Читать книгу Wach auf und finde den Arzt in deinem Herzen - Sabine Lesse - Страница 9

Gebe niemals anderen Schuld, dann gibst du deine Macht ab

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Diesen Satz hast du bestimmt schon mal gehört. Doch was soll er bedeuten?

Ich versuche es mal mit einem Beispiel.

Stelle dir vor, du musst einen Text schreiben, ziemlich lang, und es ist absolut wichtig, dass du keinen einzigen Fehler darin hast. Von diesem Text hängt deine Zukunft ab, und du musst ihn schon am nächsten Tag abgeben.

Du setzt dich hin und fängst an zu schreiben. Doch ein anderer Mensch stört dich unentwegt. Du kannst dich nicht richtig konzentrieren und machst immer mehr Fehler. Am Ende hast du die Nase voll und wirfst dem Störenfried wütend den Text auf den Schreibtisch mit den Worten, „du bist Schuld, dass ich nun so viele Fehler gemacht habe, setz dich hin und korrigiere sie, ich brauche den Text schon morgen!“

Das war es dann. Denn ab diesem Moment hast du den Text nicht mehr in den Händen und damit auch nicht die Macht darüber, ob er korrigiert wird und rechtzeitig zum Abgeben da ist.

O.k. das Beispiel hinkt ein wenig. Aber die Idee dahinter wird klar.

Das Schwierigste an der Sache ist herauszufinden, was sich in einem bewegt. Welches Gefühl habe ich? Wo tue ich das gleiche? Warum und seit wann tue ich es?

Es muss sich nicht immer im gleichen Lebensbereich zeigen. Hier ein Beispiel von mir selbst.

Ich habe eine Bekannte, die Profi darin ist, Grenzen zu überschreiten. Hat sie einen Termin um 10 Uhr, kommt sie um 10.15 Uhr, bleibt dann aber dreist bis 11.15 Uhr sitzen, immerhin geht ihr Termin ja eine Stunde, kann der nächste halt warten. Sagt man ihr, du kannst bis 21 Uhr anrufen, geht das Telefon um 21.10 Uhr, usw..

Ich hätte jedes Mal aus dem Hemd platzen können. Mir wurde irgendwann klar, dass sie zwar über Grenzen rast, aber dass es an mir lag, dass ich mich so sehr darüber empörte. Doch ich konnte nicht herausfinden, wo ich es auch tue, denn so respektlos wie sie verhielt ich mich nicht.

Nach einigen Wochen bekam ich dann die Antwort.

Ich bin Dressurreiterin und war gerade dabei, ein relativ junges Pferd auszubilden.

Nun ist es in der Dressur so, besonders mit einem jungen Pferd, man arbeitet gezielt auf eine Lektion hin, und wenn dann alles stimmt, und das Pferd bereit ist, muss man sie auch machen, sonst fängt man von vorne an.

Ich reite also, mein Trainer gibt mir eine Anweisung, und nach einiger Zeit der Mühe sind wir dann so weit und setzen zur Lektion an. Exakt in diesem Moment ist er da, der „unnütze Sauerstoffverbraucher“ und reitet in den Weg.

O.k., einmal schluckt man das noch, doch ab dem dritten Mal hatte ich den Kaffee auf und habe meine Lektion einfach geritten, so quasi über die Kollegin drüber hinweg.

Die Lektion war gelungen, und sie hatte bei der Aktion fast ihr Pferd verlassen. Großmütig bin ich danach zu ihr hin geritten und habe mich entschuldigt, dass es vielleicht ein klein wenig eng wurde. Denn irgendeinem Teil in mir war schon klar, dass es nicht wirklich in Ordnung war.

Sie schaute mich an und sagte etwas, was mich wie ein Blitz traf. Sie sagte, „du kannst doch nicht einfach über meine persönliche Grenze durch meine Aura reiten“. Sie hatte Recht, genau das hatte ich getan!

Ich hatte mich zuvor extrem davon distanziert, auch nur im Ansatz mit der Bekannten verglichen zu werden.

Nun stellte sich die Frage, was schlimmer ist, 15 Minuten später zu kommen und dafür länger zu bleiben, oder mit etwa 600 Kilo Muskelmasse jemanden über den Haufen zu reiten!?

Die Antwort gab ich mir dann selbst.

