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2. Rückkehr

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Nach ei­nem kur­zen Zwi­schen­stopp in Stutt­gart lan­de­te ich zur Mit­tags­zeit in Pi­sa. Am Himmel tum­mel­ten sich ein paar Schäf­chen­wol­ken. Mil­de Luft emp­fing mich.

Ich muss­te nicht lan­ge su­chen. Chia­ras Rot­schopf war in der Men­ge der War­ten­den leicht zu er­ken­nen. Ihr Look war un­ver­än­dert. Schwar­ze Car­go­ho­se, ein T-Shirt mit fre­chem Spruch, I fre­ak my­self out, da­rüber ei­ne Leder­ja­cke, das fun­keln­de Na­sen­pier­cing, die grü­nen, leuch­ten­den Augen, die lus­ti­gen Som­mer­spros­sen und beim er­sten Grin­sen ih­re un­ver­kenn­ba­re Zahn­lü­cke.

Wir skyp­ten re­gel­mä­ßig. Un­ser letz­tes Tref­fen lag aber ein Drei­vier­tel­jahr zurück. Ich ver­ges­se nicht die neu­gie­ri­gen Bli­cke und Kom­men­ta­re mei­ner Klas­sen­ka­me­ra­den, als sie am Schul­tor stand und mich ab­hol­te. Mar­lon pfiff kurz durch die Zäh­ne, Fe­lix und Tom zo­gen Gri­mas­sen und feix­ten: »Aha, Sid hat ’ne heim­li­che Freun­din!« und der dümm­ste Spruch kam von Gre­gor. »Der klei­ne Sieg­mund wird von sei­ner Ma­mi aus dem Kin­der­gar­ten ab­ge­holt.« Wor­te, für die ich nor­mal­er­wei­se ei­ne Prü­ge­lei ris­kiert hät­te. Ich schaff­te es nur knapp, mich zu­sam­men­zu­rei­ßen.

Es war ei­ne Mi­schung aus »Oh Gott, ist das pein­lich!« und »Sie ist echt cool, oder?«, die mir durch den Kopf ging.

Die meis­te Zeit ver­such­te ich, es zu ver­drän­gen. Aber … von An­fang an ge­fiel mir Chia­ra. Das Sel­fie von uns bei­den aus Ita­li­en hat­te sie mir ge­schickt und ich schau­te es mir oft an.

Im Ja­nu­ar zeig­te ich Chia­ra Han­no­ver, wir waren im Ki­no, zock­ten am PC, hör­ten fast mei­ne ge­sam­te Plat­ten­samm­lung, waren zu­sam­men mit mei­ner Mutter und Fer­di beim be­sten Ita­lie­ner der Stadt, ge­ra­de gut ge­nug, um je­man­dem, der von der tos­ka­ni­schen Kü­che ver­wöhnt war, ge­recht zu wer­den, und un­ter­hiel­ten uns un­ge­heu­er viel. Das konn­te man mit ihr her­vor­ra­gend. Wir spra­chen über un­se­re Pat­chwork­fa­mi­lien. Ich über Pa­pa und sein neu­es Le­ben in Ka­na­da. Chia­ra von ih­rer Mutter in Ham­burg und ih­rem Vater in Cam­pe­to. Ich frag­te sie, ob er ei­ne neue Freun­din hät­te. Chia­ra zuck­te mit den Schul­tern. »Ab und zu nimmt er sich ei­ne Aus­zeit und fährt auch mal weg. Er spricht nicht groß­ar­tig da­rüber. Im Som­mer war Ma­ma bei uns. Fast hat­te ich das Ge­fühl, sie wä­ren sich wie­der nä­her­ge­kom­men.«

Mein Bru­der Fer­di be­nahm sich wie so oft ziem­lich al­bern, schoss, wäh­rend wir auf dem Zim­mer waren, Flie­ger rein, platz­te mit sei­ner Clo­ne Troo­per-Mas­ke her­ein und führ­te Schein­ge­fech­te durch, was mich tie­risch nerv­te, Chia­ra aber stets zum La­chen brach­te.

Am letz­ten Tag frag­te ich sie vor­sich­tig, ob sie ei­nen Freund ha­be.

Sie zö­ger­te mit ih­rer Ant­wort.

