Читать книгу Das Erbe der Burgherrin - Sabine Müller - Страница 14
Kapitel 8
ОглавлениеMechthild streckte und reckte sich. Die ersten Sonnenstrahlen hatten sie geweckt. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Ihr Blick fiel auf Konrad, der noch tief und fest schlief. Mit einem Lächeln kuschelte sie sich an ihn und dachte an den Abend zuvor, als sie sich geliebt hatten. Vorsichtig strich sie über seine Wange und hauchte einen zarten Kuss auf seinen Mund, ohne ihn zu wecken. Dann rollte sie sich auf die andere Seite, schlug die Decke auf und erhob sich. Sie huschte ins Ankleidezimmer und machte sich frisch. Mechthild strich mit ihren Händen über ihren Bauch. Eine kleine Wölbung war bereits zu erkennen, auch ihr Busen hatte deutlich zugenommen. Heute Abend würde sie es ihm sagen. Sie hatte es schon viel zu lange vor sich hergeschoben. Konrad sollte endlich erfahren, dass er wieder Vater wurde. Es klopfte leise an die Tür. Ihre Zofe Agnes trat ein und half ihr beim Ankleiden.
„Heute wird es ein schöner Tag werden, Herrin.“
„Ja, die Sonne scheint bereits. Arnold möchte bestimmt einen Ausflug machen. Ich werde gleich nach dem Morgenmahl Ritter Hanricus bitten, uns zu begleiten.“
„Das ist eine gute Idee, Herrin. Dass der kleine Ben einen Räuber in die Flucht schlägt, wage ich zu bezweifeln.“
„Ja, Arnold ist so stolz auf ihn. Man könnte meinen, es wäre ein Bär, wenn er von ihm erzählt.“
Agnes band Mechthilds Haare zusammen, machte einen Knicks und zog sich zurück. Mechthild entschied, dass Konrad nun lange genug geschlafen hatte, und weckte ihn.
„Es ist Zeit aufzustehen, Liebster, sonst verschläfst du noch den ganzen Sonnenschein.“ Sie trat ans Bett und küsste ihn.
„Schade, ich dachte schon, du würdest noch einmal zu mir kommen.“
„Hättest du das früher gesagt, bevor ich mich angekleidet habe!“, lächelte Mechthild. „Ich gehe und wecke Arnold. Wir sehen uns beim Morgenmahl.“ Sie warf ihrem Gatten eine Kusshand zu und verließ die Kemenate. Konrad sah ihr bedauernd nach. Als er sich angekleidet hatte, begab er sich zum Rittersaal. Es dauerte nicht lange, bis sich die ganze Familie am Herrentisch eingefunden hatte. Sogar Leni wurde von Agnes hereingeführt.
„Na, hast du gut geschlafen?“, wollte Konrad von ihr wissen.
„Ja, mein Junge“, erwiderte sie. Die Schmerzen in ihren Knochen waren zwar besser geworden, seit sie hier auf der Homburg war, doch manchmal waren sie trotzdem so schlimm, dass sie kaum laufen konnte. Besonders am Morgen fiel es ihr schwer, doch sie wollte Konrad nicht damit belasten. Er war so zuversichtlich gewesen, dass sie hier auf der Burg von allen ihren Gebrechen geheilt wurde. Heute Mittag würde sie ein wenig Mohnsaft trinken, dann würde es erträglicher werden.
Am anderen Ende des Tisches saß Arnold bei den Mädchen und zeigte ihnen, was für Kunststücke Ben schon gelernt hatte. Er hielt ihm ein Stück Schinken hin und ließ ihn Männchen machen.
„Aber Arnold, du sollst ihn nicht hier bei Tisch füttern“, schalt ihn Margareta.
„Das macht doch nichts, Großmutter, er isst doch sowieso immer mit mir.“
„Irgendwann springt er noch auf den Tisch und klaut uns den Schweinebraten.“
„Davon halte ich ihn schon ab, da musst du keine Angst haben.“
Ben bellte kurz auf und wedelte mit dem Schwanz, als wollte er Margareta von seinem guten Benehmen überzeugen.
„Mutter, hättest du Lust, heute mit mir und Ben einen Ausflug zu machen?