Hierzu etwas zum Nachdenken. Diesen Text gebe ich meinen Reikischülern mit auf den Weg.

Von wem er im Ursprung ist, weiß ich leider nicht.

Kapitel 1

Ich gehe die Straße entlang.

Im Trottoir ist ein tiefes Loch, aber ich sehe es nicht.

Ich falle hinein.

Ich bin verloren und fühle mich hilflos.

Es ist nicht mein Fehler.

Es dauert eine Ewigkeit, bis ich wieder herauskomme.

Kapitel 2

Ich gehe dieselbe Straße entlang.

Im Trottoir ist ein tiefes Loch.

Ich tue so, als würde ich es nicht sehen.

Ich falle wieder hinein.

Ich kann es nicht fassen, ich bin wieder am selben Ort,

aber es ist nicht mein Fehler.

Es dauert immer noch sehr lange, bis ich wieder herauskomme.

Kapitel 3

Ich gehe dieselbe Straße entlang.

Im Trottoir ist ein tiefes Loch.

Diesmal sehe ich es, aber ich falle dennoch hinein.

Es ist eine Gewohnheit, aber dieses Mal habe ich die Augen offen.

Ich weiß, wo ich bin.

Es ist mein Fehler.

Ich finde sofort wieder heraus.

Kapitel 4

Ich gehe dieselbe Straße entlang.

Im Trottoir ist ein tiefes Loch.

Ich laufe daran vorbei.

Kapitel 5

ICH GEHE EINE ANDERE STRASSE ENTLANG.....

Der Gegenüber muss auch nicht immer etwas offensichtlich nicht Nettes sagen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass jemand wirklich nur etwas Nettes sagen will und der andere es komplett negativ auffasst und auslegt.

Eine Patientin von mir kam eines Tages in die Praxis und war völlig niedergeschlagen. Ich fragte natürlich nach, was passiert ist, und sie erzählte, dass sie auf einem Klassentreffen nach zwanzig Jahren war. Es hatte ihr dort sehr gut gefallen. Die Stimmung war gut, bis zu dem Moment, als ein Klassenkamerad sie ansprach und erstaunt feststellte, dass sie sich gar nicht verändert hat und immer noch so aussieht wie vor zwanzig Jahren.

Ich war etwas verwundert, wo das Problem liegt und sagte, dass das doch wohl ein sehr nettes Kompliment war.

Von wegen Kompliment“, erwiderte sie, „damit hat er doch nur sagen wollen, dass ich vor zwanzig Jahren schon so alt aussah wie jetzt.“

Ich muss zugeben, ich hatte auch nicht nur im Ansatz daran gedacht, dass man es auch so sehen konnte.

Tatsache war aber, dass diese Frau offensichtlich große Probleme mit dem Altwerden hatte und sich wohl generell für eher hässlich hielt.

Nachdem wir der Sache dann auf den Grund gegangen sind, stellte sich heraus, dass sie eine auffallend hübsche Schwester hatte, die übrigens Model wurde.

Ihre Eltern nannten sie selbst hingegen von Kind an immer liebevoll unser kleines hässliches Entlein.

Sie meinten es vermutlich nicht wirklich böse, doch in ihr hatte es etwas ausgelöst, was sie bis heute mit sich schleppte. Ich unterstützte sie dabei, diesen Gedanken loszulassen und sie fing an, ihre eigene Schönheit zu sehen.

Wichtig war, dass sie ihren Eltern und sich selbst vergab. Denn die Wut, die der Klassenkamerad in ihr auslöste, war die Wut gegen sich selbst.

Eine andere Patientin mit ca. 30 Kilo Übergewicht kam zu mir und war zutiefst verletzt über etwas, was ihr Mann zu ihr gesagt hatte.

Sie waren schon etwa 15 Jahre verheiratet, und in dieser Ehe hatte sie dann nochmals 20 Kilo zugenommen.

Das war ihrem Mann sehr recht, denn er versicherte ihr, er mag mollige Frauen lieber.

Somit redete sie sich ihr Gewicht gut und war am Ende selbst überzeugt, dass sie sich so akzeptiert wie sie ist.

Bis zu dem Tag, als eine Bekannte von den beiden 20 Kilo abnahm und ihr Mann zu ihr sagte, dass machst du aber nicht, dann muss ich ja noch mehr auf dich aufpassen.

