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Fünf Jahre zuvor

15. Juli 2014

Er wandte den Blick von der Engelsfigur ab, die zwischen unzähligen, in Mitleidenschaft gerissenen Gestecken und Blumensträußen lag, und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Der Druck, der auf ihm lastete, war so schwer, dass er drohte, daran zu zerbrechen. Sein Herz hatte man ihm brutal und ohne Vorwarnung aus der Brust gerissen, bevor man es in Brand gesteckt hatte.

Er hatte alles verloren, was ihm lieb und teuer war. Und er konnte niemanden dafür zur Rechenschaft ziehen, außer sich selbst.

Langsam lief er den Schotterweg entlang, der Regen prasselte auf seinen schwarzen Schirm. Der Himmel weinte mit ihm, obwohl der Wetterbericht warme dreißig Grad und Sonnenschein vorhergesagt hatte.

Eine Windböe erfasste ihn und den Schirm und zerstörte diesen. Irritiert blieb er stehen, knickte die Streben seines Regenschirms wieder um, die der Wind nach hinten gerissen hatte, und wurde plötzlich auf eine weinende Frau aufmerksam. Sie war höchstens Anfang zwanzig und hatte blondes, lockiges Haar. Ihr Kopf war nach vorn gesunken, der Regen durchnässte sie, während laute Schluchzer die Stille durchbrachen und ihren Körper erschütterten.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Der Anblick der Frau versetzte ihn in eine Starre, ihr Weinen schmerzte an einer Stelle in seinem Herzen, die er verloren glaubt hatte.

Sie war ganz allein, dem erbarmungslosen Regen ausgeliefert, gefangen in ihrer Trauer, weil ihr so wie ihm ein Mensch genommen worden war, der ihr alles bedeutet hatte.

Sie tat ihm leid, so unfassbar leid, aber er wusste, dass es unangemessen war, ihr das zu sagen. Ihr seinen Schirm anzubieten, allerdings nicht.

Als er einen Fuß nach vorn setzte, bemerkte er im Augenwinkel plötzlich einen Mann im Anzug, der sich ihr näherte. Sekunden später schützte sein Regenschirm sie und sie sah ihn aus tränennassen Augen an.

Er schluckte schwer, als sie sich an den Mann lehnte und er sie schützend in die Arme zog. Behutsam hauchte er ihr einen Kuss in die nassen Haare und schließlich auf ihre vollen, rosigen Lippen.

Er atmete tief durch und wandte sich von der jungen Frau und ihrem Freund ab, bevor er durch den Regen nach Hause ging.

Am nächsten Tag kam er zurück, aber sie war nicht mehr da.

Es sollte ein ganzes Jahr dauern, bevor er sie wieder im Sommerregen entdeckte.

Sommerregengeheimnis

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