Das Wetter ist so schön!“, wandte sich der Junge Mechthild zu.
„Das habe ich mir fast gedacht! Deshalb habe ich schon Ritter Hanricus gefragt, ob er uns begleitet, nur für den Fall, dass Ben nicht alle Räuber in die Flucht schlägt“, meinte diese mit einem Zwinkern.
„Dann können wir nach dem Morgenmahl gleich los?“
„Ja, natürlich, es sei denn, dein Vater hätte etwas dagegen.“
„Geht nur, solange Hanricus mitgeht, ist es in Ordnung. Aber fertig essen könnt ihr schon noch.“
„Willst du nicht auch mitkommen, Katharina?“
„Ja gerne! Als wir zuletzt mit euch an der Merburg waren, das war großartig! Mutter, darf ich?“
„Das geht leider nicht. Wir wollen heute Maß nehmen, damit ich dir von dem Stoff, den ich gestern erstanden habe, ein schönes Kleid nähen kann.“
„Muss das unbedingt heute sein?“
„Aber Katharina! Zur Merburg könnt ihr jeden Tag.“
„Dann musst du mir aber versprechen, dass ich morgen mitdarf.“
„Ja, ich verspreche es dir,“ beschwichtigte Irmgard ihre Tochter.
Arnold löffelte begierig seinen Gerstenbrei und trank einen großen Schluck Wasser. Dann wischte er sich mit dem Ärmel über den Mund, was ihm wieder einen tadelnden Blick von Jutta eintrug und sprang auf.
„So Mutter, lass uns gehen.“
„Geh du nur schon mal mit Ben auf den Hof. Ich hole uns in der Küche Proviant und Hanricus muss zur Waffenkammer, um sein Schwert zu holen. Wir treffen uns am Tor.“
Arnold rannte hinaus und Mechthild aß fertig.
„Der Junge ist ein richtiger Wildfang. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt er sich nicht mehr bremsen. Von wem er das nur hat?“, fragte Irmgard scherzend.
„Keine Ahnung, Schwester - ich sage Hanricus Bescheid, dass er sich fertigmachen soll. Wir sehen uns heute Nachmittag wieder.“ Mechthild gab Konrad einen Abschiedskuss und verließ den Rittersaal.
Nachdem sie ein paar Sachen erledigt hatte, traf sie sich mit Arnold, Ben und Hanricus am Burgtor. Hanricus war ein großer und kräftiger Ritter. Er hatte dunkle, lockige Haare und trug den Bart kurz. Die Rüstung, die er angelegt hatte, war leicht, sodass sie ihn zwar schützte, aber trotzdem noch genügend Bewegungsfreiheit bot. Der Ritter stellte sich auf einen angenehmen Tag ohne große Aufregung ein. Er glaubte nicht, dass sie hier, so nah an der Homburg, jemand überfallen würde.
Sie passierten den Ritterübungsplatz und schlugen den Weg in den Wald ein, der sie zur Merburg führte. Die Sonne schien herrlich und am Wegesrand blühten die ersten Blumen. Überall war Vogelgezwitscher zu hören. Ben schnupperte an jeder Ecke und hob an jedem zweiten Baumstumpf sein Bein, um ihn zu markieren.
„Stell dir vor Mutter, wir würden das auch so machen. Da kämen wir gar nicht vorwärts.“
„Das wäre ja schrecklich! Da können wir froh sein, dass wir keine Hunde sind!“, scherzte Mechthild. Das Frühlingswetter weckte in ihr den Wunsch laut zu singen, doch weil der Ritter dabei war, summte sie nur leise vor sich hin.
Als sie endlich die Ruine der Merburg erreichten, ließen sie sich auf den Mauerresten nieder und Mechthild packte den Proviant aus. Sie schnitt mit ihrem Dolch Brot und Schinken auf und reichte Hanricus davon.
