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Acht Jahre zuvor

15. Juli 2011

Schwach sank ihr Kopf nach vorn. Der strömende Sommerregen durchnässte sie innerhalb von Sekunden. Obwohl es ein warmer Julitag war, fror sie schlimmer als im Winter.

Sie wusste, dass es nicht am Wetter oder dem plötzlichen Platzregen lag, der eingesetzt hatte. Sondern an den Schmerzen und der tief sitzenden Trauer, die sich in den letzten Monaten in ihr Herz gefressen hatten.

Sie krallte die Fingernägel in das Holz der Bank, auf der sie saß, bis es schmerzte, und schluchzte leise auf.

Alles war kaputtgegangen. Von ihrem Leben waren nur noch Bruchstücke übrig geblieben, die nicht mehr zusammenfinden wollten. Ihr Herz lag zertrümmert in allen Himmelsrichtungen zerstreut und würde nie wieder vollständig sein. Nie würde sie alle Teile einsammeln und es reparieren können, nie würde es so sein, wie es einmal war.

Sie hatte alles verloren, was ihr einst wichtig gewesen war.

Der Wind frischte auf und sie erzitterte. Ihre schwarze Kleidung haftete wie eine zweite Haut an ihr, die Regentropfen peitschten ihr ins Gesicht, ihre dunkelblonden Locken klebten an ihren nassen, blassen Wangen.

Sie fühlte sich hilflos und verloren, allein gelassen in einem Sturm, der sie mit jeder Sekunde, die verging, näher an den Abgrund trieb.

Sie war verloren ohne ihn. Ohne die Liebe ihres Lebens. Ohne den einzigen Menschen, der ihr in den letzten Jahren Halt gegeben und sein Leben mit ihr geteilt hatte.

Ihr Leben war nun nur noch eine leere Hülle, in der sie zusammengekauert saß und darauf wartete, endlich daraus befreit zu werden.

Es war ein Albtraum.

Aber sie war wach und es gab keine Chance, das Geschehene ungeschehen zu machen. Dafür hatte das Schicksal gesorgt.

Ein Schluchzer hallte über den Dresdner Trinitatisfriedhof und sie umschlang schützend ihren Körper mit den Händen. Sie zitterte. Vor Kälte. Vor Schmerz. Vor Hass.

All diese Empfindungen hatten sie eingenommen und streckten sie nieder, bis sie endlich kapitulierte und aufgab.

Nie hatte sie so oft ans Aufgeben gedacht wie in den letzten Monaten und Tagen.

Die Zeit sollte alle Wunden heilen, aber das war eine furchtbare Lüge. Es wurde immer schlimmer, immer schmerzhafter ... immer grausamer.

Ganz langsam hob sie den Kopf und starrte auf die goldenen Buchstaben, die in den schwarzen Granitstein eingraviert waren. Buchstaben, die alles endgültig machten. Worte, die ihr Herz weiter zerschlugen und überall verteilten. Selbst wenn sie die Teile wiederfinden würde, heilte es nie wieder.

Genauso wie sie.

Der Augenblick schien so schmerzhaft endgültig.

Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Wangen und schluchzte leise. Sie hatte nie darüber nachgedacht, wie es sein würde, wenn sie plötzlich allein war. In ihrer Naivität hatte sie angenommen, bis zum Ende ihres Lebens Zeit zu haben.

Eine fatale Einstellung, für die sie nun bezahlen musste.

Mit Einsamkeit.

Mit Tränen.

Hass.

Und ihrem Herzen.

Es gab kein Für immer.

Nur ein Bis dass der Tod uns scheidet. Und nicht einmal das hatten er und sie erreicht.

Sommerregengeheimnis

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