Читать книгу Das Erbe der Burgherrin - Sabine Müller - Страница 12
Kapitel 6
ОглавлениеEngela, die Tochter von Ritter Wilher und seiner Gemahlin Klara, saß auf einem Findling am Rande des Ritterübungsplatzes und sah den Rittern bei ihren Übungen zu. Die Sonne erwärmte ihren Körper. Sie warf ihre blonden Locken kokett nach hinten und zog den Ausschnitt ihres braunroten Kleides zurecht, sodass ihr jugendlicher Busen besser zur Geltung kam. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Graf Konrad. Wie geschickt er das Schwert führte und mit welcher Kraft und Leichtigkeit er die jungen Knappen in ihre Schranken wies!
Wenn er doch nur zu ihr rüber sehen würde, wenn er sie doch endlich beachten und nicht mehr als Kind ansehen würde! Sie konnte nur noch an ihn denken. Jede Nacht träumte sie davon, dass er sie in seine starken Arme nehmen und ganz fest an sich drücken würde.
Konrad war mit seinen Übungen fertig und zog den Helm aus. Ein Knappe reichte ihm ein Tuch, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Engela überlegte, wie sie seine Aufmerksamkeit auf sich richten könnte, doch Konrad wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und hob die Hand zum Gruße. Engelas Blick fiel auf die Gräfin, die zusammen mit ihrem Sohn auf der anderen Seite des Übungsplatzes gestanden hatte. Voll Bedauern sah sie zu, wie der Graf seine Gattin herzlich küsste und kurz an sich drückte und dann den Sohn begrüßte. Nachdem Konrad seine Rüstung abgelegt hatte, ging er mit seiner Familie von dannen. Engela blickte ihnen bedauernd nach. Warum musste er nur verheiratet sein? Was hatte diese Mechthild, dass ihr Mann sie so liebte? Wie konnte sie nur zwischen den beiden Zwietracht sähen? Sie musste Konrad haben!
Indes sich Engela grämte, begaben sich Mechthild, Konrad und Arnold vergnügt hinunter zum Flecken, um Arnolds Hund abzuholen.
„Ich freue mich so! Ich habe auch schon einen Namen für ihn. Ratet mal, wie er heißen soll!“
„Lenis erster Hund hieß Jaschko und ihr zweiter Bodo. Soll er vielleicht so heißen?“
„Nein. Ben soll er heißen!“
„Oh, Ben ist ein schöner Name!“
Die drei gelangten an das Haus des Steinmetzes, dessen Hündin vor über einem halben Jahr vier Welpen auf die Welt gebracht hatte. Zwei der Jungen waren bei ihrer Mutter geblieben. Diese begrüßten die Neuankömmlinge aufgeregt. Die Frau des Steinmetzes trat auf den Hof. Sie wischte sich die Hände an der braunen Schürze ab, die sie über ihr Überkleid gebunden hatte, und empfing ehrfürchtig das Grafenpaar. Eine graue Strähne spitzte unter ihrer weißen Haube hervor.
„Der Junge kann sich ruhig einen der beiden aussuchen. Sie sind tadellos.“
Arnold kniete sich zu den jungen Hunden, die ihm um die Beine sprangen, und streichelte einen nach dem anderen. Einer war schwarz-weiß-braun gescheckt und der Zweite hatte ein schwarzes Fell. Die samtigen Ohren hingen herab und die Schnauze war schmal und weich. Die Hündin versuchte, ihre Jungen von den Fremden wegzudrängen. Doch der Schwarze ließ sich nicht von Arnold abhalten. Er versuchte, an ihm hochzuspringen und ihm das Gesicht abzulecken.
„Ich möchte den Schwarzen!“, rief Arnold schließlich. „Er sieht so aus, als könnte er mich am besten beschützen.“
„Der Hund ist zwar nicht so groß, dass er einen Angreifer in die Flucht schlagen würde, aber die Witterung wird er auf jeden Fall aufnehmen, wenn sich ein Fremder nähert und Alarm schlagen“, meinte Konrad lächelnd. Auch er beugte sich zu dem Hund hinunter und kraulte ihn.
„Dann wäre das entschieden. Du bist nun der kleine Ben.“ Auch Mechthild tätschelte den Hund.
Konrad überreichte der Frau des Steinmetzes einen kleinen Beutel mit Münzen und legte dem Hund ein Lederhalsband um, an dem er einen Strick befestigte.
Die drei machten sich auf den Rückweg und Arnold sprach ohne Unterlass mit seinem neuen Freund. Er erklärte ihm genau, woran sie vorbeikamen, und kraulte ihn ständig. Mechthild und Konrad gingen Hand in Hand hinter dem Jungen her und lächelten sich an.
„Ich weiß noch genau, wie sehr ich als Kind an Lenis Jaschko hing. Obwohl der in meiner Erinnerung immer riesengroß gewesen war, aber er ließ einfach alles mit sich machen. Abends habe ich oft vorm Herdfeuer neben ihm gelegen und mich an ihm gewärmt.“
„Ich hatte eine kleine Katze, mit der ich immer gespielt habe. Irmgard und ich, wir hatten oft Streit darum, auf wessen Schoß sie liegen sollte.“
Sie passierten den Ritterübungsplatz, wo Arnold den Rittern Stolz seinen Hund präsentierte.
„Der ist wirklich schön, Arnold“, meinte ein Knappe zwinkernd.
„Ich muss Ben unbedingt den Mädchen zeigen! Die werden Augen machen!“ Arnold zerrte den Hund, der erstaunt über so viel Ungestüm winselte, zum Burghof, und rief nach Katharina und Jutta.
