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Um die Zeit, als die ersten Jünger der Gesellschaft Jesu nach Innsbruck gerufen wurden, um auch dort einer etwas verwilderten Deutschheit, die selten lutherisch bibelfromm, sondern eher heidnisch und ungläubig geworden war, durch ihr, in den ersten Jahrzehnten hinreißendes Beispiel, einen neuen, glühend passionierten Glauben zu erwecken, da lebte im adeligen Damenstift ein altes Fräulein, von dem es hieß, daß es ehedem die schönste Jungfrau in dreien Königreichen gewesen und mit der griechischen Helena verglichen worden war, nach der sie auch hieß.

Sie war die Tochter des Bankmannes und Händlers Manuel Chrysoloras, eines Nachkommen des berühmten Humanisten gleichen Namens.

Dieser Chrysoloras soll ein bis an alle Grenzen gescheiter und kalter Geldmann gewesen sein, der sich übrigens rühmte, das schönste und das widerlichste Menschenkind auf Erden nebeneinander bei sich und zu Diensten zu haben. Und wenn man sich über das letztere, einen schamlosen Knecht, entsetzte, pflegte er lachend zu sagen: „Was wollt ihr? Er ist eben die Materia, ohne allen Umweg menschgeworden. So ist sie, und so sieht sie aus.“

Der war einmal als Troßbube, eine entlaufene Bestie vom Landsknechtsheere, das Rom geplündert hatte, zu ihm gekommen: Klein, krumm, frech, breitmäulig und stark; zu alledem unerhört behende und gewandt, nur zu nichts Gutem. Der trug ihm seine Dienste an. Es wird erzählt, daß ihn der Chrysoloras gefragt: „Was willst du dafür?“

„Eh, Geld,“ hatte der Kerl gegrinst.

„Was hast du bisher getrieben?“

„Ich? Na: Ich hab, als wir Rom eingenommen, einen berühmten Maler erstochen. Weils mich geärgert hat, daß es sowas gibt. Ich hab’ dem Papst selber eine Maulschelle heruntergehauen, die war ungut, sag’ ich euch. Und ich hab’ unsern alten Frundsperg dermaßen geärgert, daß ihn der Schlag darüber gerührt hat, auf der Stelle. Vor niemand hab’ ich Respekt. Bloß vorm Geld. So tät’ ich all’ eure Feinde traktieren, und wärens Papst oder Feldoberst!“

„Das sind ja hübsch weite Grenzen, die deine Natur da erreicht hat,“ soll der Chrysoloras dazu gesagt haben. „Aber wer bürgt mir denn, daß du nicht auch mich erstichst, oder traktierst oder zutode ärgerst?“

„He! Wer soll mich denn dann sicherer und besser bezahlen?“ fragte die krummbeinige Bestie. „Ihr könnt ja auch immer noch einen entlohnen, der mich aus dem Hinterhalt niederschießt. Denn mir von vorn entgegenkommen? Das hat noch jeden gereut. Wenn ich ihm Zeit dazu gelassen,“ schloß er.

„Dann stimmt die Rechnung,“ hatte der Chrysoloras gesagt und den Troßbuben in seine Dienste genommen. Jeder entsetzte sich darob, aber dem ohnemaßen kühlen Geldmenschen gefiel er gut, wennschon er mit ihm zeitlebens nicht hundert Worte geredet hat und sicherlich keines zuviel. Es schien, als lächelte der Chrysoloras, daß er sich das größte Frechheitsexemplar der damaligen Zeit zinsbar und zu Diensten gemacht hätte. Soviel über den Vater der Helena.

Sie selber war, seit man sie kannte, wunderlich; sie weinte viel und man sagte, daß in ihrem Blut die Melancholie erblich wäre. Ein Vetter von ihr, der sie inniglich geliebt, den sie aber freundlich abgewiesen, hatte schon als junger Student die heilige Schrift völlig und ohn’ alle Rücksicht ergründen wollen, hatte sogar bei Juden Unterricht dazu genommen, war darüber schwermütig geworden. Er hätte sich erhenkt, wenn die Base ihn nicht abgeschnitten und ihn nach Salzburg gebracht hätte, wo damals der berühmte Theophrast Paracelsus seinen Wissensdurst wohl stillen konnte und wohin auch mehrmals der Doktor Faustus kam, mit dem dann der Student und Helena gar vertraute Kundschaft hatten. Der Bursch soll davon ein erschreckliches und elendigliches Ende genommen haben und das Fräulein ist dem Trübsinn gänzlich verfallen.

Sie sah sodann, eine Gealterte, keinen Menschen mehr recht an, ging an allen vorbei wie ein Rauch. Nur Kinder liebte sie und holte sich solche immer wieder herzu. Aber das kleine Volk, so viel es auch von dem adligen Stiftsfräulein beschenkt wurde, fürchtete und mied sie. Zuerst wegen der tuschelnden Nachrede mit dem Zauberer Faustus. Dann aber hatten sie Angst, weil das Fräulein ihnen oft ein grusliges Volkslied von einem buckligen Männchen vorsang, das immerzu dastände, wenn und wo ein Menschenkind einmal so recht allein wäre. Hinter der Stiegen, in der Speisekammer, bei der Mehltruhen. Sogar am Bette, wenn man zu Abend beten wollte. Immer stand gleich das bucklig Männlein dabei, —

— „fängt als’ an, zu beten:

Liebes Kindlein, ach, ich bitt,

Bet’ fürs bucklig Männlein mit.“

Die Helena hat sich dann ganz an die Väter von der Gesellschaft Jesu angeschlossen und soll im Geruch der Heiligkeit gestorben sein.

Das zuvor, ehe von der besagten Helena Chrysoloras und dem Faust näherer Bescheid ergehen soll, der damals nach Salzburg gekommen war, niemand wußte warum. Nur die versoffenen Studenten scherzten, er hätte durch seine Kunst dort des Bischofs halben Keller ausgesogen und mit ihnen verzecht. Mit dem Kellermeister, der sie zu unguter Stund erwischte, wäre er auf eine hohe Tanne am Untersberg geflogen und hätte ihn dort im Wipfel alleingelassen, wie ja auch das alte Volksbuch zu berichten weiß.

Nun aber zum endlichen Bericht.

Der Satansgedanke

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