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Zornige Vorwürfe und Undank

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Eines Tages stürzte ihr Sohn wie ein Wilder zur Tür hinein und beschimpfte sie wütend: „Was fällt dir ein, in meinem Namen meinen Vater zu verklagen? Dazu hast du kein Recht! Mach das sofort rückgängig! Sie will das nicht!“

Wie ein Racheengel stand er vor ihr, mit vor Wut verzerrtem Gesicht, sodass sie den Eindruck hatte, er könne jeden Moment auf sie losgehen.

„Also erst einmal ein anderer Ton bitte, mein Junge. Du sprichst mit deiner Mutter, nicht mit deinesgleichen. Und danach können wir uns in Ruhe unterhalten.“ Versuchte sie Ruhe zu bewahren.

„Nein“, schrie er sie aufgebracht an: „Ich verlange, dass du die Klage sofort zurückziehst. Mein Vater hat kein Geld, der richtet gerade seine Wohnung ein, der kann dir kein Geld geben. Und außerdem braucht der auch keinen Unterhalt für mich zu bezahlen. Das hat er schriftlich. Also lass das sein!“

Immer noch in ruhigem Ton erwiderte sie: „Ich glaube davon verstehst du nichts, Rene. Aber ich will es dir trotzdem erklären. Nicht ich habe diese Klage verfasst, sondern das Jugendamt. Und da das Jugendamt die Kinder bei Unterhaltsklagen nur vertritt, wird die Klageschrift im Namen des Kindes verfasst. Das ist normales deutsches Recht. Ich könnte das also gar nicht zurückziehen. Und jetzt reg dich mal ab!“

„Ich glaube dir kein Wort. Du willst nur einen Keil zwischen uns treiben, weil es dir nicht passt, dass ich zum Papa ziehe, sobald er seine Wohnung fertig hat. Aber das schaffst du nicht!“ sagte er zornig, er war nicht zu beruhigen.

Utes Geduldsfaden riss, energisch erklärte sie ihrem Kind: „Wohin du ziehst oder nicht, das bestimme allein ich, mein Sohn! Jetzt ist aber Schluss mit lustig. Was fällt dir denn ein, dich in Sachen einzumischen, die du noch nicht verstehst? Dein Vater ist für dich Unterhaltspflichtig. Punkt. Dass er keine Wohnung hat, und jetzt alles neu kaufen muss, ist allein seine eigene Schuld, deshalb müssen doch nicht alle anderen Leute für den Scheiß bezahlen, den er selbst verschuldet hat! So, und jetzt ist Schluss, ich hab die Nase voll von sinnlosen Diskussionen. Geh in dein Zimmer.“

Widerspenstig blieb er stehen und sagte nachdrücklich: „Ich werde dem Richter sagen, dass ich zu meinem Vater ziehen will, und dann musst du nämlich Unterhalt bezahlen. Darauf kannst du dich verlassen!“

Sie schüttelte den Kopf, wollte dem Jungen den Wind aus den Segeln nehmen, und versuchen doch noch eine Basis zu finden: „Rene, das geht doch gar nicht. Vergiss es. Ich kann doch gar keinen Unterhalt bezahlen, dazu müsste ich doch ein geregeltes Einkommen haben. Und das hab sie ja nicht.“

Voller Hass zischte der Kleine: „Ha ha, dann werde sie verraten, dass du an dem Casino beteiligt bist. Du wirst sehen, dann musst du zahlen.“

Fassungslos über die abgrundtiefe Gehässigkeit die ihr der eigene Sohn entgegen schleuderte, starrte sie ihn an, holte tief Luft und entschied: „Pack deine Sachen, und ruf deinen Vater an, er soll dich jetzt sofort abholen. Sie werde dich nicht aufhalten! Aber geh noch heute!“

Ute setzte sich vor den Fernseher, und obwohl sie vor lauter Tränen nichts sah, und auch gar nicht verstand was dort lief, hörte sie nur nach kurzer Zeit, die Etagentür ins Schloss fallen.

Als sie sich endlich aufraffen konnte, ins Kinderzimmer kam, konnte sie in den offenen leeren Schrank ihres Sohnes sehen.

Auch Ramona konnte ihren Bruder nicht verstehen, aber sie war sich sicher, dass Rene den Wechsel bald bereuen werde.

„Beim Papa hat er es bestimmt nicht so gut wie bei dir. Der erste Krach wird nicht lange auf sich warten lassen.“ Meinte sie.

„Das ist seine Sache, zu mir kann er nicht wieder zurück kommen. Mit fast vierzehn Jahren ist man alt genug um mit mehr Verstand zu handeln und seiner Mutter Respekt entgegen zu bringen. Wie er mit mir gesprochen hat, das habe sie nicht verdient. Damit hat er sich alles verscherzt.“ Sagte sie hart, und sie versuchte zu verstecken, wie weh ihr die Sache tat.

Mit ihrem Exmann einigte sie sich letztendlich, dass er anstatt seiner Unterhalts- Zahlung für die vergangen vier Jahre, nun den alleinigen Unterhalt für den Sohn für die nächsten vier Jahre übernehmen würde.

Aber Utes Tochter hatte eigene Interessen, deshalb ließ sie das Thema auch schnell fallen. Sie kam umgehend auf ihre eigenen Probleme zu sprechen, denn nun war das Zimmer ihres Bruders frei geworden, was ihr gerade recht kam.

Sie berichtete, dass sie, gleich nach Beendigung der Ausbildung gekündigt wurde. Offenbar hatte ihr Arbeitgeber keine Verwendung mehr für sie. Nun sei das Geld noch knapper, da ihr Arbeitslosen-Geld nach dem Lehrgeld berechnet würde. Weil es nur noch Krach mit den Großeltern gab, wolle sie gerne zu ihrer Mutter kommen. Renes Zimmer sei ja nun frei.