»Es gab da ein paar … aber ich glau­be, ich bin ein­fach kein Mensch für was Dau­er­haf­tes. Ty­pi­sches Kind ge­trenn­ter Eltern halt.« Mehr er­zähl­te sie nicht, und ich wag­te nicht, weiter nach­zu­fra­gen. Wie es ak­tu­ell aus­sah, wuss­te ich nicht. Bei mir war kur­ze Zeit was mit Ali­na aus der Pa­ral­lel­klas­se ge­lau­fen. Aber ir­gend­wie hat­te das mit uns nicht funk­tio­niert. Oh­ne es zu wol­len, ver­glich ich alle mit Chia­ra und da­bei schnit­ten un­wei­ger­lich die meis­ten in mei­nem Al­ter schlecht ab. Ent­we­der waren sie mir zu al­bern oder ge­fie­len mir ein­fach nicht so. Ob­wohl sie nicht dem Durch­schnitt ent­sprach – nicht die­se lan­gen glat­ten Haa­re wie fast alle an­de­ren Mäd­chen hat­te und auch nicht de­ren Ein­heits­look trug – hat­te sie was, kei­ne Fra­ge. Ich fand sie auf je­den Fall klas­se.

Als sie mich am Flug­hafen be­grüß­te, ver­such­te ich die­se Ge­dan­ken zu ver­scheu­chen.

»Hey, schön dich wie­der­zu­se­hen. Wie war dein Flug?« Chia­ra um­arm­te mich kurz.

»Dan­ke. Der Flug war okay, die Zeit ging schnell rum.«

Chia­ra mus­ter­te mich auf­merk­sam. »Sag mal, du bist noch grö­ßer und kräf­ti­ger ge­wor­den, kann das sein?«

Ver­le­gen mur­mel­te ich vor mich hin. Tat­säch­lich über­rag­te ich sie mitt­ler­wei­le ein gu­tes Stück. Wie die meis­ten Ita­li­en­er­in­nen war Chia­ra eher klein und zier­lich.

»Sieht gut aus.« Sie grins­te mich an.

Viel­leicht merk­te sie, dass mich das ver­wirr­te. Je­den­falls ging sie za­ckig wie immer zu an­de­rem über. »All­ora, lass uns kei­ne Zeit ver­lie­ren und nach Cam­pe­to fah­ren.«

Ih­ren al­ten Pick-up hat­te sie al­so immer noch. Die Kar­re hat­te uns letz­tes Jahr bis nach Süd­frank­reich ge­bracht. Mir kam es vor, als wä­re sie noch ro­sti­ger ge­wor­den. Zü­gig nahm Chia­ra mei­nen Rei­se­kof­fer und den Ruck­sack ent­ge­gen und ver­stau­te bei­des hin­ter den klapp­ri­gen Sit­zen. Nicht oh­ne ei­ne flap­si­ge Be­mer­kung zu ma­chen. »Aha, der Herr reist jetzt mit Kof­fer.«


An die Stre­cke er­in­ner­te ich mich gut. Die­ses Mal konn­te ich die Fahrt mehr ge­nie­ßen. Da­mals hat­te mich Chia­ra ein we­nig ein­ge­schüch­tert und ich wuss­te nicht, was mich er­war­tet.

Nun freu­te ich mich auf Cam­pe­to, auf Chia­ras Groß­mutter Lu­do­vi­ca, ih­ren Vater Fe­de­ri­co, die Ta­ver­ne.

»Wann sol­len wir nach Ve­ne­dig auf­bre­chen? Bei mir hat sich To­ry noch nicht ge­mel­det? Bei dir?«

Chia­ra warf mir ei­nen be­deu­tungs­vol­len Blick zu. »Ja, hat er. Spä­tes­tens am Mon­tag­mor­gen müs­sen wir los. Ich ver­mu­te, dass es ihm zu hei­kel war, dich zu kon­tak­tie­ren. Immer­hin könn­te es sein, dass dei­ne Mutter dei­ne E-Mails kon­trol­liert. Könn­te ich bei ei­nem Aus­rei­ßer wie dir durch­aus ver­ste­hen.«

Ich gab ein kur­zes Grum­meln von mir. Mei­ne Mutter hat­te das tat­säch­lich ein paar Mal ver­sucht, so­gar da­rauf be­stan­den, dass ich ihr das Pass­wort für den Lap­top und mein Mail­post­fach ge­be. Aber das war nur in den er­sten Mo­na­ten, da­nach war es ihr zu an­stren­gend ge­wor­den. Und es waren auch kei­ne Nach­rich­ten mehr von To­ry ge­kom­men.

