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ОглавлениеAlles unter Wasser
Nach tagelangem Dauerregen zurück an der Küste
Alles unter Wasser
Wir verlassen Sydney. Wieder bietet sich die Alternative, entweder die touristische Route entlang des Ozeans oder die abenteuerliche Route über die Great Dividing Range mit ihren riesigen Waldgebieten zu wählen. Strand und Ozean reizt uns nicht so sehr, also fällt die Entscheidung für den Dschungel. Das heißt, bevor die Kompassnadel das große S zeigt, fahren wir erst einmal knapp 200 Kilometer nach Westen. Graue Wolken hängen tief am Horizont und bald ziehen wir eine Gischtfahne hinter uns her. Der Scheibenwischer läuft auf Stufe zwei. Es ist der Beginn von tagelangem Dauerregen. Von wegen trockenster Kontinent. Wenn es mal eine halbe Stunde nur nieselt, statt zu schütten, hebt das gleich die Stimmung. In unserem kleinen Wohnmobil läuft das Kondenswasser innen an den Scheiben runter, die Handtücher trocknen nicht mehr, alles wird klamm und feucht. Vier Tage warten wir auf einer Lichtung im Wald auf besseres Wetter. Dann noch einmal drei Tage auf einem Caravan Park, aber nichts ändert sich. Dummerweise habe ich den Regenschirm, den unser Vorbesitzer im Land Cruiser gelassen hatte, gleich am ersten Tag weggeschmissen. „Den brauchen wir nie“. Jetzt habe ich bei BIG W einen neuen gekauft.
Schade, wir haben in einem Bildband so tolle Bilder von den „Three Sisters“, einer Felsformation ganz in der Nähe, gesehen, jetzt ist alles grau und in Nebel gehüllt. Nach sieben Tagen endet der Regen, der Nebel steigt auf, die Sonne scheint. Was tut das gut. Lüften, Bettzeug trocknen und ein paar Bilder von den „Three Sisters“ gelingen auch. Abends schüttet es schon wieder. Egal, jetzt reicht’s, wir setzten die Reise fort. Es geht über schlammige Waldwege, dem Land Cruiser macht’s Spaß und was dem Cruiser Spaß macht, gefällt auch uns. An den Stellen, wo wir unbedingt fotografieren wollen, warten wir mehrere Tage für ein paar Sonnenstrahlen, so zum Beispiel an den Kanangra Walls.
Die Three Sisters in den Blue Mountains
Blick in die Tiefe an den Kanangra Walls
Kanangra Walls
An der senkrechten Abbruchkante des Boyd Plateaus bietet sich ein spektakulärer Blick in die Schluchten und Canyons des Sandsteingebirges der Blue Mountains. Die Berge erscheinen tatsächlich blau, was auf die ätherischen Öle zurückzuführen ist, die die an den Hängen wachsenden Eukalyptuswälder an die Luft abgeben; diese Öle reflektieren das Blau des Himmels.
Die Nachrichten im Radio werden von Stunde zu Stunde dramatischer. Niederschlagsmengen werden bekanntgegeben und Ortschaften genannt, deren Bewohner sich zur Evakuierung vorbereiten müssen. Die Flüsse im Tal treten über die Ufer und die flachen Ebenen laufen voll Wasser. So gesehen, geht es uns hier oben auf dem Gebirgskamm ganz gut. Kein Australier hat zu dieser Jahreszeit solche Regenmassen erlebt. Normalerweise ist jetzt die Zeit der höchsten Waldbrandgefahr. Viele Waldgebiete werden dann gesperrt und einzelne Gehöfte vorsorglich wegen der Feuergefahr evakuiert. Jetzt stehen alle Indikatoren auf grün, das heißt, man darf im Wald sogar Lagerfeuer entzünden.
Infotafeln über das aktuelle Waldbrandrisiko
In Australien zeigen Tafeln die Waldbrandgefahr in sieben Stufen an. Jede Farbe bedeutet bestimmte Verhaltensregeln. Zum Beispiel grün: Waldbrandgefahr sehr gering, man darf fast überall Feuer machen, bis hin zu rot: katastrophal hoch, niemand darf in den Wald, und diejenigen, die ihre Häuser oder Wochenendhäuser im Wald haben, müssen diese verlassen. In den Ortschaften sind Schweißarbeiten und grillen auf Gas oder Kohle verboten.
Es ist so nass, dass wir kaum trockenes Holz finden, um abends ein Feuer zu entfachen, und wenn es endlich brennt, sitzen wir im Qualm. Hier oben können wir recht entspannt die Nachrichten aus unserem Autoradio verfolgen. Nach und nach werden die Landstraßen und Zufahrten in den Tälern unter uns geschlossen und immer mehr Orte evakuiert. Wir haben Lebensmittel für ein paar Wochen an Bord und unser Biosystem hat es wohl schon geahnt und in den letzten Monaten vorsorglich Chips und Cola in ein paar Speckpolster verwandelt.