Das hatte gesessen. Von wegen er steht auf Mollige!

Wenn er der Meinung war, dass er mehr aufpassen muss, wenn sie abnimmt, dann fand er schlank ja wohl attraktiver.

Das erste was sie verstehen musste, war, dass es völlig egal war, was ihr Mann besser oder schlechter fand. Sie musste akzeptieren, dass sie so ist, wie sie ist und konnte dann entscheiden, ob sie so bleiben möchte oder nicht.

Sie sagte, sie sei in Wirklichkeit schon immer unglücklich gewesen über ihr Übergewicht, aber da alle Abnehmversuche gescheitert waren, hatte sie sich eingeredet, dass sie sich so akzeptiert.

Was nun besonders schwer ist, und das kann ich persönlich unterschreiben, da auch ich mehr ein Model bei Rubens gewesen wäre, ist, dass man zunächst sein „Problem“, in diesem Fall das Fett, annehmen und lieben muss, damit es gehen kann.

Nun, soweit die Theorie. Nur wie kann ich etwas von Herzen lieben, es aber gleichzeitig loswerden wollen?

Die Lösung ist die.

Man muss zunächst mal herausfinden, wofür man das Fett braucht.

Im Falle der Patientin war es so, dass sie schon sehr früh in der Kindheit Verantwortung tragen musste.

Besser gesagt, man hat sie ihr auferlegt, und sie hat sich entschieden, sie zu tragen.

Dieses Schema galt noch heute für sie. Jemand schob die Verantwortung ab, und sie nahm sie selbstverständlich auf sich.

Ihr Innerstes schwenkte zwar schon lange die weiße Fahne, aber das ignorierte sie, da sie schon als Kind gelernt hatte, dass das, was sie möchte, nicht so sehr wichtig ist. Sie war ja stark und konnte das tragen, die anderen waren schwach und denen musste sie helfen.

Um diesem Druck standzuhalten, hat sie sich mit der Zeit einen dicken Mantel, in diesem Fall aus Fett zugelegt. Dieser Mantel „schützte“ sie und hielt sie warm. Nun war es aber an der Zeit, diesen Mantel abzulegen. Hierzu musste sie jedoch zunächst einmal lernen, wieder auf ihr Herz und ihre Herzenswünsche zu hören.

Das war nicht so leicht, denn sie hatte von klein auf professionell daran gearbeitet, ihr Herz nicht zu hören.

Mit der Zeit schaffte sie es dann doch, und sie konnte ihrem schützenden Mantel sagen, dass sie sich nun alleine schützt. Denn sie hatte verstanden, dass sie keinen Schutz braucht und quasi unverwundbar ist, wenn sie sich bedingungslos liebt.

Und genau das war der Trick. Sie konnte sich wie von einem alten Kleidungsstück von ihrem schützenden Mantel verabschieden, in Dankbarkeit, dass er ihr so viele Jahre gedient hat.

Also in diesem Fall war der erste Schritt, erst mal zu erkennen, dass nicht diese hinterhältigen kleinen Kalorien ihr nachts die Kleider enger genäht haben, sondern, dass sie es ganz allein, unterbewusst zwar mit gutem Grund, geschafft hatte, diesen Mantel zu erschaffen.

Dann erkennen, wofür ist er überhaupt, wofür brauche ich ihn?

Danach im Inneren aufräumen und sich dankend und in Liebe verabschieden.

An dieser Stelle wäre noch gesagt, dass immer wieder behauptet wird, dass Übergewicht krank macht. Dies konnte bisher noch nicht bewiesen werden, wenn wir nicht gerade von überdimensionalem Übergewicht reden. Also mehr als 20 Kilo zu viel.

Dies behaupte nicht nur ich, sondern auch viele Ärzte, die sich ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt haben.

Was man wohl sagen kann, ist, dass es Krankheiten gibt, bei denen Übergewicht eher ungünstig ist, aber es ist nicht der Auslöser.

Die Ärzte reden den Patienten zwar ein, dass sie sich in Lebensgefahr begeben, wenn sie nicht endlich abnehmen, aber ich behaupte, dass viele der übergewichtigen Menschen vielleicht schon längst tot wären, ohne ihren „schützenden Mantel“!

Wach auf und finde den Arzt in deinem Herzen

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