Читать книгу Der serbische Feldzug - Rudolf Dammert - Страница 8

Die Kämpfe auf den Zigeunerinseln.

Оглавление

Wenn man das weißschimmernde Häusermeer Belgrads verlässt und der Save flussaufwärts folgt, steigt der Weg durch ein Villen=Viertel bergan. Hier liegt der Topciderberg, der stark bewaffnete Wächter über den Unterlauf der Save und die darin gebetteten Zigeunerinseln, diese natürlichen Sprungbretter eines angreifenden Feindes. Auf dem Topcider, dem Südfort Belgrads, standen noch vor kurzer Zeit vier Geschütze französischer Herkunft, zwei schwere und zwei leichte. Es sind Flachbahngeschütze, die auf dem Präsentierteller liegen. Die Aussicht von hier oben ist überwältigend. An dem Savebogen liegt der Belgrader Hafen zu unseren Füßen, dahinter die Donau und jenseits der Savemündung die ungarische Grenzstadt Semlin. Wenn man die Stellung der Geschütze besichtigt, versteht man, warum sie nur zaghaft in den Kampf eingriffen und die Hauptarbeit zunächst den sechs Geschützen auf der Vracarhöhe überließen. Ihr weithin sichtbares Mündungsfeuer musste ihren Standort mit dem ersten Schuss verraten. Aber schließlich half das Zögern nicht länger. Mit dem Morgengrauen des 7. Oktober erhoben sie ihr Veto gegen den Donau- und Saveübergang. Ihre schwerkalibrigen Geschosse platschten ins Wasser und bedrängten die an der Zitadelle und auf der Zigeunerinsel gelandeten Angreifer. Ihre Keckheit fand rasche Sühne. Sie wurden unter schwerstes Feuer genommen. Davon zeugt das tiefgewählte Erdreich ihrer Umgebung. Ein 15-Zentimeter-Schiffsgeschütz erhielt einen Volltreffer. Die lange Schnauze liegt im Schlamm, die Panzerung ist zerfasert, ein zweiter Volltreffer schlug den Unterstand der Bedienungsmannschaften ein, die hier ihr gemeinsames Grab gefunden. In einem benachbarten Haus fanden wir französische Zeitungen und Briefe, auch englische Korrespondenz, u. a. die Nummer des „Matin“, die den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges „groß aufmacht“. Hier hatte Serbiens Gesandter in Konstantinopel, Christitch, seinen Sommersitz. Es ist wohl kein Zweifel, dass die Geschütze von französischen Marinesoldaten bedient wurden; man fand bei ihnen französische Matrosenjacken und spitzenbesetzte Dessous.

