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BEI MÄNNERN IST DIE SACHE RELATIV EINFACH. MÄNNERBILDER UND KAROTTEN

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Außen hart und innen ganz weich.

Werden als Kind schon auf Mann geeicht.

Wann ist ein Mann ein Mann? 6

Ein kritisches und einfühlsames, widersprüchliches und doch liebenswertes Bild vom Mann, wie es Herbert Grönemeyer mit seinem Song bereits 1984 zeichnete, ist nicht üblich. „Not am Mann“7 oder „Oh, Mann! – Das starke Geschlecht sucht seine neue Rolle“8 sind typische Titelthemen in den Medien. Männlichkeit steht unter kritischer Beobachtung. Dabei wird Männlichkeit zwar nach wie vor gefordert, oft aber auch belächelt, manchmal sogar verachtet. Die Verunsicherung vieler Männer ist groß. Experten, die schwerpunktmäßig mit Männern arbeiten, sehen im Thema Selbstwertgefühl und Identität als Mann die gegenwärtig größte Herausforderung für Männer, deutlich häufiger als das vermeintlich wichtigste Männerthema Sexualität.9

Letztere lässt sich nicht unabhängig von den Männerbildern betrachten, die in unserer Kultur dominieren. Ihrem Einfluss können wir kaum entkommen. Wir wollen uns nun diesen Bildern widmen, denn sie bilden den Kontext für jeden einzelnen Mann, der sich mit seinem Mannsein und seiner Sexualität auseinandersetzt.

Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Die in unserer Kultur vorherrschenden Bilder vom Mann werden längst nicht mehr als Vorbilder gesehen. Der Unterschied zu früheren Zeiten wurde uns beim Besuch einer Ausstellung über Männerbilder in der Antike besonders deutlich.10 Im antiken Griechenland wurde der Mann tatsächlich in vielfältiger Hinsicht idealisiert. Bei uns gilt inzwischen oft das Gegenteil. Der Ausruf „typisch männlich!“ ist in der Regel abwertend gemeint. Eine große Volkspartei, die SPD, schrieb 1989 in ihr Grundsatzprogramm: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“.11 Dass das meiste Elend dieser Welt von Männern geschaffen sei und die Zukunft weiblich sein müsse, gilt nahezu als Allgemeinplatz. Wenn das, was über Männer öffentlich gesagt wird, über Schwarze oder Juden gesagt würde, drohte eine Anklage wegen Volksverhetzung. Markige Worte, die wir bei unserer Recherche zu diesem Buch zu hören bekamen. Übertrieben? Schwarze haben eine genetisch bedingte Tendenz zu gewalttätigem Verhalten. Juden sind nur eingeschränkt empathiefähig. Geht gar nicht! Aber Männer …

Was ist überhaupt Männlichkeit? Umgangssprachlich scheint klar zu sein, was damit gemeint ist, wenn zum Beispiel eine Frau ihren Mann dazu auffordert, sich mehr – oder weniger – männlich zu verhalten. Wenn wir jedoch näher hinschauen, ist es ganz und gar nicht klar, sondern ein weites Feld, auf dem Missverständnisse prächtig gedeihen. Als Klärungsversuch könnten wir zunächst zwischen biologischem und sozialem Geschlecht unterscheiden. Die englische Sprache besitzt dafür verschiedene Vokabeln: sex und gender. Alle Bemühungen, diese beiden Ebenen voneinander zu trennen, sind aber bislang nicht wirklich von Erfolg gekrönt gewesen. Theoretisch ist die Unterscheidung sinnvoll, praktisch wirken diese Ebenen immer zusammen. Wie groß nun der biologische Anteil, wie groß der soziale Anteil an männlichem Fühlen, Denken und Verhalten ist, diese Frage ist seit Jahrzehnten Schlachtfeld ideologischer Auseinandersetzung. Je nach fachlicher, vor allem aber weltanschaulicher Ausrichtung wird die Frage nach den Grundlagen und damit auch nach der Veränderbarkeit und dem Veränderungsbedarf von Männlichkeit anders beantwortet:

•Männlichkeit findet ihre Grundlage im männlichen Körper und dessen Anatomie und Physiologie (biologische Sicht).

•Männlichkeit wird durch im Laufe der Evolution entwickelte genetisch festgelegte Programmierungen bestimmt (evolutionspsychologische Sicht).

•Männliches wie weibliches Geschlecht sind soziale Leitbilder, die durch Erziehung und strukturelle Machtverhältnisse im patriarchalen System erworben werden (soziologische Sicht).

•Heutige Männlichkeit lässt sich durch Abwesenheit der Väter und fehlende Ablösung von der Mutter verstehen (tiefenpsychologische Sicht).

•Männlichkeit bildet zusammen mit Weiblichkeit die grundlegende Polarität des Lebens – im Taoismus als Yin und Yang bekannt – und beinhaltet ein Set ontologischer oder archetypischer Eigenschaften (spirituelle Sicht).

