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Kapitel 6
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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag David dicht an mich gekuschelt auf meiner Matratze. Ich hatte mich eher hingelegt und nicht mitbekommen, wann er zu mir gekommen war. Ein Lächeln erschien auf meinen Lippen, denn das erklärte, warum ich in dieser Nacht nicht so fürchterlich gefroren hatte.
»Hey«, flüsterte ich und er bewegte sich leise stöhnend.
»Ist wirklich schon Zeit, um aufzustehen?«, grummelte er und ich lachte.
»Nein, aber deswegen bin ich trotzdem wach.«
David öffnete die Augen und blinzelte mich mit einem Lächeln auf den Lippen an.
»Das ist natürlich ein Grund«, erwiderte er und strich mir eine Haarsträhne hinter die Ohren. Einen Moment ließ er seine Hand auf meiner Wange ruhen und sah mir tief in die Augen. Mein Magen machte einen Sprung und ich senkte den Blick.
»Wenn wir heute zurückgehen, werde ich mit Matt sprechen. Ich will nicht, dass er dich weiterhin so behandelt.«
»Matt hasst mich. Daran ändert sich auch nichts, wenn du wieder und wieder mit ihm sprichst. Außerdem ... ich möchte wirklich nicht zurück. Können wir Jos Angebot nicht einfach annehmen und hierbleiben?«
Davids Blick veränderte sich plötzlich. Er wurde unergründlich und hart. Ich kannte diesen Blick und wusste, dass wir uns innerhalb der nächsten Sekunden fürchterlich streiten würden.
»Matt ist mein bester Freund, wie stellst du dir das vor?« David erhob seine Stimme nicht, doch mir war klar, dass er Matt bis aufs Messer verteidigen würde.
»Und ich bin deine beste Freundin«, erwiderte ich so leise, dass man es kaum hören konnte. Langsam löste ich mich von David und stand auf.
»Amy, wenn ich mit Matt spreche, wird er dich in Ruhe lassen, vertrau mir.«
Ich schüttelte nur verletzt den Kopf und begann meine Sachen in meinen kleinen Rucksack zu packen. »Er wird mich nicht in Ruhe lassen. Seit ich bei euch bin, macht er mir das Leben zu Hölle und behandelt mich wie das letzte Stück Dreck, nur weil meine Eltern Geld haben. Er macht sich überhaupt nicht die Mühe, mich zu verstehen. Er verurteilt mich einfach.«
Abby und David waren die einzigen beiden Menschen in meinem neuen Umfeld, die wussten, was beim Dezemberball vor zwei Jahren geschehen war und weswegen ich nun lieber auf der Straße lebte, als bei meinen Eltern. Schon aus diesem Grund hätte David Verständnis für mich haben und erkennen müssen, dass Matts Verhalten es für mich nicht leichter machte.
»Das stimmt nicht, Amy, und das weißt du.« David war ebenfalls aufgestanden.
»Ach ja? Was muss noch passieren, David, bis du merkst, dass Matt mich nicht bei sich haben will? Muss er mir erst das Genick brechen, weil ich wieder nicht nach seiner Nase getanzt habe? Muss mir erst etwas zustoßen?«
»Wenn du erwartest, dass ich mich zwischen dir und ihm entscheide, wirst du verlieren, Amy. Ohne Matt würde ich nicht mehr leben, ich bin ihm etwas schuldig.«
Ich schüttelte den Kopf und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Auf keinen Fall würde ich jetzt vor David weinen.
»Dann ist ja gut, dass ich das weiß«, sagte ich leise und ging zu Abby. Ich berührte sie leicht an der Schulter und sie blinzelte mich verschlafen an. »Ich hau ab.«
»Wo willst du hin?«, fragte sie und richtete sich langsam auf. Irritiert sah sie von mir zu David, der nur kopfschüttelnd die Werkstatt verließ.
»Ich muss einfach weg. Er ... er wird sich nie für mich entscheiden ... ich habe einfach keine Chance gegen Matt ... die werde ich niemals haben.«
»Soll ich mit David sprechen?« Abby sah mich traurig an. Sie war die Einzige, die über meine Gefühle für David Bescheid wusste.
»Nein, es führt ohnehin zu nichts.«
»Kommst du heute Abend ins Abbruchhaus?« Ein hoffender Blick zog über die Gesichtszüge meiner besten Freundin.
»Nein, ich glaube nicht. Ich finde einen Platz.«
Abby nickte und seufzte leise. Sie war selbst ein Mensch, der oft seine Ruhe brauchte. Deswegen hielt sie mich auch nicht auf, als ich ging.
Ich verließ die Werkstatt und tauschte einen letzten Blick mit David, der rauchend an den Resten des Feuers stand. Insgeheim wünschte ich mir, dass er mich aufhalten würde, doch er tat es nicht. Er ließ mich gehen ... allein, obwohl er wusste, dass ich heute Abend definitiv keinen Schlafplatz haben würde und damit völlig auf mich allein gestellt war. Das war einer der Momente, in denen ich mich fragte, ob es nicht einfacher wäre, mein erbärmliches Leben zu beenden.
Kurz senkte ich den Blick auf meinen Arm, mit dem Wissen, dass sich unter dem Pullover Beweise dafür fanden, dass ich bereits einmal daran gescheitert war.
***
Ich irrte den gesamten Tag durch Berlin, ohne ein Ziel vor Augen. Wenn ich etwas an diesem Leben hasste, dann das. Ich wusste, dass ich es mit Leichtigkeit ändern konnte, zumindest hätte ich es versuchen können, doch ich hatte Angst vor den Vorurteilen. Was würden die Leute von mir denken? Doch auch nur das, was allgemein bekannt war.
Seufzend blieb ich stehen und bemerkte, dass ich hier in der Gegend schon einmal gewesen war. Es war bereits dunkel und bitterkalt. Ich hatte die Kapuze meiner Jacke über den Kopf gezogen und hielt meinen Blick wieder gesenkt. Als ich um eine Ecke bog, wusste ich plötzlich, wo ich mich befand.
Instinktiv war ich zu Lucas Wohnung gegangen und betrachtete die Haustür und das Klingelfeld. Sollte ich klingeln? Würde er mich hereinlassen, oder war er vielleicht sauer auf mich, weil ich abgehauen war? Aber was hatte ich schon zu verlieren? Mehr Ablehnung wie an diesem Tag war wohl kaum möglich.
Ich klingelte und wartete einen Moment. Luca war offenbar nicht zu Hause. Ich versuchte es noch ein zweites und ein drittes Mal, doch niemand reagierte.
Schwach sank ich auf den Boden neben der Haustür, winkelte die Beine an und umklammerte sie. Ich ließ meinen Kopf auf meine Knie sinken und machte mich immer kleiner. Verzweiflung breitete sich in mir aus. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinsollte, geschweige denn, wo ein sicherer Platz zum Schlafen wäre.
Wieder schossen mir Davids Worte in den Kopf und versetzten meinem Herzen einen neuen Stich. Aus irgendeinem Grund hatte ich gehofft, er würde mir zur Seite stehen. Doch das tat er nicht, weil Matt das Einzige hatte, was David irgendwie am Leben hielt: die Drogen. Dagegen kam ich nicht an ...