Читать книгу Der Satansgedanke - Rudolf Hans Bartsch - Страница 8
ОглавлениеAber sein Leben bestand nicht mehr wie ehedem aus Tollheiten, Zechgelagen, Gaukeleien und Schabernack. Immer mehr trieb ihn das Bewußtsein des Wegsickerns seiner Tage zur Tat, zu seiner alleinigen Tat, für die niemand außer ihm prädestiniert war, vielleicht seit Anbeginn der Schöpfung, — außer dem zornigen Priester und Magier Gatamura, den ihm einstmals, in entrücktem Zustande, sein zweites Gesicht vorgewafelt hatte und an dessen schauerliche Tat er voll geheimer Hinneigung glaubte.
Darum war er nach Salzburg gekommen.
Es lebten hier zwei Menschen, deren er zu einem Plane bedurfte, welcher immer magischer in ihm Gewalt gewann. Paracelsus war der eine; der andere aber war der Fürstbischof selber, gelehrter Mineralog und aller geheimen Gänge und Schichtungen des Gesteines im bayrischen, salzburgischen und tirolischen Hochgebirge kundig. Faust brauchte den großen Alchemisten und er mußte die Kenntniss’ über alle Bergadern besitzen, ehe er groß werden und aufflammen ließ, was als geheimes Feuerlein in ihm glühte.
Es war die Stunde, zu welcher Paracelsus in die bischöfliche Bibliothek kommen sollte, um ungestört mit Faust über die geheimen Versuche beider zu reden. Faust fühlte auch jetzt, daß etwas Zähes und ihm Widerstrebendes gegen ihn herschlich. Das war Paracelsus, der die Treppen hinanstieg, voll Widerwillen gegen den, für ihn zu Unrecht berühmten Alleswisser.
Dennoch: Faust hatte ihm da eine wundervolle Entdeckung gebracht, die auch den Alchymisten in hohe Gunst beim Kirchenfürsten setzen mußte. Es war ein Sprengmittel, vieltausendmal fürchterlicher als Pulver und griechisches Feuer zusammen, von dem ihm der Doktor die Mitteilung gemacht hatte. Es blieb wohl noch das Schwierigste für den immer bekümmerten Laboranten zu suchen übrig, das hatte Faust von sich geschoben und ihm aufgetragen. Jenes Vernichtungsöl hatte schon in Ingolstadt einen forschungsgierigen Studenten zerrissen. Den Faust hätte es auch zweimal Leib und Leben gekostet, wenn er nicht seiner Sicherheit sehr gewärtig gewesen wäre und Christoph Wagner in Rimlich bei Wittenberg, der ebenfalls für den Doktor die gefährlichen Proben weiter besorgte, ging nur langsam und mit äußerstem Mißtrauen an die gefährlichen Versuche. Da sollte Philipp von Hohenheim, der Paracelsus, das Bad ausgießen und das fürchterliche Mittel zähmen! Ein stiller Grimm mochte darum im Innern des großen Forschers kochen, aber Faust hatte ihn gebunden; es konnte dem bettelarmen Arzte und Goldmacher mehr eintragen, als der vergeblich gesuchte Stein der Weisen. Der ewig von den aufwieglerischen Bauern bedrohte Fürstbischof, dem die neue Lehre bereits würgend nach der Kehle griff, bedurfte einer Zuchtrute, so gewaltig wie das Flammenschwert eines Cherubs, um sich das widerborstige Volk zu zwingen.
Wenn die Bischöflichen von ihrer Feste zu Hohensalzburg, bei der ersten, sich bietenden Gelegenheit eines neuen Bauernaufstandes, nur zwei oder drei Bomben mit jenem entsetzlichen Gewaltöl unter die Knollfinken geschleudert hatten, damit war Friede gemacht. — Dort oben dann lachten sie wie Götter, und unten wimmerte das zertretene Gewürm. Wenn die beiden Gelehrten dem Bischof alle Macht gesichert hatten, — „im Himmel und auf Erden“; dann hatte der alternde Theophrastus Nahrung für seine letzten Tage. Mochte es denn sein.
Er trat zu Faust in die Bücherstube ein, mit seinem behutsam zögernden Schritte; forschende, traurige Augen auf den Schwarzroten gerichtet.
„Ich freu mich, zu sehen, daß das Teufelsöl Euch nicht hat zu Leibe gehen können,“ sagte Faust spähend.
„Wenn mans in reinen Gefäßen erzeugt und gänzlich verschlossen bewahrt, dann hälts eine Weil; niemals gar zu lange. Weh dem aber, ders mit Öl oder Terpentin, auch Fett oder Harn zusammentuen wollt! Da zerreißt die kleinste Prob ein Stück Welt ringsumher. Sogar Staub darf nicht drankommen!“
„Das ist böse,“ sagte Faust nachdenklich. „Fette und Urin könnte man fernhalten und alles was Harz heißt. Aber Staub?“
„Ihr sollt gleich zum Bischof kommen,“ sagte Theophrastus. „Er hat aus Kanonengut eine Bomben gießen lassen, größer als der dickste Kürbis und mit einem winzigen Schraubengang in die Mitten hinein, wie Ihr vorgeschlagen habt, so daß man ein einziges Tröpfl des Öles hineingehen lassen und alles dann bis außen mit einer langen Schrauben zuschließen kann.“
„Ist die Bomben wohl gut in die Erden verbettet?“ fragte Faust.
„Glaubt Ihr denn, das winzige Tröpfel werde soviel allerbestes und zähestes Material auseinandertreiben können?“ erwiderte Paracelsus verwundert.
„Wenn das wär’, dann könnt man ja die ganze Erden damit zerreißen!“
Faust blickte jähe nach dem Arzte hin, aber der stand gelassen und vollkommen nachdenklich neben ihm. Da schwieg auch er. Aber er rechnete: Am einundzwanzigsten Juni, da ich mit den Landsknechten nach Italien kam im Siebenundzwanzigerjahr, da hat die Sonn’ in den berühmten Brunnen zu Sizilien dreihundertundzwei Klafter tief hineingeschienen. Am selbigen Tage zwei Jahr nachher in Gotland — ja ja: ich hab’s ganz klar derrechnet: Die Erden hat fünftausend und etlich hundert Meilen rundumher und fünfzig Millionen Klafter querdurch gemessen. Ich nehm an, daß die harte Rinden den zweihundertsten Teil mag betragen, ehedenn das flüssige Feuer anhebt, wie ichs bei Neapel und Catania herausquillen hab’ sehen. Der Bischof hat mir eine Riesenbombe gießen lassen, deren Rinden darf nur ein Zweihundertteil sein, vom Durchmesser. Dann bohr ich ein Löchl, nur ein Tausendstel so tief wie die Rinden und tu ein staubkorngroß des Öles daran. Zerreißt es das ganze Eisen, gut. Dann mag es auch im gleichen Verhältnis Bergstein und Erden auseinandertun auf Nimmerwieder, wann ich das Millionenfache in die allertiefste von allen Höhlen bring, die mir der Bischof angedeut.