„Arnold, mach langsam! Der Hund ist keine Puppe!“, rief Konrad seinem Sohn nach, der sogleich sein Tempo verringerte und den Hund beruhigend kraulte.
„Hoffentlich weiß er, dass Hunde auch beißen können“, bemerkte Ritter Landolf kopfschüttelnd, der das Ganze beobachtet hatte.
Arnold indes wurde von seinen Basen auf dem Burghof empfangen.
„Ist das dein Hund, Arnold? Der ist wunderbar! Darf ich auch mal die Leine nehmen?“, fragte Katharina begeistert und Jutta meinte: „Einen wirklich schönen Hund hast du. Wie heißt er denn?“
„Er heißt Ben“, sagte Arnold voller Stolz und reichte Katharina die Leine. Diese streichelte Ben kurz und wollte ihn über den Hof führen, doch Ben schnupperte lieber alles ab.
Arnold nahm wieder die Leine und versuchte sein Glück, doch Ben hatte seinen eigenen Kopf und blieb überall stehen, um neugierig zu schnuppern.
„Da musst du wohl noch ein wenig üben“, meinte Jutta und lachte, als Arnold verzweifelt versuchte Ben davon abzuhalten, schnurstracks zu den Hühnern am anderen Ende des Hofes zu rennen.
„Aus, Ben! Aus!“, rief er, doch der Hund dachte nicht daran, auf seinen neuen Herrn zu hören.
„Halte mir nur den Hund von meinen Hühnern fern, junger Herr!“, rief Emma, die Köchin, die gerade auf den Hof trat.
„Ich weiß nicht, wie ich ihn halten soll! Aber er macht ihnen bestimmt nichts. Er ist doch nur ein wenig größer als die Hühner!“
„Trotzdem würde ich es nicht darauf ankommen lassen.“
Arnold traute sich nicht die Leine zu stramm zu halten, er wollte Ben nicht wehtun.
„Warte, ich zeige dir, wie du mit deinem Hund umgehen musst!“
Emma nahm Arnold die Leine aus der Hand und führte den Hund energisch von den Hühnern weg.
„Siehst du? So musst du das machen. Du musst ihm zeigen, wer der Herr ist.“
„Aber Emma, seit wann bist du denn ein Herr?“, rief Katharina lachend.
„Ihr wisst genau, was ich meine. Hier, Arnold, nimm du jetzt die Leine.
Nimm sie ganz kurz, damit er direkt neben deinen Füßen gehen muss.“
„So, Emma?“
„Ja, genau so und nun geh mit ihm eine Runde über den Hof.“
Arnold und Ben zogen ihre Runde, und immer, wenn der Hund neugierig stehen bleiben wollte, um an etwas zu schnuppern oder doch eine andere Richtung einschlagen wollte, zog Arnold die Leine stärker an.
„Das machst du sehr gut. Jetzt musst du ihn zur Belohnung kraulen und ihm gut zu reden.“
„Hast du nicht einen Knochen übrig, den ich ihm geben könnte?“
„Ja, du kannst mit mir in die Küche kommen.“
Arnold und Ben folgten der Köchin und auch die beiden Mädchen schlossen sich ihnen an.
„Da riecht´s aber gut, Emma!“
„Heute gibt es Apfelkuchen, den habe ich gerade erst aus dem Ofen herausgeholt.“
„Meinst du, wir könnten ein Stückchen davon haben?“ Katharina schnupperte mit ihrer kleinen Nase und blickte die Köchin aus großen, grünen Augen bittend an.
„Wer könnte bei diesem Blick schon „nein“ sagen?“, lachte Emma und schnitt von dem Kuchen ein Stück ab, welches sie unter den Kindern verteilte. Diese stopften sich begeistert den warmen Kuchen in den Mund.
„Warm schmeckt er immer am besten“, meinte Arnold mit vollem Mund und wischte sich mit dem Ärmel die Krümel aus dem Gesicht.
„Aber Arnold, das macht man doch nicht mit dem Ärmel!“, schalt ihn Jutta, die sich immer herausnahm, Arnold und Katharina Benehmen beizubringen.
Nachdem Ben versucht hatte, möglichst viele Kuchenkrümel zu ergattern, hatte er sich in der Küche neugierig umgesehen und beschlossen, dass auf dem Tisch wohl etwas Interessantes liegen musste. Mit großer Mühe versuchte der kleine Kerl, auf den Eichentisch zu springen.
„He, Ben! Lass das!“, rief Arnold und nahm ihn auf den Arm.
„Er weiß wohl, dass ihr eigentlich in die Küche gekommen seid, um ihm etwas zu fressen zu holen und nicht um euch selbst die Bäuche voll zu stopfen“, scherzte Emma und holte einen alten Knochen aus der Kammer hervor.
„Hier nimm und dann raus mit euch.“
Die drei Kinder nahmen den Knochen und kehrten mit Ben zurück auf den Hof.
„Hier, mein guter Junge“, sprach Arnold zu dem Tier und hielt ihm den Knochen, an dem noch ein paar Fleischreste hafteten, entgegen. Ben wedelte mit dem Schwanz und begann sogleich gierig daran zu nagen.
„Oh, sieht das süß aus!“, rief Katharina begeistert und sah dem Hund beim Fressen zu.
„Ich hole ihm eine Schale mit Wasser“, bot sich Jutta an und ging zurück zur Küche.
Die drei Kinder verbrachten den Rest des Tages begeistert damit, mit dem Hund zu spielen. Am Abend schlief dieser müde und erschöpft zu Konrads Füßen ein.