Читать книгу Der Satansgedanke - Rudolf Hans Bartsch - Страница 6

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Es weilte damals auch das absonderlich schöne Mädchen in Salzburg, welches eine weitschichtige Base zu Bertel Stainern war. Sie hieß Helena und war des griechischen Kaufmannes Tochter, der alle Lieferungen für die Innsbrucker Hofhaltung des seligen Kaisers Max besorgt hatte und jetzt, als ein reicher Mann, für Karl den Fünften und den römischen König Ferdinand Geldgeschäfte trug. Zu der war an jenem Tag, sehr geistesabwesend, der junge Stainer gekommen und frug nach dem Vater. Dann, als Helena dem Vetter gesagt hatte, daß der zum römischen Könige gefahren wäre, ließ er sich niedersinken.

„Ich wollte auch gar nicht nach dem Oheim fragen.“

„Was führt dich also her, Vetter?“ sagte das Mädchen beunruhigt.

„Ich war beim Doktor Faust.“

„Beim Zauberer?“ fragte das Mädchen erschrocken.

„Ja.“

„Gott und die heilige Jungfrau behüte dich!“

„Dieser beiden bedarf ich nicht mehr.“

„Bertel, Bertel, was sagst du da!?“

„So! Sagt ich was?“

„Was ist geschehen mit dir?“

„Ich weiß nicht mehr. Mir ist, als wär ich aus einer Ohnmacht aufgewacht und hätte mich nun nur so hergeschleppt.“

„Hat er dir was getan? Hat er dir was angezaubert?“

„Ich weiß nichts mehr; nichts. Alles ist vergessen, bis auf den Augenblick, daß ich eintrat. Er hatte seine tiefen, grauen Augen in die Türe gebohrt und sagte: ‚Ich weiß, daß du kommst.‘ — Ich, zu seinen Knien hin: ‚Fauste hilf mir, du allein kannst es!‘ Und von da ab weiß ich nicht ein Ding auf Erden mehr, als daß ich jetzt hier bin.“

„Du mußt ihm nie wieder begegnen, du! Wer weiß, was er mit dir gemacht hat! Du darfst ihm nie wieder begegnen!“

„Helena, lieber begegne ich in Ewigkeit dem Erlöser Herrn Jesu Christo nicht mehr, als daß ich vom Faust lasse!“

„Gott segne dich und mich; aber dann muß ich zu meinem Beichtvater und durch ihn Gott anrufen, für dich und gegen ihn. Und zum Erzbischof will ich den Faust verklagen gehen; Vetter!“

„Der Erzbischof ist derselben Sucht und Sach verfallen, wie Faust und Paracelsus, laß das nur. Es ist gut, wenn du fromm bist und sollst ungestört dabei verbleiben. Und es ist gut, wenn ich dem Faust nachgeh’, und du sollst mich lassen, wie ich immer auch gehen mag. Ah, Helena, dieses Schauen! Bis in den Grund der Seelen schaut er! Und so traurig schaut er, wie der Engel Luzifer, da er sich von Gott lossagen gemußt; weil er nit anders gekunnt. — Wie ich!“

Dem schönen Mädchen erzuckte leise das Herz. „Traurig?“ sagte sie. „Ich hab viel tolle und übermütige Ding erhört von ihm; aber von seiner Trauer redst erst du.“

„Ich kann nichts, als an ihn denken.“

„So erzähl mir von ihm. Man hört so viel üble Sachen. Es tät mir wohl, besser über ihn denken zu können.“

„O, das war früher,“ rief der Student eifrig. „Da hat ers gar schlimm getrieben und viel Ärgernis und Feindschaft angestiftet. Aber nun ist er still und weich worden; berühmt sich auch gar nicht mehr seiner Künste. Dafür geht sein Lob aus der geachtetsten Leute Mund umher! Der Philipp von Hutten nennt ihn einen Gesandten höherer Mächte, einen tiefstudierten Weisen! Der große Schulmann Camerarius sagt: ‚Was redet ihr über den Fausto? Geh einer hin und suche er aller Weisheit Spuren und Gründ’ so feuriglich nach, wie der Faust, so will ich nur mehr unbedeckten Haupts vor ihm stahn!‘ Das sind Zeugniss’ unserer ersten Männer, Helena; und sind die frischesten und letzten. Alles andere ist alte Feindschaft und altes Gered’!“

„Wie sieht er aus?“ fragte Helena. Und dieselbe Frage, die dem Stainer an seinen Kommilitonen klein und nichtig erschienen war, gewann jetzt ein blühendes Leben für ihn. Er malte das vergrämte, tiefverstudierte Wesen des seltenen Mannes; seine ewig anders schauenden, elementar launenhaften Augen, die Bürde seiner Schultern, das düstere Schwarz und Rot seiner Kleidung, und wie die Halskrause den gramvoll nachdenklichen Kopf über alldem wie vereinzelt, abgetrennt, ja enthauptet erscheinen ließe. „Man sieht zuletzt nur mehr dies Haupt auf weißer Schüssel liegen und allein für sich leben: dies Denkerhaupt, das der Weisheiten letzte Grenzen überstiegen und Gott selber zu durchschauen sich vermessen hat.“

Das schöne Mädchen saß unbeweglich im Erker. Das südliche Blut ihres Vater machte ihre Wangen niemals röter werden, als es der braune Elfenbeinton ihrer Haut zuließ. Nur ihre Haare ringelten und rollten sich wie deutsches Märchengold über der Blässe ferner, wärmerer Zonen. Ihre braunen Augen schauten ins Weite. Seltsame Mär! Daß das alles wirklich war? Daß es solch einen Menschen gab, der entweder der erste und höchste unter den Sterblichen, oder ihr verworfenster war! Und wer wollte sagen, ob dies, ob jenes! Man wußte nur, eines der beiden Enden der Menschheit war er!

Der Satansgedanke

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