»Er hat mir ei­ne weite­re kryp­ti­sche E-Mail ge­schickt. Mit ei­nem al­ten Plan von Ve­ne­dig und zwei Fotos.«

»Du machst mich neu­gie­rig.«

»All­ora, ich wer­de dir alles zei­gen, so­bald wir zu­hau­se sind.« Chia­ra grins­te mich an. »Ich bin ge­nau­so ge­spannt wie du. Aber bit­te kein Wort zu mei­nem Vater. Er weiß ge­nau­so we­nig wie dei­ne Mutter. Und ver­mut­lich ist das bes­ser so.«

Was hat­te es mit der Ve­ne­dig­rei­se auf sich? Die Fra­ge ließ mich nicht los. Ei­ne Wei­le schwie­gen wir. Wie im Vor­jahr hat­te Chia­ra ihr Tran­sis­tor­ra­dio da­bei und es lief Creep von Ra­dio­he­ad. Ein Song, der de­fi­ni­tiv kein Rum­ge­quat­sche ver­trug. Zu­dem sang sie ent­setz­lich falsch, da­für lauts­tark, mit.

Nach den zahl­rei­chen Kur­ven, die sich von der Küs­te aus in das tos­ka­ni­sche Hin­ter­land schlän­gel­ten, war mir wie­der et­was übel. Doch als ich in der Ferne die dicht an­ein­an­der ge­schmieg­ten, hell­brau­nen Häu­ser, die ho­hen Pi­nien und Zy­pres­sen und wei­trei­chen­den Hügel mit Wein­stö­cken er­ken­nen konn­te, war es fast wie nach Hau­se zu kom­men. Wir tu­cker­ten durch die schma­len Gas­sen, bis wir die To­rein­fahrt der Ta­ver­na Da Ro­sa er­reich­ten. Der klei­ne In­nen­hof lag an die­sem Spät­nach­mit­tag im Schat­ten, aus den Fens­tern des un­te­ren Ge­bäu­des leuch­te­te warm das Licht aus der Ta­ver­ne. Die Kat­zen­fa­mi­lie schien Zu­wachs be­kom­men zu ha­ben. Ei­ne klei­ne Schwarz-Wei­ße, die ich letz­tes Jahr noch nicht ge­se­hen hat­te, saß zwi­schen den Ton­töp­fen im Hof und lug­te neu­gie­rig her­vor. Die bei­den Grau­en lagen in den Fens­ter­sim­sen und spran­gen uns ent­ge­gen, als wir knat­ternd an­hiel­ten. Chia­ras Vater er­schien in der Tür.

»Ben­ve­nu­to Sid!«

Graue Schlä­fen, ge­bräun­te Haut, ein gro­ßer, schlan­ker, stol­zer Ita­lie­ner mitt­le­ren Alters. Fe­de­ri­co hat­te mir schon letz­tes Jahr im­po­niert.

»Deer wil­de Schwei­ne­hel­de!« Ein Grin­sen zog über sein Ge­sicht. Chia­ras Grin­sen. Die An­spie­lung auf mei­ne Flucht vor dem gro­ßen Cing­hia­le ließ mich er­rö­ten. Fe­de­ri­co war da­mals nicht so be­geis­tert da­von ge­we­sen, dass ich um ein Haar ei­ne un­schö­ne Be­geg­nung mit ei­nem aus­ge­wachs­enen Wild­schwein ge­habt hät­te und sie da­her die Jagd vor­zei­tig ab­bre­chen muss­ten. Aber er hat­te mir zum Ab­schied ei­nen Stoß­zahn des Kei­lers ge­schenkt, der seit­dem mein Ta­lis­man war und den ich auch jetzt an mei­nem Ruck­sack be­fes­tigt hat­te.

