Читать книгу Systemische Beratung der Gesellschaft - Ruth Seliger - Страница 18
These 1: Gesellschaft ist ein Kommunikationssystem
ОглавлениеNormalerweise fällt uns zur Gesellschaft ein, dass sie aus Menschen besteht. Wir sind Teil der Gesellschaft und erleben diese von dem Punkt aus, an dem wir selbst stehen. Unser Verständnis, unsere Einschätzung von Gesellschaft wird zudem durch die Perspektive jener Gruppen von Menschen geprägt, denen wir uns jeweils zugehörig fühlen: unserer Generation, unserem Geschlecht, unserem geografischen Lebensraum, unserer sozialen Schicht, den Menschen aus unserem Arbeitsumfeld. Jede dieser Zugehörigkeiten erzeugt für jeden und jede von uns ein eigenes, besonderes Bild von Gesellschaft. Die Gesellschaft gibt es also nicht.
Aus systemtheoretischer Sicht ist Kommunikation der zentrale Begriff zur Definition sozialer Systeme. Gesellschaften sind soziale Systeme, die wie alle sozialen Systeme durch Kommunikation entstehen, aufrechterhalten werden und sich durch sie verändern. Lateinisch communis bedeutet »eins werden«. Gesellschaften erzeugen sich gleichsam in dieser »kommunikativen Einheit« immer wieder neu, indem Kommunikation an Kommunikation anschließt und damit ermöglicht, dass der Rohstoff des Systems, Kommunikation, immer vorhanden ist und das System daher immer lebendig bleibt. In der systemischen Begrifflichkeit wird dieser Prozess der kontinuierlichen Selbsterschaffung »Autopoiese«19 genannt.
Durch Kommunikation erschaffen wir aber nicht nur jene sozialen Systeme, in denen wir leben, sondern wir definieren zugleich eine Systemgrenze, innerhalb derer ein »Wir« entsteht. Durch diese Grenzziehung schaffen wir auch eine Umwelt und damit die »anderen«, die nicht zu uns gehören, die außerhalb unserer Systemgrenzen sind. Kommunikation unterscheidet und verbindet zugleich. Die Frage, wer zu diesem »Wir« dazugehört, wer sich diesem »Wir« zugehörig fühlt, wird durch Kommunikation bearbeitet und entschieden.20