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Nächtliche Annäherung an Belgrad.

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Von den Höhen Belgrads sieht man aus die breite Save hinunter wie in einen Suppentopf. Ufer und Höhen der serbischen Hauptstadt waren stark verschanzt und mit schwerer Artillerie gespickt. Die Inseln aus der Save waren von den Serben besetzt und befestigt. Im westlichen Damm der Save lagen die österreichisch-ungarischen Posten der feindlichen Inselwache seit Monaten gegenüber. Hinter dem Uferwall erstreckt sich kilometerweit Sumpfgebiet und überschwemmtes Land. Nur ein langer schmaler Laufsteg ermöglichte den Posten den Zugang zu ihrem Standort im Savedamm. Unsere Artillerie musste sich des Geländes wegen so weit zurück eingraben, das; sie nur die feindliche Infanterie am Fluss selbst, nicht aber die weit landeinwärts aufgestellte serbische Artillerie erreichen konnte. Das Braunschweiger Regiment, das den Übergang am rechten Flügel auszuführen hatte, hat serbischen Boden am raschesten erreicht.

Am 5. Oktober schlenderten einige vermummte Gestalten mit österreichischen Mühen über den Laufsteg, der über das überschwemmte ungarische Uferland zum Savedamm führt. Die Serben mochten sie für die Wachen oder Essenbringer halten, die täglich über den Steg kamen. Sie ließen sie unbehelligt. In der unauffälligen Verkleidung erkundeten der Kommandeur und die Bataillonsführer eines deutschen Reserve-Regiments die ihnen zugewiesene Übergangsstelle. Der Angriff war für den 10. Oktober in Aussicht genommen. Am 5. Oktober aber kam Befehl, dass er schon in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober erfolgen solle, da in Erfahrung gebracht wurde, dass serbische Verstärkungen von anderen Fronten nach Belgrad in Marsch gesetzt waren.

Abends 6 Uhr nach Einbruch der Dunkelheit bricht das Regiment von Jakovo auf. Der Savedamm ist etwa 5 Kilometer entfernt. Hinter dem Dorf versinkt der feste Boden in dem durch frühere Durchstiche und Regenwetter angesammelten Wasser. Das Regiment kann daher nur über den 1,5 Kilometer langen Brückensteg an die Save gelangen. Kompanie hinter Kompanie, im Gänsemarsch, militärisch gesagt in Kolonne zu Einem, muss über die schmalen Bretter des einen Steges sich an die Einschiffungsstelle vorbewegen. Das Geklapper der Schuhe auf dem Holzboden hätte den Feind aufmerksam gemacht. Daher werden die Bretter zunächst mit Stroh belegt. Dann setzt sich die lange Linie der hintereinander gereihten 3000 Soldaten in Bewegung, voran der Kommandeur. Tiefschwarz ist die Nacht. Man sieht nicht den Steg, nicht den Vordermann. Jeder fasst den Vorgänger an dem Rockschoß, um nicht vom Stege abzuirren. Ein Wolkenbruch ergießt sich auf die wackere Kolonne. Die Stiefel schleppen immer mehr Lehm auf die Holzplanken. Sie werden schlüpfrig wie ein Tanzboden. Anderthalb Kilometer lang kämpfen sie mit dem schmalen glatten Boden, aneinander gekettet, durch die Finsternis gezogen. Die jähen Gewitterblitze blenden vollends die Sinne. Der Regen peitscht ins totenstarre Gesicht. Das Sturmgepäck, das sie mit haben, hängt schwer und triefend über die Schultern. Tritt einer fehl oder gleitet einer aus, so platscht er bis über die Hüften ins Wasser. Es ist meist unmöglich, ihn sogleich hochzuziehen, weil man selbst keinen festen Halt hat und die Kette nicht abreißen darf, da sonst die Nächstfolgenden die Richtung verlieren und samt und sonders ins Wasser stürzen. Sie müssen daher, an die Bretter geklammert, so lange im kalten Bade ausharren, bis die Reihe zu Ende ist, und können erst dann wieder aus den Steg klettern. Da ist keiner, der nicht fünf- bis sechsmal fällt, und die Zahl derer, die vom Steg ins Wasser stürzen, ist nicht gering. Sieben Stunden dauert der Anmarsch auf der 5 Kilometer langen Wegstrecke. Besonders mühevoll ist der Transport der Maschinengewehre. In völlig erschöpftem Zustande kommt das Regiment gegen 2 Uhr nachts an der Save an.

Die Serben, die aus der nahen Insel verschanzt liegen, haben von der Annäherung nichts bemerkt. Die Posten mögen in ihren Kapuzen trübselige Betrachtungen über das Wetter anstellen. Sie ahnen nicht, dass beim Morgengrauen deutsche Truppen auf serbischem Boden stehen. Von den Belgrader Höhen spielen die Scheinwerfer über die Save und das Ufergelände. Es sind aufregende Augenblicke, wenn die Lichtstrahlen über den Steg huschen. Unwillkürlich erstarrt der Zug, um sich nicht durch Bewegung zu verraten. Wird die Kolonne entdeckt und abgeleuchtet, so bietet die serbische Artillerie sicherlich alles auf, den Steg zu zerstören, das Regiment abzuschneiden und in einen Schrapnellhagel zu hüllen. Es sind zwar auf der ganzen Länge des Steges vorsorglich Posten der Pionierabteilung des Regiments mit Handwerkszeug und Baumaterial verteilt, um eintretende Beschädigungen sofort auszubessern. Aber im taghellen Licht des Scheinwerfers sind derartige Arbeiten kaum möglich. In einer hellen Nacht hätte der elektrische Lichtkegel die anrückenden Deutschen sicherlich aufgestöbert. Der dichte Regen aber breitet seinen nassen Mantel schützend über die Wagemutigen. Der Gewitterdonner verschluckt das Geräusch ihrer Schritte. Nachts 2 Uhr, als die Einschiffung unserer Truppen beginnt, stellen die serbischen Scheinwerfer ihre Tätigkeit ein und vertrauen dem Frieden der Nacht.

Auf dem steilen Savedamm hat das Regiment zunächst noch einen 7 Kilometer langen Weg bis zur Übergangsstelle bei der Großen Zigeunerinsel zurückzulegen. Er ist kaum weniger beschwerlich. Der Lehmboden ist durchweicht und schlüpfrig. Die Kolonne stockt immer wieder vor Übermüdung und muss dann im Eilschritt die entstandene Lücke ausfüllen. Alles sehnt sich nach dem Ziel. Der Kampf erscheint wie eine Erholung nach den übermenschlichen Strapazen dieser endlosen Nacht.

Der serbische Feldzug

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