Unten, in der Save, erstreckt sich langgezogen und ziemlich breit die Große Zigeunerinsel, etwas nördlicher flussabwärts die Kleine Zigeunerinsel. Hier waren die deutschen Truppen der Armee Köveß zum Angriff angesetzt. Die schlichte Erzählung eines Teilnehmers hört sich an wie ein Heldengesang: Am Nachmittag des 6. Oktober hatte das Wirkungsschießen unserer Geschütze begonnen. Ein Regiment sollte in der kommenden Nacht die Kleine, ein anderes Regiment die Große Zigeunerinsel angreifen und vom Feinde säubern. Entsprechende Reserven blieben zunächst noch auf dem ungarischen Ufer zurück. Um 12 Uhr nachts machten 6 Kompanien den Versuch, auf Pontons die Große Insel zu erreichen. Sie wurden mitten auf dem Wasser von einem starken Gewehrfeuer überfallen. Zahlreiche Boote wurden leck und erreichten in sinkendem Zustand knapp das Ufer, andere brachten Verwundete zurück. Immer wieder wurde der Versuch wiederholt und dabei der Feind selbst unter Feuer genommen. Um 2 Uhr nachts hatte ein schwaches Bataillon die Landung ertrotzt, aber die Boote in ihrem Rücken waren durchsiebt und im Wasser verschwunden. Die Verbindung mit den beiden anderen Bataillonen war abgeschnitten, Hilfe so bald nicht möglich, der Feind aber durch eine Brücke, die von der Insel zum serbischen Ufer führte, in der Lage, Munitions- und Mannschaftsersatz heranzuschaffen. Es galt einen Kampf auf Leben und Tod. Jeder Einzelne musste gegen ein Dutzend bestehen. Man hielt sich nicht lange mit Eingraben auf. Die Insel musste quer durch bis zum Ostufer erkämpft werden, bevor der Morgen graute. Die Serben griffen auf dem rechten und linken Flügel mit Handgranaten und mit der blanken Waffe an. Sie wurden abgewiesen. Das Bataillon rückte langsam vor. Es geriet in dichtes Dornengestrüpp und niederen Wald. Serben schossen von den Bäumen, aus den Büschen. Es war ein mühseliger, zäher und erbitterter Nahkampf. Schließlich war der Wald von den wenigen deutschen Kompanien erobert. Eine 250 Meter breite Wiese dehnte sich nun vor ihnen bis zum Ost- und Südrand der Insel. Am Uferhang, gut gedeckt, mit der Brücke zum serbischen Ufer im Rücken, waren die Serben in starken Stellungen verschanzt. Man hätte sich mit den schwachen Kräften daran verblutet. Das Bataillon grub sich daher am Waldrande ein und wartete Verstärkungen ab. Der heraufziehende Tag forderte eiserne Nerven. Noch konnten die Serben ihre Hauptstadt auf dieser Seite schützen, vielleicht ganz retten, wenn es gelang, diese paar hundert Eindringlinge von der Insel zu werfen. Die serbische Artillerie fiel über sie her, wurde aber bald daran durch unsere Artillerie gehindert. Mit immer neuen Verstärkungen griff die serbische Infanterie den ganzen 7. Oktober über an, ohne Erfolg. Am Nachmittag ging die Munition zur Neige. Man musste daher den besonders heftig angegriffenen südlichen Flügel zurücknehmen. 1 Unteroffizier und 15 Mann wurden von dem Befehl nicht mehr erreicht und schlugen sich einzeln zurück. Ein Offizier schwamm über die breite, stark strömende Save ans ungarische Ufer, um die gefährdete Lage zu melden. Jede Hilfeleistung war unmöglich. Die Serben hatten vom Topciderberg den Strom zu Füßen und richteten gegen jeden Übergangsversuch ein vernichtendes Feuer. Aber der Abend konnte nicht abgemattet werden. Die Serben verschärften am Nachmittag ihre Angriffe gegen das abgeschnittene Bataillon. Da ließ man einen unbemannten, scheinbar herrenlos treibenden Kahn, durch Schwimmer unbemerkt geleitet, die Save herunter und an das Inselufer treiben. Die List gelang. Der Kahn, der voller Munition war, blieb unbehelligt. Nun waren die Inselverteidiger wieder guten Mutes. Sie hielten ihre Stellungen bis abends. Um 7 Uhr, in der Dämmerung, kam das erste Hilfeboot, dann wurden während der Nacht das ganze Regiment und eine Kompanie Jäger auf die Insel gebracht. Der Erfolg war gesichert. Am Morgen des 8. Oktober, um 5 Uhr früh, wurden die serbischen Stellungen auf der Insel, fast ohne Verluste, gestürmt. Der Rest der serbischen Besatzung flüchtete über die Brücke auf das serbische Ufer zu den in der dortigen Lederfabrik bereitgestellten Reserven. Durch die Volltreffer eines schweren Geschützes fiel die Fabrik—in Trümmer. Das ganze Ufergelände wurde in Feuer gehüllt. Wo die Serben noch einen Fluchtversuch machten, wurden sie unter Maschinengewehrfeuer genommen. Im weiteren Umkreis sperrte unsere Artillerie den Rückzug ab. Die paar hundert Serben, die mit dein Leben davongekommen waren, ergaben sich. Sie hatten keine Zeit gehabt, die Brücke zu zerstören. Nachdem die Sprengkapseln daran entfernt waren, betrat das Regiment serbischen Boden und besetzte die südwestliche Vorstadt. Die Landung des Nachbarregiments auf der Kleinen Zigeunerinsel war nicht leichter. Sie gelang erst am Nachmittag des 7. Oktober. Vorher war ein einzelner deutscher Soldat, der versucht hatte, von der Großen Insel ans Ufer zu schwimmen, abgekommen und auf der noch von den Serben besetzten Kleinen Insel angetrieben worden. Als er vom Ufer landeinwärts kroch, sah er sich plötzlich im Rücken der serbischen Stellungen. Zum Glück hielten die serbischen Krieger gerade ein gesundes Mittagsschläfchen im Graben, so das; er unbemerkt blieb. Obwohl verwundet, erkundete er die rückwärtigen Hindernisse und Wolfsgruben und verkroch sich dann, so gut es ging. Als am Nachmittag das Regiment die Insel stürmte und die Serben schließlich wichen, waren sie wohl erstaunt, im Rücken einen Deutschen vorzufinden, aber sie hatten keine Zeit mehr, sich mit ihm zu befassen, so dass er heil davon kam. Er unterrichtete das Regiment über seine Erkundungen und sparte uns manche Verluste.

Das ist eine der vielen übergroßen Leistungen. Man könnte von jedem Einzelnen dieser Kämpfer Gewaltiges erzählen. Und wie viele kühne, große Taten werden nie bekannt, weil ihr Vollbringer sie mit in das schweigsame Heldengrab nahm. Am Abend des 8. Oktober waren beide Regimenter nach Überwindung der Save in der Stadt Belgrad, aus der der Feind sich kämpfend zurückzog. Die an dem erhabenen geschichtlichen Ereignis mitbeteiligten Württemberger mögen mit besonders stolzem Gefühl das Land betreten haben, haben doch vor 200 Jahren Altwürttemberger unter Prinz Eugen an dieser Stätte einen gleich glorreichen Einzug erfochten. Wahrhaftig, sie haben sich ihrer Vorväter würdig gezeigt!

Der serbische Feldzug

Подняться наверх