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Prolog Berlin, November 1938

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Der Kel­ler­raum war von Dun­kel­heit und Eis­es­käl­te er­füllt. Ein mo­dri­ger Ge­ruch lag in der Luft. Boden und Wän­de waren ru­ßig und feucht, an den Sei­ten die Um­ris­se ei­ni­ger stäh­ler­ner Rega­le mit Kis­ten und Blech­do­sen. Der Jun­ge öff­ne­te die Augen. Die Sprung­fe­dern der schä­bi­gen Ma­trat­ze sta­chen ihm in die Rip­pen. Vor­sich­tig rich­te­te er sich auf. Er fror, Schwin­del er­fass­te ihn und Hun­ger brei­te­te sich als Schmerz in sei­nem Ma­gen aus. Mit der Zun­ge fuhr er sich über die auf­ge­sprun­ge­nen Lip­pen. Vor ihm lag ei­ne zer­bro­che­ne Scha­le mit ei­nem letz­ten har­ten Brot­kan­ten. Die Kan­ne war um­ge­kippt. Nur noch ein feuch­ter Fleck auf dem stau­bi­gen Stein­boden. Sein schmäch­ti­ger Körper tat weh, Ar­me und Bei­ne fühl­ten sich taub an. Angst. Mit aller Ge­walt kehr­te sie zurück. In der Ecke zeich­ne­te sich ein dunk­ler Hau­fen ab. Ei­ne Kin­der­uni­form. Ihn er­griff ein Schau­dern. Was hat­te er ge­tan? Er muss­te fort. So schnell wie mög­lich. Has­tig lang­te er in die Brust­ta­sche sei­ner Ja­cke und zog zwei zerk­nick­te Fotos her­vor. Ei­ne Frau, ein Mann, zwei Kin­der. Ein Jun­ge und ein Mäd­chen. Alle in dunk­ler Klei­dung. Die Hän­de ar­tig vor­ne ge­fal­tet. Mit gro­ßen Augen starr­ten die bei­den Kin­der in die Ka­me­ra. Der Mann blick­te ernst. Nur die Frau trug ein leich­tes Lä­cheln. Das Blond ih­rer Lo­cken stach ge­nau­so her­vor wie das kur­ze hel­le Haar des klei­nen Jun­gen. Der Mann und das Mäd­chen waren dun­kel­haa­rig. Im Hin­ter­grund ein Laden­ein­gang – und ein Schild. Ab­ra­ham To­ra­ni Bü­cher. Auf dem an­de­ren Foto ein Jun­ge mit fröh­li­chem Blick, in der Uni­form der Pimp­fe. Das Mäd­chen spöt­tisch la­chend mit Dirndl und Zöp­fen. Gren­zen­lo­se Trau­er und Schmerz er­fass­ten ihn. Er strei­chel­te die bei­den Bil­der und schob sie in die Ta­sche zurück. Sein Blick fiel auf das win­zi­ge, zer­split­ter­te Fens­ter un­ter­halb der Kel­ler­de­cke. Das of­fen­ste­hen­de Git­ter klapp­er­te lei­se vor sich hin. Er stand auf, schritt mit wa­ckli­gen Bei­nen auf die Rega­le zu, fass­te nach den stäh­ler­nen Stüt­zen, such­te auf den Ein­le­ge­bö­gen Halt und klet­ter­te empor, bis er in­mit­ten von Glas­split­tern vor der klei­nen Kel­ler­lu­ke hock­te. Das Me­tall­regal quietsch­te und schep­pernd fiel ei­ne Do­se zu Boden. Er drück­te den ro­sti­gen Me­tall­rie­gel zur Sei­te und riss das Fens­ter auf. Licht und kal­te Luft ström­ten ihm ent­ge­gen, dann zwäng­te er sich müh­sam und mit letz­ter Kraft durch die schma­le Öff­nung. Er blin­zel­te. Sei­ne Augen trän­ten. Der Jun­ge ver­such­te, sich auf­zu­rich­ten. Sei­ne Bei­ne zit­ter­ten. Ein ei­si­ger Wind streif­te ihn, be­vor er zu­sam­men­brach. Er merk­te nicht mehr, wie je­mand ihn hoch­nahm und da­von­trug.


Da stand er auf der Wie­se, die Son­ne schien.

Er klemm­te sich ein Stück Baum­rin­de zwi­schen Mund und Na­se,

nahm die­se leicht ver­kram­pfte, stock­stei­fe Hal­tung ein.

Mein Voollkk! Tssei­ten! Kom­men! Und! Ver­gää­hen!

Und wir bogen uns vor La­chen, kugel­ten durch das Gras

und skan­dier­ten immer wie­der:

Ver­gää­hen! Ver­gää­hen! Ver­gää­hen!

A. S. To­ry

A. S. Tory und die verlorene Geschichte

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