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Gleich nach ihm trottete auch Günther Cassube, vornübergebeugt im Eifer der Geschäfte, quer über die Linden die Wilhelmstrasse entlang. Da, wo in ihr jenseits der Leipziger Strasse die grauen Paläste der Zopfzeit in die Fensterfronten des Berliner Alltags nahe dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts übergingen, zog er im ersten Stock eines gutbürgerlichen Hauses neben einer Messingtafel „Casimir Stieber“ die Klingel.

„Herr Kommissionsrat ist verreist!“ sagte das öffnende Mädchen. „Ach so — Sie! . . . Herr Kommissionsrat“, sie rief es schrill rückwärts durch einen Türspalt, „darf der Doktor Nordmann-Humann ’rin? Ja? Bitte!“

Ein bleicher Herr unbestimmten Alters mit gefärbtem Schnurrbart unter den Augensäden und einem künstlich nachgedunkelten Haarfranz um die Glatze erhob sich nicht beim Eintritt des kleinen Gewaltmenschen. Er schob ihm nur die Zigarrenkiste über den papierbesäten Schreibtisch zur Hand und musterte ihn mit einem forschenden, feuchten Blick zwischen tränenden Lidern. Er hatte unheimliche Augen. Er fragte:

„Na — Herr Nordmann-Humann? Was bringen Sie Schönes und Gutes?“

„Ich bin jetzt so weit, dass ich Ihnen alles verraten kann!“ Der kleine Mann nahm strahlend Platz. „Auch das, was ich noch nicht wusste, als ich Ihnen heute morgen Bericht erstattete! Graf Lassbach steht im Begriff, die schamlose Fälschung, die er von einem unbekannten Betrüger erworben hat, so geschickt verschwinden zu lassen, dass ihr sie ohne mich niemals in Berlin findet!“

„So . . . so . . .“

„Ein junger Mann, den ich gut kenne — wen kenn’ ich nicht? — holt das Falsifikat jetzt gleich bei dem Grafen Lassbach ab und bringt es — wohin? Seine hiesige Wohnung verrät mir der Jüngling in spätestens einer Stunde. Ich schicke Ihnen dann sofort durch den flinksten Dienstmann, den ich an der Ecke finde, in einem Brief Strasse und Hausnummer!“

„Hm . . . hm!“

„Ihr braucht dann nur dem jungen Mann auf die Bude zu rücken und das Falsifikat zu beschlagnahmen! Ich liefere ihn euch ganz bestimmt ans Messer!“

„Wir wissen, was wir an Ihnen haben, Herr Doktor Nordmann!“

„Nu Geld!“

„Wie?“ Der Kommissionsrat legte harthörig die Hand an das Ohr.

„Dausend Dahler ist der junge Mann unter Brüdern wert. Dahler — nicht Märker!“ Der kleine Gewaltmensch schrie, da der andere sich taub stellte. „Sie werden staunen, wenn Sie hören, wer’s ist!“

„Erst die volle Adresse!“

„Und dann?“

„Dann in Gottes Namen!“

„Ehrenwort?“

„Ehrenwort beiderseitig!“

„Heissen Dank, Herr Kommissionsrat!“

„Meinerseits, mein Teuerster! Gehen Sie mit Gott!“

Der Kommissionsrat Stieber wartete fünf Minuten. Dann wanderte er die Wilhelmstrasse entlang, in ihre feudale Stille jenseits der Leipziger Strasse. In Nummer 76 kannte man den bleichen Herrn mit den Augenfäden und dem schwarzgefärbten Schnurrbart. Der Pförtner liess ihn, vertraulich zwei Finger an dem roten Mützenrand, passieren.

In seiner Aktenhöhle hob der Geheimrat von Möllinghoff das glattrasierte, geistvolle, nervöse Gesicht — einen leicht angegrauten, launig würdevollen Kopf aus dem achtzehnten Jahrhundert — und betrachtete mit mässigem Wohlgefallen und doch voll dienstlicher Spannung seinen Besucher. Der betupfte sich die feuchten Lider.

„Eben war mein Vertrauensmann bei mir, Herr Geheimrat!“ Der Kommissionsrat Stieber sah wieder aus, als müsse er über die Mangelhaftigkeit der Menschen weinen. „Der Esel ahnt immer noch nicht, dass wir genau wissen, wer er ist und wie er nach allen Seiten verrät!“

„Und was meldet dieser Cassube?“

„Er ist, nach seiner Angabe, dabei, das Dokument aus der Vossstrasse wegzueskamotieren und bei einem jungen Subjekt aus der Provinz zu verstecken! Eile tut not! Sonst verschwindet das Ding irgendwo auf Nimmerwiedersehen in Berlin!“

„Den Gefallen tun wir dem Grafen nicht!“ Die dünnen, feingeformten Lippen Klemens von Möllinghoffs zogen sich grausam zusammen. „Wir werden uns dieser Fälschung bemächtigen, solange sie noch im Hause Lassbach liegt!“

„Ganz meine gehorsamste Meinung, Herr Geheimrat!“

„Es ist Gefahr im Verzug! Wir wollen die Haussuchung dort also jetzt gleich, noch am hellen Tag, beginnen lassen, statt schamhaft am Abend! Und zur selben Zeit natürlich auch die Befessung der ,Grossen Trommel‘. Was diesen Cassube betrifft — wie nennt er sich bei uns? Nordmann-Humann . . .?“

„Und drüben Doktor Wurmhuber-Fillitsch! Er heisst auch Knöppke! Er wechselt seinen Namen häufiger als das Hemd! Das würde allerdings nicht viel besagen!“

„Damit dieses Chamäleon uns nicht dazwischenstänkert, lassen wir es sofort auf Grund des kleinen Belagerungszustandes vorläufig verhaften!“ Der Geheimrat stand auf. „In einer halben Stunde erfolgt überall gleichzeitig der grosse Schlag! Wir kommen dem unbekannten jungen Mann zuvor! Graf Lassbach soll sich hüten!“

Die um Bismarck

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