Natürlich stimmte sie sofort zu, denn da Vito mal wieder bei seiner Ehefrau war, kam ihr der Wunsch gelegen. In den letzten Monaten der Schwangerschaft würde sie froh sein, nicht alleine zu sein. Eine erwachsene Tochter kam ihr als Unterstützung ganz recht. Sicher hatte Ramona ihre frühere Gemütlichkeit durch das Berufsleben längst abgelegt. So sah Ute einem Zusammenleben erfreut entgegen.

Wie man sich im eigenen Kind irren kann, durfte sie dann erleben. Ramonas Gemütlichkeit war reine Faulheit, was wohl charakterlich bedingt war. Sie hatte sich nicht nur kein bisschen verändert, sondern war auch noch anspruchsvoll und total egoistisch geworden. Die Großeltern hatten die Erziehung ihrer minderjährigen Enkelin völlig vernachlässigt. Man hatte diese zwangsläufig übernommene Pflicht in den Keller abgeschoben, im wahrsten Sinne des Wortes.

Leider musste sie Ute nun unter der mangelnden Erziehung leiden. Die schlimme Schlampigkeit ihrer Zwanzigjährigen Tochter ging ihr total gegen die Natur. Obwohl Ramona nicht arbeitete, hielt sie aufräumen und saubermachen für überflüssig. In ihrem Zimmer sah es aus wie Kraut und Rüben. Das Bett nicht gemacht, ihre benutzen schmutzigen Kleider flogen alle auf Sessel und Erde rum, sogar ihre schmutzigen Slips lagen mitten im Zimmer. Aber was Ute als besonders abartig empfand war, dass ein großer offener Aschenbecher mit Kippen tagelang stehen blieb.

Wenn „Madam“ denn mal zu Hause war, protestierte sie. Denn sie war ständig „auf der Rolle“. Die Nächte schlug sie sich immer um die Ohren, und wenn sie nach Hause kam, schlief sie. Sie schloss sich in ihrem Zimmer ein, damit Ute sie nicht weckte. Alles Reden half nicht. Das sah Ute sich nur ein paar Wochen an, dann war ihre Geduld zu Ende.

Eines Tages kassierte Ute den Zimmerschlüssel ein, sodass Ramona sich nicht mehr einschließen konnte, und marschierte am Vormittag in das Zimmer.

„Was soll das, Mutti? Geh raus, lass mich schlafen!“ verlangte Ramona unwirsch.

Gelassen zog Ute die Rollos hoch, sodass Tageslicht in das Zimmer fiel, und befahl energisch: „Nein, du stehst jetzt auf und machst deinen Saustall hier sauber. Deine Schlamperei mach ich nicht länger mit. Und danach machst du dich auf den Weg zum Tageblatt, und suchst dir eine eigene Wohnung. Hier ist Schluss! Los, beweg dich!“

Anfangs maulte Ramona, sie habe nicht genug Geld, worauf Ute ihr empfahl sich Arbeit zu suchen. Dass sie dazu keine Lust hatte, war schon deshalb nicht zu übersehen, weil sie ein Angebot von Vitos Freund ablehnte, in dessen Eiscafe zu kellnern. Aber der Nebenverdienst interessierte sie nicht. Zu so einer Arbeit habe sie keine Lust, war ihre klare Antwort, sie sei keine Kellnerin, sie habe einen Beruf erlernt. Irgendwie erinnerte Ute die Einstellung ihrer Tochter an deren Vater. Impertinent ohne eine Mark in der Tasche.

„Hochmut kommt vor dem Fall!“ erwiderte Ute nur. „Dann sieh zu wie du mit der wenigen Kohle auskommst.“

Dennoch half Ute ihr bei der Wohnungs-Suche, sowie anschließend bei der Einrichtung des Apartments und ebenso bei den Anträgen für eine höhere Arbeitslosen-Unterstützung.

Letztlich war Ramona dann doch glücklich eine eigene kleine Wohnung zu haben, und diesen Vorteil genoss sie auf jegliche Art und Weise.

Auch Ute konnte feststellen, dass es besser für sie war, alleine zu leben, denn so belastete sie niemand mehr. Der Nachteil, dass sie Vito ständig um Geld anbetteln musste, obwohl das Casino, das er alleine betrieb, ihr zur Hälfte gehörte, blieb ihr allerdings erhalten. Es gab nur eine Person, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stand, ihre Freundin Annette. Ihre Familie hatte sie abgeschrieben.

Ihre eigene Mutter hatte Ute schon ihre Tür verschlossen, als sie erfuhr, dass sie das Kind, „von diesem Verbrecher“ bekommen würde. Utes Schwester und ihr Mann hatten sich, gleich zu Anfang, wegen Vito zurückgezogen, Utes Sohn und Tochter gingen ihre Wege ohne sie, beziehungsweise gegen sie. Die ehemals beste Freundin war mit ihrem neuen Partner nach Spanien gegangen, und mit Jugendfreundin Beate war der Kontakt schon lange eingefroren.

Blieb nur Annette. Sie hielt treu zu Ute, lieh ihr immer das Ohr, und gab ihr das Gefühl, nicht ganz verlassen zu sein. Aber vor allen Dingen hatte Annette vollstes Verständnis für Ute, nämlich dafür, dass sie das Kind nicht behalten, sondern gleich nach der Geburt zur Adoption freigeben wollte. Ihre verständnisvolle Zustimmung erleichterte Utes Gewissen.

Sizilianische Gesetze

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