Wir be­tra­ten den Gast­raum. Die Ti­sche waren für den Abend ge­deckt. Rot-ka­rier­te Tisch­de­cken. Wei­ße, zu Müt­zen ge­fal­te­te Ser­viet­ten. Glän­zen­de Wein­glä­ser in ver­schie­de­nen Grö­ßen. Die in den Wand­ver­tie­fun­gen des al­ten Ge­mäu­ers ein­ge­las­se­nen Leuch­ter spen­de­ten ein war­mes Licht. Ich er­in­ner­te mich an mei­nen er­sten Abend hier, das er­ste Glas Wein, Chia­ras Ver­wand­te und Freun­de, ei­nen völ­lig an­de­ren All­tag als bei uns zu­hau­se. Es waren an­ge­neh­me Er­in­ne­run­gen. Lu­do­vi­ca kam mir freu­de­strah­lend ent­ge­gen und hol­te mich aus mei­nen Be­trach­tun­gen. Die klei­ne Frau um­arm­te mich und be­dach­te mich dann mit ei­nem Schwall ita­lie­ni­scher Sät­ze, de­nen ich kaum fol­gen konn­te. Ich hat­te mir in den letz­ten Mo­na­ten Mü­he ge­ge­ben, et­was mehr Ita­lie­nisch zu ler­nen, den­noch war mir das ein­fach zu schnell, ich ver­stand aber so viel, dass sie ih­re Freu­de zum Aus­druck brin­gen woll­te, mich nach so lan­ger Zeit wie­der­zu­se­hen. Nach­dem ich mit Ge­sten und ver­schie­dens­ten Sprach­bro­cken Lu­do­vi­ca und Fe­de­ri­co be­grüßt hat­te, deu­te­te Chia­ra an, dass es Zeit wä­re, mein Zim­mer zu be­zie­hen. So folg­te ich ihr die schma­le Trep­pe zu den klei­nen Gäs­te­zim­mern hoch. Meins lag wie im vo­ri­gen Jahr ih­rem Zim­mer ge­gen­über. Ich stell­te mein Ge­päck ab und schon zog sie mich in ih­ren Raum. Auf ih­rem Schreib­tisch lagen drei Bil­der und ei­ne aus­ge­druck­te Mail. Neu­gie­rig nä­her­te ich mich. Chia­ra nahm den Papier­bogen mit der E-Mail und gab ihn mir. Ich setz­te mich auf ih­ren Schreib­tisch­stuhl und las.


Ver­ehr­tes Fräu­lein Chia­ra, lie­ber Sid,

es freut mich, dass Sie mei­ner Ein­la­dung ge­folgt sind. Viel­leicht kön­nen Sie mir mit Ih­rer Su­che Fra­gen, die ich mein Le­ben lang hat­te, be­ant­wor­ten und die Mau­er, die ich um mei­ne Ver­gan­gen­heit er­rich­tet ha­be, ein­rei­ßen. Es gab Zeiten, da hät­te ich das nicht ge­wollt. Jetzt füh­le ich mich be­reit und se­he ge­ra­de Sie bei­de als ge­eig­net an.

Bin ich die Sum­me mei­ner Vor­fah­ren und mei­ner Ver­gan­gen­heit? Oder be­stim­me ich selbst, wer ich sein will? Kann ich mich immer wie­der neu er­fin­den? Was ma­chen Freund­schaft, Lie­be, Hass und Schuld mit mir? Be­kommt am Schluss alles ei­nen Sinn, soll man ver­zei­hen?

Ich weiß es nicht, aber viel­leicht fin­den Sie bei­de ei­ne Ant­wort.

An­bei ei­ne Adres­se, ein al­ter Stadt­plan und zwei al­te Foto­gra­fien. Ich wün­sche Ih­nen bei­den ei­ne gu­te Rei­se und bin ge­spannt, was Sie in Er­fah­rung brin­gen wer­den.

Mit freund­li­chen Grü­ßen

A.S. To­ry

Chia­ra schau­te mich fra­gend an. »Und?«

»In der Tat sehr kryp­tisch. Aber … macht echt neu­gie­rig. Er spricht von ei­ner Mau­er, die er um sei­ne Ver­gan­gen­heit er­rich­tet hat. Hm … Hass und Schuld? Ob der al­te Mr. To­ry et­was ver­bro­chen hat? Und was hat es mit die­ser An­zei­ge in sei­ner er­sten E-Mail auf sich?«

Sie zuck­te statt ei­ner Ant­wort mit den Ach­seln. Man sah ihr an, dass sie eben­falls da­rüber nach­ge­dacht hat­te.

Ich nahm die Bild­aus­drucke in die Hand. Auf ei­nem war ein Aus­schnitt aus ei­nem al­ten Stadt­plan ab­ge­bil­det. Auf ei­nem an­de­ren ei­ne al­te schwarz-wei­ße Foto­gra­fie mit ei­nem Mäd­chen und ei­nem Jun­gen, schwie­rig zu schät­zen, viel­leicht drei­zehn Jah­re alt, da­run­ter zwei Na­men: Gre­ta und Fritz.

»Wer sind Gre­ta und Fritz?«

»Ich kann es dir nicht sa­gen. Ist es To­ry? Ge­schwis­ter von To­ry? Freun­de? Der Jun­ge sieht dir üb­ri­gens et­was ähn­lich.«

»Hm. Er sieht mir ähn­lich, na­ja, fin­dest du? Aber das hier ist in­te­res­sant.«

Ich nahm die Ab­bil­dung ei­nes al­ten Ge­bäu­des her­vor. Da­ne­ben stand hand­schrift­lich ei­ne Adres­se.