Wir sind beeindruckt, wie professionell die Australier die Katastrophe managen. Die lokalen Radiosender senden unentwegt Statusberichte, welche Ortsteile sich zur Evakuierung vorbereiten müssen, welche Ortsteile evakuiert werden, welche Straßen noch passierbar sind. Dazwischen immer wieder Wetterberichte mit erwarteten Niederschlagsmengen und Wasserstandspegel für die nächsten Stunden. Die Evakuierten werden in Turnhallen und Schulen untergebracht. Unterricht findet verständlicherweise in diesen Tagen nicht statt. Der Highway wird gesperrt. Wir bleiben im Wald auf der Berghöhe, zum Glück spielt Zeit bei uns keine Rolle.
Aber nicht nur die Behörden, wie Polizei und Feuerwehr, sind professionell, auch die Bürger verhalten sich vorbildlich. Keine Blockaden, keine Plünderungen, keine Panik. Viele sind schon vorzeitig zu Freunden gereist oder haben einfach den Wohnwagen angekuppelt und sind auf einen vor Überflutungen geschützten Caravan Park gefahren.
Sofort werden Spendenkonten eingerichtet und spenden kann man ganz einfach im Supermarkt. Beim Bezahlen an der Kasse nennt man der Kassiererin einen Spendenbetrag, den sie in die Kasse tippt. Bei Beträgen über zwei Dollar druckt das Kassensystem zusätzlich zum Kassenzettel auch gleich eine Spendenquittung aus. Viele runden ihre Supermarktrechnung auf und verzichten auf das Wechselkleingeld. Alles nur kleine Beträge, aber vermutlich kommt so mehr rein als bei jedem anderen Spendenaufruf.
Ein schönes Beispiel wie professionell die Katastrophe gemanagt wurde, zeigt sich in der Kritik, die von Bürgern in einem Radiointerview geäußert wurde. Man glaubt es nicht, aber der Hauptkritikpunkt war die zu einseitige Ernährung in der Turnhalle, es gab zu wenig frisches Obst und Gemüse, des Weiteren zu wenig Toiletten und Duschen und zu wenig Spielsachen für die Kleinen.
Anstatt angesichts der Kritik in schallendes Gelächter auszubrechen, entschuldigt sich der Bürgermeister ernsthaft für fehlendes Kinderspielzeug und die überwiegende Versorgung aus Konservendosen.
Der Regen lässt nach, hört aber nicht auf. Kalt ist es geworden. Das Leben im Mini-Wohnmobil wird von Tag zu Tag qualvoller. Die Enge nervt, man kann nicht mal die Beine ausstrecken. Einfach mal einen Tee zu kochen bedeutet Räumerei. Computer, Landkarten und Bücher wegräumen, Kocher auspacken und aufbauen. Anschließend Kocher wegpacken, Computer und Bücher aus der einen in die andere Ecke räumen. Es scheint, als würde unser Hausrat und alles, was wir haben, ständig auf zwei Quadratmetern rotieren, und wir mittendrin. Am schlimmsten ist die Feuchtigkeit. Nicht nur, dass Handtücher, Hose und Jacke nicht mehr trocknen, das ist normal. Auch das Bettzeug, Polster, Mehl, Zucker, einfach alles wird klamm. Wir müssten unbedingt heizen und lüften, am besten, das Auto in die Sonne stellen. Aber wir wollen nicht klagen, anderen läuft im Tal die Wohnung voll Wasser, bei uns wird es nur klamm.
Nach vier Tagen ist die Straße im Tal wieder für Geländewagen passierbar. Vielleicht ist es an der Küste besser. Der Wetterbericht im Internet zeigt an der Küste Regen und Sonne und vor allem wärmere Temperaturen. Also zurück zur Küste, dann doch die Touristenroute. Wie schön, der Scheibenwischer läuft nur noch im Intervallbetrieb. Das Wetter an der Küste entspricht genau den Symbolen der Wetterkarte: Regen, Sonne und dunkle Wolken. Schon besser als Dauerregen, vor allem weil endlich unser Bettzeug und Handtücher wieder richtig trocken sind. Ach, was ist es für ein schönes Gefühl, in ein trockenes Bett zu kriechen.
Känguru im Futtermodus …
Obwohl wir im Touristengebiet unterwegs sind, finden wir jeden Abend grandiose Plätze mit Blick auf den Ozean für uns ganz allein. Man darf halt keine Angst vor Kratzern im Lack haben und muss den Toyo auch mal durch fast zugewachsene Wege schicken. Die Kängurus und Wallabies werden in dem Gebiet offensichtlich schon lange nicht mehr gejagt, sie lassen mich mit der Kamera auf 20 Meter herankommen und grasen ganz ungestört weiter. Endlich ein paar richtig gute Bilder von Australiens Nationaltier, wohl das einzige Nationaltier auf der Welt, auf das man schießen darf.