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5. Kapitel: Klaus

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Als der Ober kam und fragte, ob sie schon bestellen wolle, orderte Susan von dem Felde eine Cola light und erklärte, sie warte noch auf jemanden. Sie war eine viertel Stunde zu früh angekommen und sofort in das Restaurant gegangen, dem vereinbarten Treffpunkt. „Wer von uns zuerst da ist, geht am besten schon zum reservierten Tisch“, hatte Klaus vorgeschlagen. Er würde sicher gleich erscheinen.

Es war ihr zweites Date. Seit drei Wochen war sie bei einer angesehenen Online-Partnervermittlung für sechs Monate angemeldet. Das war nicht gerade billig, aber auf den kostenlosen Singlebörsen tummelten sich zu viele, die nur ihr Vergnügen suchten, nicht aber eine feste Beziehung. Eine Freundin hatte in dieser Hinsicht sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Bei diesem als Nr. 1 bewerteten Datingportal würde das sicher nicht passieren.

Susan wünschte sich einen finanziell unabhängigen Partner in ihrem Alter. Er sollte ihren Beruf und ihre Eigenständigkeit akzeptieren und sie als gleichberechtigt betrachten. Er selbst sollte auch berufstätig sein und keinen betreuungsbedürftigen Nachwuchs in seinem Haushalt haben. Susans Kinder, Emily und Leon, reichten ihr als Belastung aus. Sie erhoffte sich durch eine neue Beziehung mehr Freiräume und keine zusätzlichen Aufgaben. Eine Patchwork-Familie wollte sie auf keinen Fall gründen. Glücklicherweise konnte man auf der Seite nicht nur klipp und klar angeben, welches Alter, Aussehen und Charakter der Wunschpartner haben solle, sondern auch seinen bevorzugten familiären Hintergrund benennen. Die wichtigsten Punkte für eine funktionierende Beziehung waren für Susan Ehrlichkeit und Vertrauen von Beginn an. Die erfundenen Geschichten und Lügen ihres Ex-Ehemannes waren schließlich der Grund für ihre Trennung gewesen. Den Fehler, solche Untugenden nicht zu beachten oder immer wieder zu verzeihen, wollte sie nicht noch einmal machen.

Der Anbieter rechnete dann nach diesen Wunschvorstellungen aus, welche Mitglieder am besten zusammenpassten. Auf dieser Grundlage wurde ihr Klaus gleich am ersten Tag mit einer Übereinstimmung von mehr als 80 % vorgeschlagen.

Auf dem Foto sah er attraktiv aus und er entsprach mit achtundvierzig Jahren ihrem Wunschalter ‚zwischen vierzig und neunundvierzig‘– Susan selbst hatte gerade ihren dreiundvierzigsten Geburtstag gefeiert. Seine beiden Kinder waren schon aus dem Haus und studierten in einer anderen Stadt. Sein Motto ‚großer Junge, der neugierig durchs Leben tobt, sucht reife Sie über vierzig’ gefiel ihr sehr gut. Seine Antwort bei den Angaben zu seinen persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten auf die Frage „Können Sie kochen“ mit „ein eindeutiges Nein“, hielt Susan zwar zunächst davon ab, ihn anzuschreiben. Die Leute der Partnerbörse gaben ihren Mitgliedern aber den Tipp, nicht gleich wegen jeder Kleinigkeit davon abzusehen, in Kontakt mit einer anderen Person zu treten. Ihr Hinweis „Wenn Sie einen perfekten Menschen suchen, werden Sie auch bei uns nicht fündig werden. Denken Sie immer daran, dass auch Sie kleine Fehler haben, die der neue Partner akzeptieren soll “, gab schließlich den Ausschlag, sich doch bei ihm zu melden.

Seine Antwort kam prompt und sie trafen sich am letzten Wochenende in dem von ihr vorgeschlagenen Restaurant, ‚ihrem Griechen’. Der Abend war sehr nett und so kam es zu der zweiten Verabredung, wobei nun Klaus den Ort vorschlagen durfte.

Wenn dieses Treffen auch gut laufen würde, wollte Susan ihn zu sich nach Hause einladen. Die Kinder sollten natürlich nicht da sein. Vorsichtshalber war sie sogar schon bei ihrer Frauenärztin gewesen, um sich die Pille wieder verschreiben zu lassen, die sie eine Zeit lang nicht genommen hatte. „Spätestens beim dritten Date musst du ran an den Speck“, erklärte ihre Freundin ihr:

„Du willst doch nicht die Katze im Sack kaufen.“

Susan war rechtzeitig losgefahren. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Anders als erwartet, verfügte das Restaurant über einen großzügigen Parkplatz und es waren noch reichlich Plätze frei.