R. Sa­mu­el Bass­ani

Cam­piel­lo de le Scuo­le 1256

30121 Ve­ne­zia VE


»Da­mit kön­nen wir et­was an­fan­gen. Ein Na­me und ei­ne Adres­se. Der al­te Ve­ne­dig-Plan zeigt ei­nen Aus­schnitt von Can­na­re­gio. Ob Cam­piel­lo de le Scuo­le 1256 die Adres­se des ab­ge­bil­de­ten Hau­ses ist? Das Foto ist un­scharf. Man kann kei­ne Haus­num­mer er­ken­nen.«

Chia­ra nick­te. »Es steht auch kei­ne Tele­fon­num­mer da­bei. Wir wer­den be­sag­tem Herrn Bass­ani wohl ei­nen Be­such ab­stat­ten müs­sen und hof­fent­lich mehr er­fah­ren.«

»So sieht’s wohl aus … Ei­ne an­de­re Fra­ge: Stimmt es, dass wir bei dei­ner Tan­te woh­nen?«

Chia­ra lä­chel­te. »Es stimmt fast. Emi­lia ist kei­ne Tan­te, son­dern ei­ne Be­kann­te von Pa­pa. Ich war zwar schon ein­mal in Ve­ne­dig, vor un­ge­fähr zwei Jah­ren, war je­doch nicht bei ihr, ken­ne sie al­so auch nicht. Aber Pa­pa hat das schon ge­klärt. Wir kön­nen bei Emi­lia woh­nen. Es ist nicht in Can­na­re­gio. Aber das dürf­te kein Pro­blem sein.«

»Okay, das ist pri­ma. Woll­test du mit dei­nem al­ten Pick-up fah­ren?«

»Nein, der nützt uns in Ve­ne­dig eh we­nig. Und wir ken­nen noch nicht un­se­re an­de­ren Zie­le. Am Mon­tag­mor­gen kann uns Pa­pa nach Pi­sa mit­neh­men. Von dort kom­men wir gut mit dem Zug nach Ve­ne­dig.«


Nach­dem ich mei­ne Mutter an­ge­ru­fen hat­te, pack­te ich ein paar Sa­chen aus dem Kof­fer, un­ter an­de­rem Ge­schen­ke für die Fa­mi­lie Da Ro­sa. Ma­ma hat­te da­rauf be­stan­den. Ei­ne al­te LP von Mi­ke Batt für Chia­ra, die sich tat­säch­lich im Lau­fe des Jah­res ei­nen al­ten Plat­ten­spie­ler zu­ge­legt hat­te, ei­ne Schach­tel Pra­li­nen für Lu­do­vi­ca und ei­nen Han­no­ver­aner Kräu­ter­schnaps für Fe­de­ri­co. Als ich die Sa­chen über­reich­te, freu­ten sich alle. Chia­ra muss­te bei Mi­ke Batt schal­lend la­chen, hat­te sie mir doch Ri­de to Aga­dir auf dem Flug nach Mar­ra­kesch vor­ge­spielt. Lu­do­vi­ca zeig­te ihr rei­zend­stes, zahn­lo­ses Lä­cheln und um­arm­te mich ganz fest. Fe­de­ri­co be­äug­te den Schnaps erst kri­tisch, nahm aber direkt ei­ne Kost­pro­be und lob­te ihn. Chia­ra über­setz­te mir mit ei­nem schel­mi­schen Lä­cheln, dass er ge­sagt hät­te, es wä­re zwar kein Grap­pa, aber da­für ab­so­lut okay.

Für den Abend hat­te Lu­do­vi­ca ein Fes­tes­sen zu­be­rei­tet. Es gab Wild­schweins­chin­ken und Oliven als Vor­spei­se und als Haupt­ge­richt Pe­po­so, ei­nen wür­zi­gen Ein­topf aus ver­schie­de­nen Fleisch­sor­ten und To­ma­ten. Da­zu fri­sches Weiß­brot und den Haus­wein. Es ka­men auch Ver­wand­te und Freun­de, und es wur­de da­mit ei­ne mehr als tur­bu­len­te Run­de. Mü­de, aber zu­frie­den sank ich nach ein Uhr in mein Bett.

A. S. Tory und die verlorene Geschichte

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