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Kapitel 1

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Mechthild lag gefesselt auf dem Wagen. Angst, Schrecken und Verzweiflung machten sich in ihr breit. Sie lag unbequem auf dem Bauch, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Handgelenke und Schultern schmerzten. Durch den Knebel im Mund bekam sie kaum Luft. Von Zeit zu Zeit musste sie würgen. Die Schicht Stoff, die über ihr hing, verbesserte ihre Lage kaum. Als sie sich ein wenig nach links bewegte, merkte sie, dass sich Arnold neben ihr befand. Wie gerne würde sie ihn tröstend in die Arme nehmen und ihm gut zureden!

Wie konnten sie nur in eine solche Lage geraten? So oft waren sie allein im Wald unterwegs gewesen – und heute, wo Hanricus und der Hund dabei waren, musste so etwas passieren! Was wollten die Kerle nur von ihnen? Einfache Räuber hätten sie ausgeraubt und erschlagen, aber diese hatten wohl zumindest mit ihr und Arnold mehr vor.

Mit hoher Geschwindigkeit holperte der Wagen über den unebenen Boden. Ihr Zeitgefühl hatte sie verlassen. Sie wusste nicht, wie lange das schon so ging, als es leise anfing zu donnern. Es dauerte nicht lange bis das Donnergrollen immer lauter wurde. Der Regen prasselte herab, als der Wagen endlich anhielt.

„Hier können wir uns unterstellen bis der Regen vorüber ist. Wir sind schon weit genug von der Homburg entfernt“, schlug Wolfgang vor.

Die Männer stellten das Fuhrwerk vor einem verlassenen Stall ab und stiegen von den Pferden.

„Bringt die beiden hinein und legt die Lederplane über den Wagen, damit die Ladung nicht nass wird!“, befahl Sveti seinen Männern. Der Lange und Smolek trugen Mechthild und Arnold in den Stall und setzten sie in eine dunkle Ecke. Arnold lehnte sich leicht an Mechthild und begann merklich zu schluchzen. Mechthild versuchte sich bemerkbar zu machen, indem sie nach vorne rutschte. Trotz Knebel probierte sie, einen Ton herauszubekommen.

„Na, Püppchen? Was willst du von uns?“, fragte Smolek grinsend und trat auf sie zu.

„Wir sollten ihnen den Knebel aus dem Mund nehmen und etwas zu trinken geben“, schlug Hartmut vor. „Hier können sie schreien, soviel sie wollen, da hört sie ohnehin niemand.“

Smolek nahm sein Messer, hielt es Mechthild an den Hals und entfernte mit der anderen Hand den Knebel.

„Wenn du schreist, schneide ich dir die Kehle durch, Weib!“, drohte er und drückte ihr demonstrativ das Messer auf die blanke Haut. Mechthilds Augen weiteten sich vor Angst.

„Bitte tut uns nichts! Ich mache auch, was ihr wollt!“

„Das ist ein Angebot, Püppchen!“, freute sich Smolek und rieb sich die Hände.

„Ich habe euch schon mal gesagt, ihr sollt die Finger von ihr lassen. Wenn wir sie verkaufen wollen, müssen sie in gutem Zustand sein“, ermahnte ihn Wolfgang.

Mechthild horchte auf. Verkauft sollten sie werden! Vielleicht hätten sie dann noch eine Chance!

„Können wir etwas zu trinken bekommen? Mein Hals ist ganz trocken.“

Hartmut füllte einen Becher mit Wein und hielt ihn Mechthild und Arnold, der mittlerweile auch von seinem Knebel befreit war, an die Lippen. Die beiden tranken begierig.

„Warum habt ihr uns entführt, was wollt ihr von uns?“, fragte die Gräfin, als sie sich ein wenig gesammelt hatte.

„Das würdest du wohl gerne wissen!“

„Lasst wenigstens den Jungen frei! Ich flehe euch an!“

„Das kommt überhaupt nicht infrage, er wird uns einen guten Preis bringen auf dem Sklavenmarkt. Er ist gesund und kräftig.“

„Aber er ist doch noch ein kleines Kind!“

„Das ändert sich schnell.“

„Bitte lasst ihn frei!“

„Wir haben unseren Auftrag und an den halten wir uns!“

„Wer ist euer Auftraggeber?“

„Den kennst du ohnehin nicht. Manchmal müssen die Erben für alte Rechnungen aufkommen. Schweig jetzt Weib!“

Mechthild ließ sich zurücksinken. Was hatte das zu bedeuten? Es war also kein Zufall, dass man ausgerechnet sie entführt hatte. Für wessen alte Rechnungen mussten sie bezahlen?

Arnold blickte traurig zu seiner Mutter:

„Mir ist kalt, Mutter. Wie lange müssen wir hier sitzen? Es ist so unbequem“, sagte er leise.

„Du musst keine Angst haben, mein Junge, Vater wird uns finden“, flüsterte Mechthild und rückte näher an ihn heran. Arnold lehnte sich an seine Mutter.

Nachdem es ein letztes Mal laut gedonnert hatte, verzog sich das Gewitter und der Regen ließ nach.

„Wir reiten weiter. Nicht, dass sie schon nach uns suchen.“

Die Räuber packten ihre Sachen zusammen, knebelten Mechthild und Arnold, luden sie auf den Wagen und ritten los. Die Wege waren matschig, sodass sie nur langsam vorwärtskamen. Als die Dunkelheit angebrochen war, hielten sie auf einer Lichtung an und schlugen ihr Lager auf.

