Читать книгу Mit Feuer vom Himmel - Ruth Zenkert - Страница 23

Die Schätze in dir Du trägst mit dir eine Wegzehrung, das Viaticum. Welche Warnung, welche Ermutigung geben dir deine Erinnerungen?

Оглавление

Ruth Zenkert

Feinbitterer, ranzig scharfer Geruch: Motorenöl für Traktoren. Wenn ich es heute irgendwo rieche, steigt ein Bild in mir auf: ein offener Sarg, so hoch oben, dass ich nicht hineinschauen kann; viele schwarz gekleidete Menschen, verlorene Stimmung. Ich war vier Jahre alt, mein Großvater lag aufgebahrt in der Werkstatt des Hofs, auf dem meine Mutter aufgewachsen war.

Die Nacht vor dem Muttertag. Meine Freundin und ich durchstreiften die Gärten unserer Nachbarn und pflückten die schönsten Blumen. Über Nacht stellten wir sie in Eimer und versteckten sie hinter den Fahrrädern. Am Morgen überreichte ich meiner Mutter mit guten Wünschen einen bunten Strauß. Wie immer durchschaute sie das Spiel: »Woher sind die Blumen?« Ich beschrieb, wie wir über die Zäune geklettert waren; da nahm sie den Strauß und warf ihn in den Mistkübel: Stehlen ist eine Schande! Der Tag wurde kein Fest mehr.

Buchstaben im Schnee. Jeden Winter gab es ein Fest der Pfadfinder im Gemeindesaal. Ein hübscher Bursche forderte mich auf, wir tanzten den ganzen Abend miteinander. Auf dem Heimweg spürte ich ein großes Glück, ich war zum ersten Mal verliebt. Und schrieb mit dem Finger seinen Namen in den Schnee: Robert. Ich habe ihn nie wiedergesehen.

Eine Zugfahrt. Die Arbeit in der Bank war nicht das, was ich mir für mein Leben vorgestellt hatte. Bei der Suche nach Neuem stieß ich auf eine Bibelschule und fuhr zum Vorstellungsgespräch nach München. Der Pater nahm mich auf, ich unterschrieb und fuhr wieder nach Hause. Im Zug wurde mir erst klar, welch ernste Folgen diese Entscheidung hatte. Ich musste kündigen – und dann? Hatte ich nicht leichtsinnig gehandelt? Ganz allein im Abteil, sah ich die Landschaft vorbeiziehen und wusste: Ich sitze im richtigen Zug.

Eingesperrt. Vor dem Weihnachtstag veranstalteten wir im berüchtigten Bukarester Gefängnis Jilava eine Feier mit unseren Freunden, die wir von der Straße kannten. Später gab es ein bescheidenes Essen, das wir mit Wurst und Gurken angereichert hatten. Die Festgemeinde musste in ihre Zellen zurück, wir durften durch die Luken hineinschauen: zwanzig Männer auf engstem Raum, mit kleiner Nasszelle, alles von außen unter Kontrolle. Der Wärter sah unsere geschockten Gesichter und fragte: Wollt ihr die Abteilung aus »den Zeiten« sehen? So nennen sie die Ceauşescu-Jahre. Wir folgten ihm in die Bunker, die nicht mehr benutzt werden, aber noch im Originalzustand sind. Lange finstere Gänge. Die Dunkelzellen: ohne Licht und Luft, ein Brett zum Liegen, tagsüber hinaufgeklappt. Der Raum für die Neuankömmlinge: ein großer Keller, es tropfte von der Decke, Hunderte waren dort inhaftiert. Die dicken Eisenriegel lagen verrostet in der Ecke. Ich hielt es nicht aus, trotz offener Türen. Ein Weihnachtsfest, an dem ich nur noch dankbar war für die Freiheit, in der ich leben darf.

Du trägst mit dir eine Wegzehrung, das Viaticum. Welche Warnung, welche Ermutigung geben dir deine Erinnerungen?

Der Beistand aber, der Heilige Geist, … der wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

JOHANNES 14,26

Mit Feuer vom Himmel

Подняться наверх