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Medienresilienz als individuelle und gesellschaftliche Aufgabe

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Zusammengefasst bedeutet das: Zwischen den Erkenntnissen der Bindungsforschung und dem, was ich Medienresilienz und souveräne Mediennutzung nenne, gibt es auffällige Parallelen. Auch eine souveräne Mediennutzung gelingt nur im reflektierten und selbstverantwortlichen Wechsel von beiden Zuständen: der Fähigkeit, sich einzulassen einerseits, und der Gabe, sich abgrenzen zu können andererseits. Sie gelingt nur durch selbstsicheres Beherrschen von »On« und »Off«. Wenn man sich diese beiden Zustände als Kippschalter im menschlichen Verhaltensrepertoire vorstellt, so ist es unsere Aufgabe, diesen zu trainieren. Dies gelingt nur in der Übung, zwischen den beiden Zuständen hin und her zu wechseln.

Den Gebrauch digitaler Medien rundweg abzulehnen oder zu verteufeln und jegliche Medien aus Kinderzimmern, Schulen, Arbeit und Gesellschaft zu verbannen, ist keine Lösung. Das verantwortliche Umschalten von »An« auf »Aus« und wieder zurück kann nur erlernt werden, wenn beide Zustände erlaubt und möglich sind und damit geübt und beherrscht werden können.17

Die Erkenntnisse lassen sich auch auf gesellschaftliche Zusammenhänge übertragen: Als Gesellschaft leben wir ebenfalls in einem Spannungsfeld, das durch die Globalisierung aus dem Lot gebracht worden ist, zwischen Entfremdung und Geborgenheitssehnsucht.

Wie also fangen wir gesellschaftlich die fortschreitende Entfremdung auf? Kann uns auch auf gesellschaftlicher Ebene eine gute Taktung von Entfremdung und Vertrautheit gelingen? Wäre das nicht ein weiteres Kriterium einer resilienten digitalen Gesellschaft?

Die zentralen Fähigkeiten und Kompetenzen, die wir für einen souveränen Umgang mit digitalen Medien, für ein selbstverantwortliches Handeln in einer digitalen Gesellschaft brauchen, werden uns durch eine gute und sichere Bindung zur Verfügung gestellt. Indem wir gesellschaftliche Verbindung und soziale Kohäsion fördern, bereiten wir die Gesellschaft gut auf die Herausforderungen des digitalen Wandels und der Globalisierung vor.

Die Digitalisierung ist dabei ein paradoxer Faktor. Eine digitale Infrastruktur ist zwar Treiber der Entfremdung, kann aber auch das Gefühl von Verbundenheit fördern. Die Verbindung zu anderen herzustellen, erfüllt uns mit Wärme – und mit einer »Hormondusche«, die unser soziales Bestreben belohnt. Das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin wird in zwischenmenschlich nahen Situationen ausgeschüttet, es beeinflusst die Geburt, das Zusammensein von Liebespartnern und allgemein soziale Interaktionen. Der amerikanische Neuroökonom Paul Zak18 bringt Oxytocin in Zusammenhang mit Moral, Vertrauen und Empathie. Sich umarmen, tanzen, anderen nahe sein – es gibt viele Möglichkeiten, sich mit Menschen zu verbinden, sagt er. Und soziale Medien sind offenbar eine davon. Er untersuchte Probanden, während sie aktiv in sozialen Medien waren, und stellte bei ihnen einen zweistelligen Anstieg von Oxytocin und den gleichzeitigen Abfall von Stresshormonen fest.19 Es ist das wohlige Gefühl, vertrauten Menschen nahe zu sein, das sich hier ausdrückt – und dazu können auch soziale Medien beitragen.

Allerdings ist mit der Nutzung von Twitter, WhatsApp und Facebook eine wohltuende »Hormondusche« keineswegs garantiert. Wenn die Probanden sich während der Untersuchung inmitten eines Shitstorms oder in den Tiefen von Schmäh- und Hasskommentaren befunden hätten, wäre das Studienergebnis sicher anders ausgefallen. Die dunklen und destruktiven Seiten des sozialen Miteinanders finden in sozialen Medien ebenso ihren Weg zum Gegenüber.

Die feine Waage zwischen Gut und Böse, zwischen Nähe und Distanz, zwischen einander fremd werden und einander nahkommen müssen wir Nutzer selbst herstellen. Das können wir nicht an die digitale Technik auslagern. Diese Aufgabe besteht auf beiden Ebenen und muss auf beiden Ebenen geleistet werden: Der Einzelne muss diese Waage halten können. Aber als Gesellschaft müssen wir das auch tun.

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