„Leg dort hinten eine Decke für die beiden hin!“, befahl Hartmut dem Langen. Dieser tat wie ihm geheißen. Dann luden sie die Gefangenen ab und entfernten die Knebel.

„Ich müsste mal dringend Wasser lassen“, sagte Mechthild und auch Arnold quälte ein dringendes Bedürfnis.

„Also gut. Wir binden ihnen einen Strick um den Bauch, den wir an der Eiche festmachen. Dann können wir die Fesseln abnehmen und sie können ihre Notdurft hinter dem Baum verrichten“, schlug Wolfgang vor.

„Ich kann doch die Gräfin abhalten“, erbot sich Smolek mit vor Gier funkelnden Augen.

„Du sollst die Finger von ihr lassen! Wie oft soll ich dir das noch sagen?“ Hartmut warf einen Holzbecher nach dem Räuber.

„Schon gut, schon gut! Ich wollte doch nur hilfsbereit sein.“

„Du und hilfsbereit? Das ist das Erste, was ich höre!“

Nachdem Mechthild und Arnold fertig waren, durften sie sich ohne Handund Fußfesseln auf die Decke setzen. Hartmut reichte ihnen einen Kanten Brot und ein Stück Käse und sagte an die Räuber gewandt:

„Noch bis zur Donau werden wir euch begleiten, dann kehren wir um.“

„Da müsst ihr uns vorher den Rest der Belohnung geben!“

„Das werden wir, nur keine Angst! In Ulm werdet ihr den Rest kriegen, und wenn ihr eure Gefangenen gut behandelt, werdet ihr für sie noch einmal einen großen Batzen in Warna bekommen.“

„Wenn wir nur schon in Warna wären! Die beiden werden uns unterwegs noch Ärger machen.“

„Besorgt euch in Ulm bei einem Apotheker Mohntinktur. Die wird sie ruhigstellen, dann braucht ihr nichts zu befürchten.“

Mechthild hörte mit Entsetzen zu. Hoffentlich würde sie Konrad rechtzeitig finden! Wenn diese beiden Ritter nicht mehr dabei wären, hätten die Räuber freie Hand mit ihnen und diese machten nicht den Eindruck, als ob sie wochenlang friedlich neben einer Frau schliefen, ohne sie anzurühren.

„Heute Nacht hält einer Wache und passt auf, dass die beiden nicht versuchen zu fliehen. Hagen, du übernimmst die erste Hälfte!“, befahl Sveti.

Die Räuber genossen ihren Wein und brauchten nicht lange, bis sie eingeschlafen waren. Hagen hielt das Feuer am Brennen und setzte sich so, dass er Mechthild und Arnold im Blick hatte. Auch die beiden schliefen bald. Arnold zuckte mehrmals im Schlaf zusammen und weckte dabei Mechthild. Diese legte jedes Mal tröstend den Arm um ihn.

Am nächsten Morgen erwachte die Gräfin als Erste. Sie brauchte eine Weile, um sich daran zu erinnern, wo sie war und was geschehen war. Alle Knochen taten ihr weh, als sie sich vorsichtig streckte und aufsetzte. Ihr Bauch schmerzte, bis sie sich des engen Strickes gewahr wurde, der ihre Leibesmitte umschloss. Doch da war nicht nur der Strick, der drückte. Sie wurde von einer Welle aus Übelkeit geschüttelt. Schnell erhob sie sich und schaffte es gerade noch hinter die Eiche, um sich zu übergeben. Sie stützte sich mit der rechten Hand an dem starken Baumstamm ab und wischte sich mit der anderen Hand über die Stirn. Die Übelkeit war verflogen.

„He, was machst du da, Weib?“, ertönte Smoleks Stimme.

„Mir war es nicht so gut.“

„Hat die sich erbrochen? Die wird uns doch jetzt nicht krank werden!“, rief der Lange.

„Du hast wohl keine Bälger? Wenn es Frauen morgens schlecht wird, kann das nur eins bedeuten. Ein neues Balg ist unterwegs!“

„Du meinst, sie ist schwanger?“

„Ja, verstehst du es nun endlich?“

„Stimmt es, du bist schwanger?“, wandte sich Hartmut an die Gräfin.

„Ja, es sieht so aus.“

„Wann wird das Kind kommen?“

„Ich schätze, kurz vorm nächsten Winter.“

„Wenn es noch so lange dauert, wird sie uns bis Warna kaum Probleme bereiten“, meinte Wolfgang.

„Aber was wird sie uns schwanger bringen?“, wollte Hagen wissen.

„Wenn jemand eine Amme sucht, sogar sehr viel. Mehr als anders. Dann ist es aber umso wichtiger, dass ihr behutsam mit ihr umgeht und das Kind nicht gefährdet. Haben wir uns verstanden?“, fragte Wolfgang die Räuber.

„Ja, natürlich. Smolek behalten wir im Auge, damit er keine Dummheiten macht.“

„Was heißt im Auge behalten? Greift euch mal besser an eure eigenen Nasen, Bartschneider!“

„Jedenfalls wird Lorettas Rache dann noch größer sein“, sagte Wolfgang hämisch grinsend zu Hartmut. „Lasst uns was essen und dann gleich aufbrechen, wir wissen nicht, ob uns jemand in der Nähe der Burg gesehen hat.“

Die Räuber beeilten sich und machten sich auf den Weg.

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