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Sein wahres Gesicht

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Als die Schwangerschaft deutlich sichtbar wurde, zeigte Vito seine negativen Seiten. Anstatt liebevolle Anerkennung und Behandlung untersagte Vito ihr plötzlich den Zutritt zu ihrem Geschäft. Obwohl sie beide Inhaber waren, hatte sie somit keinerlei Einblick mehr in das Geschehen. Sie musste hinnehmen, was er ihr über Gewinn oder Verlust erzählte. Noch dazu hielt er sie finanziell sehr knapp, sie hatte gerade das Nötigste zum Leben.

Wenn sie rebellierte ohrfeigte und beschimpfte er sie vor allen Leuten. Er behandelte sie wie seine Sklavin. Und sie war völlig hilflos. Zum ersten Mal im Leben hatte sie nicht den Mut sich zur Wehr zu setzen, denn seine Brutalität kannte sie schon. Sie war einmal zugegen gewesen, als er einen Randalierer zusammen geschlagen hatte, und als der schon kampfunfähig am Boden lag, noch zusammen getreten hatte. Zwar hatte dieser Mann es verdient, aber diese rücksichtslose Härte, einen Gegner, der schon außer Gefecht war, brutal zusammen zu treten, fand sie sehr erschreckend.

Nun traf sie die gleiche Härte, und versetzte sie in Angst.

In dieser Zeit entstand so ein abgrundtiefer Hass in ihr, dass sie ihm heimlich den Tod wünschte. Zudem wuchs in ihr die Angst, dass sie das Kind ebenfalls hassen könne, weil es dem Erzeuger ähnelte und sie dann auch in Hass- Gefühle versetzen werde.

Zwischenzeitlich versank sie in Depressionen, weil Vito ihr klipp und klar erklärte, dass es ein ungeschriebenes sizilianisches Gesetz sei, dass der Mann allein bestimme, was seine Frau dürfe und was nicht. Das werde er ihr jetzt beibringen. Das bedeutete für sie, dass sie ihn nicht wieder los werden könne, was eine düstere Zukunfts-Aussicht war.

In dieser depressiven Zeit reifte in ihr jedenfalls der Entschluss, das Kind zur Adoption freizugeben, denn sie wollte das Kind nicht alleine groß ziehen, weil sie hoffte, wenn sie keine Kind von ihm hätte, dann nicht mehr diesen brutalen Mann im Nacken zu haben. Nur die Adoption erschien ihr als Garantie geeignet, endlich wieder ein freies, selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Das resultierte auch aus den Meinungen einiger bekannter Leute, die sagten, Vito habe sich mit der Schwangerschaft die Aussicht geschaffen, sie durch ein Kind unter totaler Kontrolle zu halten, sodass er sie geschäftlich nützen könne, um endlich finanziell weiter zu kommen.

Sie gab sich die größte Mühe, diese Probleme von ihren Kindern fern zu halten. Da Ramona nicht bei ihr wohnte, bekam sie von den Dramen sowieso nichts mit. Aber ihren Sohn betrafen die Ereignisse dann doch.

Zu ihrer finanziellen Knappheit kam auch noch eine hohe Nachzahlung meiner Heizkosten- Abrechnung, die brachte sie in echte Schwierigkeiten, sodass sie überlegte, wie sie die Kosten reduzieren könne. Als dann ihr Sohn auch noch neue Kleidung und Geld für die anstehende Klassenfahrt brauchte war sie überfordert.

Vito um mehr Geld zu bitten, sparte sie sich, denn er hatte schon vorher gemeckert, dass die Internatskosten unnötig seien, schließlich gäbe es hier auch Schulen. Wenn sie ihn fragte, würde er sie auslachen, das war ihr klar. Aber sie benötigte Hilfe.

Denn es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Ausgaben zu kürzen wo immer es möglich war. Der Leittragende würde leider ihr Sohn sein, weil das der größte Posten in ihren monatlichen Ausgaben war. Also war sie gezwungen, Rene kurzentschlossen von dem Internat nehmen, weil sie die Fünfzehnhundert Mark monatlich dafür nicht mehr aufbringen konnte. In letzter Not rief sie Renes Vater an, erklärte ihm die Misere, und bat ihn um seine finanzielle Beteiligung.

Knallhart erwiderte dieser, das ginge ihn alles nichts an, er richte gerade seine Wohnung ein, und das sei wichtiger. Denn schließlich hätte sie die alleinige Sorgepflicht, außerdem sei das ja in dem Scheidungs-Urteil so geregelt, dass sie gegenseitig auf Unterhalt verzichtet hatten.

Die Bedürfnisse seines Sohnes waren also unwichtig? Nach diesem Telefonat war sie endgültig mit ihrer Geduld am Ende. Sie holte sich Rat bei dem zuständigen Jugendamt.

Nachdem der Beamte sich ihr Anliegen angehört und das Scheidungsurteil gelesen hatte, sagte er: „Nein, so geht es ja wohl nicht. Der gegenseitige Unterhaltsverzicht, der nach dem damaligen Scheidungsrecht von Ihnen vereinbart wurde, gilt nur für Sie und Ihren Ehemann. Für Kinder können Eltern nicht auf Unterhalt oder zum Beispiel auf ein Erbe verzichten. Das geht nach unserem deutschen Gesetz nicht. Natürlich muss Ihr geschiedener Mann Unterhalt für seinen Sohn zahlen. Nicht für Ihre gemeinsame Tochter, weil die in der Ausbildung ist und auch nicht bei Ihnen wohnt. Wenn Sie wollen nehmen wir die Sache mal in die Hände. Denn mir scheint, das geht nur mit einer Klage beim Familiengericht, und das ist für Sie kostenlos. Das Jugendamt vertritt in dem Falle Ihren Sohn.“

Erleichtert stimmte sie zu. Also nahmen die Dinge ihren Lauf.

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