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ANTWORT AUF NAZI-UNRECHT

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Als ausdrucksstärkste Abkehr vom Terrorregime des „Dritten Reichs“ erfasst die Garantie der Menschenwürde die Ächtung systematischer Vernichtung, Vertreibung, Zwangssterilisation und physischer Misshandlung sowie alle Formen rassisch motivierter Diskriminierung.7 Jede staatliche Gewalt hat die Menschenwürde zu achten. Die rassistische Politik des „Dritten Reichs“ hat sie mit Füßen getreten und Millionen Menschen ins Verderben gestürzt. Vergessen wir nicht, zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind, wenn angebliche Feinde ihnen in verzerrten und falschen Darstellungen präsentiert werden. Erinnern wir Nachkriegsgenerationen und uns auch daran. Denn selbst heute, in unserer aufgeklärten Zeit mit ihren vielen Informationsmöglichkeiten, werden Feinde unserer Demokratie nicht müde, pauschale, falsche, beleidigende Behauptungen über religiöse oder ethnische Minderheiten oder über Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen auf analogen oder digitalen Wegen zu verbreiten. Wappnen wir uns gegen Vorurteile und Desinformationen und setzen wir dieser Verachtung unsere Achtung der Menschenwürde entgegen.

Artikel 1 gilt als Bollwerk gegen jede wie immer geartete Verletzung der Menschenwürde. Die Menschenwürde markiert, wie das Bundesverfassungsgericht zu wiederholen nicht müde wird, als „oberster Wert“ den Mittelpunkt des deutschen Rechts, sie strahlt auf alle Bestimmungen des Grundgesetzes aus.8 Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt des Staats zu machen.9 Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch nur in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.

Natürlich verletzt nicht jede staatliche statistische Erhebung über Persönlichkeits- und Lebensdaten die Menschenwürde.10 Als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger muss jeder die Notwendigkeit statistischer Erhebungen über seine Person in gewissem Umfang, z.B. bei einer Volkszählung, als Vorbedingung für die Planmäßigkeit staatlichen Handelns hinnehmen. Sie wird entwürdigend und zur Bedrohung des Selbstbestimmungsrechts, wenn sie den Bereich menschlichen Eigenlebens erfasst, „der von Natur aus Geheimnischarakter hat“.11 Das ist der private Lebensbereich, der der Außenwelt nicht zugänglich ist. Er darf auch für einen Mikrozensus nicht zu stark berührt werden.

Ist der Schutz der Menschenwürde als selbstverständlicher Obersatz inzwischen zum Allgemeinplatz geworden? Oder anders formuliert: Die Formulierung ist schön und allgemein verständlich, aber auch nicht sehr konkret und deshalb für den Alltag nicht immer aussagekräftig. Welche Rolle spielt dieser Schutz heute tatsächlich?

Abstrakt wird der Schutz der Menschenwürde bestimmt von jedem Bürger, jeder Bürgerin sofort bejaht. Wenn es um konkrete Sachverhalte geht, wird es mit der uneingeschränkten Zustimmung schwieriger. Warum soll zur Aufklärung schwerer Verbrechen nicht versucht werden, mit möglichst allen Mitteln auf einen Verdächtigen einzuwirken? Einsatz von Lügendetektoren? Zwangsernährung? Wenn es um das Gemeinwohl, um die erfolgreiche Verbrechensbekämpfung geht, kann dem Verdächtigen doch einiges zugemutet werden, immerhin hat er sich außerhalb der Rechtsordnung gestellt. So nachvollziehbar diese Überlegung auf den ersten Blick erscheint, so sehr geht sie in die Irre. Sie würde dazu führen, dass Eingriffe in die Menschenwürde je nach ihrer Zielsetzung generell der Abwägung zugänglich wären und bei wichtigen Rechtsgütern wie Leib und Leben anderer Menschen grundsätzlich zulässig sein könnten. Genau das ist mit dem Menschenwürdeschutz nicht gewollt, er darf nicht beliebig zur Disposition gestellt werden. Der Lügendetektor darf deshalb nur mit Einverständnis des Betroffenen eingesetzt werden. Das Verabreichen von Brechmitteln bei Drogenkurieren ist dann eine Würdeverletzung, wenn es andere, weniger eingriffsintensive Mittel gibt.

Bei der Entwicklung der Biomedizin wie der Präimplantationsdiagnostik und bei der unter engen Vorgaben zulässigen Abtreibung zeigt sich die Aktualität der Grundrechte besonders. Einer generellen Verfügbarkeit über menschliches und werdendes Leben steht der Menschenwürdeschutz entgegen. Seit Jahrzehnten wird um die Abtreibung, ihr generelles Verbot oder ihre Erlaubnis, weltweit gestritten. Papst Franziskus hat 2018 mit seiner Äußerung, Abtreibung sei Auftragsmord, viel Empörung und Entsetzen ausgelöst. Zu Recht. Denn diese Bewertung ist auch bei grundsätzlicher Ablehnung der Abtreibung absolut deplatziert und unzutreffend. Es geht nicht um Auftragsmord und nicht um Beihilfe zum Mord. Es sind keine niederen Beweggründe der Frau, die an Abtreibung denkt, sondern essenzielle Notlagen. Es geht darum, die eigene Entscheidung der Schwangeren und den Schutz des werdenden Lebens in Einklang zu bringen. Das ist in Deutschland gelungen. Nach jahrzehntelangen Debatten und Gerichtsverfahren wird die Abtreibung als Tötung ungeborenen Lebens dann nicht als strafbar bewertet, wenn sich die Schwangere hat beraten lassen und die Frist von zwölf Wochen seit der Empfängnis nicht überschritten wird. Es gibt also keine generelle beliebige Verfügbarkeit über werdendes Leben, und es gibt keine generelle Fremdbestimmung der Schwangeren – eine Konfliktlösung, die der Achtung der Menschenwürde der Betroffenen gerecht wird. Sachlich muss über den Schwangerschaftsabbruch informiert werden können, ohne sich deshalb strafbar zu machen.

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