Punkt 20:00 Uhr erschien ihre Verabredung. Ein älterer Herr, der zuvor hinter dem Tresen gestanden hatte, eilte auf ihn zu und begrüßte ihn mit Handschlag. Strahlend trat Klaus an ihren Tisch. Ehe sich Susan versah, griff er ihre rechte Hand und küsste galant den Handrücken oder besser gesagt, er deutete einen Kuss an. Spontan musste Susan an den Ausdruck Luftikus denken. Der junge Mann am Nebentisch blickte aus den Augenwinkeln zu ihnen herüber und sah dann feixend seine Begleiterin an.

Klaus hatte schon grau melierte Schläfen und um die Augen einige markante Lachfalten. Das stand ihm gut. Herren im mittleren Alter sehen oft besser aus als ganz junge Männer, dachte Susan. Sie hatte im letzten Jahr die ersten weißen Haare bei sich bemerkt und sie sofort ausgerissen. Aber sie kamen immer wieder und vermehrten sich sogar. Nach der wenig charmanten Warnung ihres Sohns Leones, sie hätte sicher bald eine Glatze, wenn sie weiter regelmäßig ihre Haare herausrupfen würde, ließ Susan sich auf Ratschlag ihrer Friseurin blonde Strähnchen einfärben.

Klaus setzte sich und sofort erschien der Ober. Noch ehe der nach einer Bestellung fragen konnte, legte ihm sein Gast die Hand auf einen Unterarm: „Zweimal euren Kabeljau mit der großartigen Senfsauce und dazu zwei Gläser Prosecco vorweg. Den Wein suche ich noch aus.“

„Ich wollte eigentlich …“ Susan kam nicht zu Wort, denn ihr Gegenüber winkte ab: „Vertrau mir einfach.“

Susan mochte keinen Fisch. Als Kind musste sie alle zwei Wochen freitags gekochten Dorsch essen. Regelmäßig hatte sie sich dabei an einer Gräte verschluckt. Seit einiger Zeit sagte man zum Dorsch wohl Kabeljau. Der Geschmack dürfte sich jedoch nicht geändert haben. Aber sie wollte den Abend nicht gleich mit einer Debatte über das Essen verderben.

Der Kellner erschien nahezu umgehend mit den Prosecco-Gläsern. Als Klaus eine Flasche Wein bestellen wollte – es war der teuerste auf der Karte – erklärte Susan, dass sie keinen Alkohol wolle. Sie sei mit dem Auto da und trinke grundsätzlich nichts, wenn sie fahren müsse. Das Glas Prosecco – die Füllung hatte die 0,1 ml Marke nicht einmal erreicht – würde sie aber gern zu sich nehmen.

Ihr Begleiter verzog leicht die Mundwinkel. Die Flasche Wein bestellte er trotzdem. War er nicht mit dem Wagen unterwegs?

Das Gespräch wollte zunächst nicht so richtig in die Gänge kommen. Als Susan über Leons Schulschwierigkeiten berichtete, lehnte sich Klaus in seinem Stuhl zurück und wischte sich mit der Serviette über den Mund: „Der braucht eindeutig ein paar klare Ansagen! Es wird Zeit, dass du wieder einen Mann im Haus hast.“

Schließlich bestand er darauf, die Rechnung zu übernehmen. Obwohl die Leute von der Partnerbörse empfahlen, dass bei den ersten Restaurantbesuchen jeder für sich zahlen sollte, machte Susan keine Einwände. Es hätte sicher keinen Sinn gehabt.

Als der Kellner aufs Haus für den Herrn noch einen Grappa und für die Dame eine Tasse Espresso auf den Tisch gestellt und gegangen war, langte Klaus plötzlich in seine Brieftasche, holte eine Karte heraus und legte sie Susan vor die Nase: „Das solltest du vor unserem nächsten Treffen vielleicht wissen – aber das ist sicher kein Problem!“ Sie musste zweimal hinsehen, bis sie erkannte, was er ihr zeigen wollte. Es war sein Personalausweis. Sie blickte etwas irritiert darauf, bis sie die entscheidende Zeile erkannte: „geb. am 7. Januar 1963“, ihr Date war 56 Jahre alt.

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