„Siehst du, wie ruhig es hier ist? Nur Vogelgezwitscher ist zu hören und keiner Menschenseele sind wir begegnet.“
„Das stimmt, Herrin, aber trotzdem kann man nie sicher sein, dass nicht doch ein Räuber unterwegs ist.“
Hanricus legte sich entspannt zurück und biss genüsslich von dem Schinken ab. Arnold und Ben sprangen in der Ruine herum. Der Junge ließ den Hund überall schnuppern und erklärte ihm, was das früher einmal gewesen war. Dann führte er ihn an den Weiher. Ben rannte begeistert auf das Ufer zu. Vorsichtig trat er ans Wasser und stillte seinen Durst. Er wedelte mit dem Schwanz. Als eine Ente über das Wasser schwamm, konnte Arnold den Hund kaum davon abhalten, dieser hinterher zu schwimmen.
„He, Ben! Bleib da! Das Wasser ist tief!“, rief er, doch auf einmal schien Ben eine andere Witterung aufgenommen zu haben. Er stellte die Ohren und hielt den Schwanz ganz ruhig. Aus seiner Kehle war ein Knurren zu hören und er starrte wie gebannt auf die Büsche am Uferrand.
„Was ist nur los, Ben? Ist dort jemand?“
Der Hund riss sich los und war kurze Zeit später im Gestrüpp verschwunden. Arnold rannte ihm hinterher.
An der Ruine blickte Hanricus auf. Wohin waren die beiden so plötzlich verschwunden? Er erhob sich, trat an den Weiher und starrte angestrengt zu den Büschen.
„Wo sind die beiden hin?“, fragte Mechthild besorgt und erhob sich ebenfalls. Die Sonne blendete sie, sodass sie die Hand über die Augen halten musste, als sie sich langsam in Hanricus Richtung bewegte. Sie erkannte gerade noch, dass der Ritter sein Schwert aus der Scheide ziehen wollte, als er, von einem Pfeil getroffen, niedersackte.
„Hanricus!“, schrie Mechthild entsetzt. Sie eilte auf ihn zu, doch in nur wenigen Augenblicken war sie von einem Haufen übler Gesellen umringt und alles ging so schnell, dass sie später Mühe hatte, sich an den genauen Ablauf zu erinnern. Jemand gab Hanricus einen Hieb, sodass dieser wohl nicht mehr aufwachen würde, dann stürzten sich zwei der Kerle auf Mechthild, die wie am Spieß nach Arnold schrie. Sie fesselten sie an Händen und Füßen und einer steckte ihr einen Stoffstreifen in den Mund, den er mit einem weiteren Streifen fixierte. Dann trugen sie die Gräfin, die sich immer noch aus Leibeskräften wehrte, zu einem Fuhrwerk, welches nur wenige Schritte entfernt im Gebüsch wartete. Sie legten sie auf die Ladefläche, zwischen mehrere Ballen Stoff, wo bereits Arnold, genauso gefesselt, lag. Ben sprang um die Räuber herum, knurrte und bellte, doch diese ließen sich von dem kleinen Kerl nur wenig beeindrucken. Smolek versetzte ihm einen kräftigen Tritt, der ihn aufjaulen ließ. Geschwind machten sie sich auf den Weg.
Engela musste für ihre Mutter Klara eine Besorgung auf dem Naunhof machen. Normalerweise hätte dies eine Magd erledigt, doch da man heute einen Ochsen geschlachtet hatte, waren alle Mägde bei Emma in der Küche unabkömmlich. Das Burgfräulein ritt auf einer braunen Stute des Weges und hing ihren Gedanken nach, die wie immer Graf Konrad galten. Plötzlich vernahm sie Hufgetrappel. Sie erblickte kurz vor einer Kreuzung eine merkwürdige Gruppe, die aus mehreren Männern zu Pferd und einem Fuhrwerk bestand. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es besser wäre, wenn diese sie nicht zu Gesicht bekämen. Sie lenkte ihr Pferd abseits des Weges und wartete hinter einem großen Busch, bis die Männer vorbei waren. Bis auf zwei sahen sie ziemlich verwahrlost aus. Auf dem Fuhrwerk lag ein riesiger Haufen Stoff. Doch was war das? Hatte sich da nicht etwas bewegt? Sah da nicht ein Fuß heraus? Die Männer schlugen den Weg nach Osten ein und trieben ihre Pferde zu großer Eile an.