truppen, des Materials, des Nachschubs stand nur ein Seitental zur Verfügung. Orsova und die Donau liegen von dem hohen, bewaldeten und schluchtenreichen serbischen Ufer aus in voller Sicht, rings um dieses ziehen sich Feldbefestigungen, oben hält ein Fort mit schwerem Geschütz Wache. Die Strömung des Flusses ist hier so stark, dass ein Ruderboot kaum dagegen ankommen kann, das geringste Abtreiben führt auf rumänisches Gebiet. Der Feind wurde vollständig getäuscht. An drei Stellen wurden, mit Schilf verkleidet, Pontons aufgestellt. Die dem Gegenüber bis ins einzelnste bekannte Gegend durfte nicht die geringste Änderung sichtbar werden lassen. Am 25. Oktober begann morgens 7 Uhr bei Nebel und Regenwetter das Wirkungsschießen. Gleich der erste Schuss unserer schwersten Mörser setzte das Fort außer Tätigkeit, auch eine am Ufer befindliche Batterie geriet in Brand. Der Feuerregen räucherte das am Ufer gegenüber gelegene Dorf Tekija, dann die Höhen und Schluchten aus.
Um 9 Uhr vormittags setzten gleichzeitig an drei Stellen 60 Pontons mit 2 Kompanien über, ungarische Landwehrleute, der Jüngste unter ihnen war 37 Jahre alt. Nun musste sich das Wagnis entscheiden.
Unsere Artillerie legte das Feuer höher hinauf auf die Bergkämme. Mit angespanntesten Muskeln arbeiteten sich die von der Strömung talabwärts treibenden Boote hinüber. Bald waren sie in der Mitte des Flusses. Jede Sekunde wurde ein vernichtendes Massenfeuer erwartet. An einzelnen Stellen entwickelte sich Gewehrfeuer.
Man wusste, dass der Feind hier noch kurz zuvor 3 Regimenter stehen hatte. War er durch das Geschützfeuer vertrieben oder wollte er den gelandeten Feind im Nahkampf werfen?
Für alle Möglichkeiten waren entsprechende Kampfmittel bereitgestellt. Die Pontons stießen wohlbehalten an das serbische Land, sofort gingen die zweiten Staffeln vom ungarischen Ufer ab. Drüben kletterten die graublauen Gestalten an den Uferhängen in die Höhe.
Am Strom entlang, in Windungen und Einschnitten, zieht sich die vom römischen Kaiser Trajan gebaute Uferstraße hin. Sie legt sich, durch Gräben und Schanzwerke ausgebaut, wie ein Festungsgürtel unten um die Berge. Aber dieser Ring war durch unsere Artillerie gesprengt.
Auch in Tekija hatten die höllischen Trommelwirbel unserer den Serben ungewohnten schwersten Geschütze alles Leben verjagt.
Ankunft in Belgrad
Serbische Artillerie während der Kämpfe bei Semendria.
Die Festung Semendria.
Eine serbische Staatsstraße.
Das Quartier im serbischen Bauernhause.
Mit vereinten Pferde- und Menschenkräften.
Straße im Moravatal.
Rast einer Kolonne.
Ein kleiner Dampfer huschte aus seinem Versteck hervor, nahm Kabel an Bord und warf sie drüben ans Land. Damit war die telefonische Verständigung mit den durch den Strom getrennten Abteilungen hergestellt. In einigen Stunden waren mehrere Bataillone drüben, der Übergang war gelungen. Und das schier unmögliche Wagnis hat im Ganzen drei Tote und wenige Verwundete gekostet!
Ein vorbedachtes System ineinandergreifender, den Erfolg sichernder Kleinarbeit war genau befolgt worden. Die Rechnung hatte gestimmt und wies so gut wie keine Verlustposten auf. Strategie ist richtige und glückliche Kalkulation.
Annähernd 2000 Serben waren in überlegenen Stellungen den Pontons gegenübergestanden. Unser Feuer hatte sie vertrieben oder außer Gefecht gesetzt, etwa 100, darunter einige Offiziere, waren gefangen genommen.
Die Offiziere machten einen guten Eindruck, während die Soldaten teilweise wie Zigeuner gekleidet waren. Sie schossen mit Gewehren buntester. Art, vielfach mit Bleikugeln ohne Stahlmantel, aber mit geübtem Auge. Auf Fort Elisabeth wurden zwei russische Schiffsgeschütze mit Munition erbeutet.
Der Kampf verlor sich alsbald in die innere Gebirgswelt. Drei hohe Kämme ziehen sich in der serbischen Nordostecke längs der Donau hin.
Sie haben tiefe Einschnitte, schroffe Wände und bilden einen natürlichen Schutzwall. Graues Gestein schaut finster aus dem faltigen Waldmantel heraus.
Der Nebel und tief schleifendes Gewölk treiben ihren Spuk in diesen Bergen, setzen bald dieser, bald jener Kappe die Tarnkappe auf.
Es war ein neuartiger Krieg, aber in seinen Erfordernissen wundersam vorbereitet. Die großen Wagen waren verschwunden. Der schwere Tross hatte sich in leichte zweirädrige Karren und in Traglasten aufgelöst, die mit den bosnischen Kletterpferden jeden Abhang überwanden.
Unsere Gebirgsartillerie und unsere äußerst wirksame Maschinengewehrausrüstung zeigte sich von einer erstaunlichen Beweglichkeit.
Tag und Nacht schafften die Fähren diese leichten Kolonnen über die Donau. Immer weiter dehnte sich der Saumpfad in die Einsamkeit der Berge. Wie Fabelwesen bellten die Geschütze in die Steinkulissen, ihr Gezänk schwang in den Tälern geisterhaft weiter.