Aus welcher Perspektive auch immer Männlichkeit betrachtet wird: Die große Gefahr liegt darin, aus der eigenen Sichtweise unbesehen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu erschaffen.12 Regelmäßig werden Faktoren wie Körperkraft, hormonelle Steuerung, Familiendynamik oder auch archetypische Energien, die auf uns Männer einwirken, so interpretiert, als ob sie uns auf bestimmte Verhaltens-, Fühl- und Denkweisen festlegten. Abweichungen gelten als Defizit. Wenn wir beispielsweise Testosteron und seine Wirkung im männlichen Körper als ein wesensmäßiges Merkmal der Männlichkeit deuten, anstatt als einen biologischen Faktor, mit dem umzugehen wir Männer herausgefordert sind13, dann wird Silvester Stallone unweigerlich männlicher erscheinen als Woody Allen (interessanterweise lag letzterer in der Frauengunst aber dennoch vorn). Wie ein Mann aber – insbesondere auf dem Feld von Liebe und Sexualität – größere Erfüllung findet und diese seinerseits auch schenken kann, ist damit nicht geklärt – und sowieso wohl kaum leicht zu beantworten. Sich selbst erfüllende Prophezeiungen wie „Ein Mann braucht immer ein Ziel“ können sexueller und emotionaler Erfüllung aber sehr wohl im Wege stehen, wie wir im weiteren Verlauf dieses Buches noch sehen werden.

Eingängige Konzepte von Männlichkeit stehen dennoch hoch im Kurs und bedienen offensichtlich die Sehnsucht nach Orientierung auf einem heiklen Terrain. Wir werden mit Ratgebern, wie wir richtige Männer werden, regelrecht überflutet. Ein ganzes Genre beschäftigt sich mit der Frage, wie Männer Erfolg bei Frauen haben und suggerieren, richtige Männer bekämen jede Frau ins Bett oder – falls sie das wünschen – dauerhaft an ihre Seite:

„Du wirst kämpfen müssen. Freu dich drauf! Denn kämpfen macht männlich“.14 (Maximilian Pütz und Arne Hoffmann: Der perfekte Eroberer: Wie Sie garantiert jede Frau verführen – Die bessere Strategie)

Der Ton dieser Bücher ist durchweg vollmundig, jeder Leser merkt sofort: Hier schreibt ein echter Kerl, und der hat Erfolg! So geht das also … Der Subtext: Männer sind entweder Gewinner oder Loser. Dass doch wohl beides zum Leben gehört, findet hier keine Beachtung. Andere drücken ihre Botschaft schlichter aus, den Grund finden wir bereits im Untertitel:

„Sie müssen gar nicht viel tun, damit sich Ihre Frau wohl fühlt: Sie müssen nur Mann sein“.15 (Armin Fischer: Frauen. Eine Bedienungsanleitung, die selbst Männer verstehen).

Das Männerbild, das in Ratgebern für Frauen gezeichnet wird, und die entsprechenden Ratschläge, wie mit uns Männern umzugehen sei, sind ebenfalls selten schmeichelhaft. Das müssen sie ja auch nicht sein. Aber sind sie zumindest ansatzweise zutreffend? Sind sie hilfreich? Hier einige Kostproben:

Viel zu viele kluge, schöne, erfolgreiche Frauen suchen verzweifelt nach dem Richtigen. Warum? Sie scheitern an dem Irrglauben, dass der Mann ein ebenso komplexes und souveränes Wesen sei wie sie selbst. Weit gefehlt. (Anna Wilde: Wirklich alles über Männer)

Aus meiner Erfahrung gucken Frauen – genau wie Männer – Pornos, um zu masturbieren. Aber auch, um zu lernen. (…) Wir Frauen sind komplexer als Männer. (Erika Lust in Balian Buschbaum: Frauen wollen reden, Männer Sex)

Viele Männer sind immer noch der irrigen Ansicht, dass Frauen keinen Sex mögen. Stimmt nicht. Was Frauen nicht mögen, ist mieser Sex. (Katy Bevan: 100 Sextipps für Männer)

Die allererste Frage, die sich ein Mann stellt, lautet: „Ist sie sexuell interessant?“ (…) Vielleicht haben Sie schon mal zwei Hunde beobachtet, die sich gerade kennenlernen. Als Erstes riechen sie gegenseitig an den Geschlechtsteilen. Danach ignorieren sie sich („riecht uninteressant“) oder sie spielen miteinander („riecht prima“), oder sie gehen aufeinander los („riecht ätzend“). Als Erstes an den Geschlechtsteilen zu riechen, verbietet sich bei zwischenmenschlichen erstmaligen Begegnungen ganz zweifelsfrei, aber Männer ticken ähnlich wie Hunde. (Hauke Brost: Wie Männer ticken)16

Bücher darüber, wie man lernt, Männer zu verstehen und mit ihnen umzugehen, gibt es wie Sand am Meer. Dabei ist es doch so einfach: Männer ticken wie Hunde. Und dies ist nicht nur ein Buch. Dies ist die Antwort auf alle Fragen. (Elke Morri: Herbert Sitz! – Männer sind wie Hunde. Ein Erziehungsratgeber)

Dies ist nur eine kleine Auswahl, mit solchen Passagen ließen sich Bände füllen. Wir könnten darüber lachen, aber es steckt mehr dahinter als schwarzer Humor. Als Anregung und Augenöffner sei auf das empfehlenswerte Buch Das entehrte Geschlecht17 von Ralf Bönt verwiesen.

Es scheint weit verbreitete Bedürfnisse zu bedienen, Männlichkeit und insbesondere männliche Sexualität auf abwertende Weise zu charakterisieren, sonst wären nicht so viele Bücher dieser Art auf dem Markt. Leicht abfällige Bemerkungen über Männer sind inzwischen so verbreitet, dass wir sie oft kaum noch bemerken. Sie beeinflussen uns dadurch aber umso mehr und graben sich in unser Unterbewusstsein ein. Sie lassen uns Männer nicht zuletzt glauben, was uns Lust bereite, sei erst einmal grundsätzlich suspekt.

Viele Männer, die vielleicht nicht nur, aber doch sehr gerne das Eine wollen, werden deshalb enorm kreativ, wenn es darum geht, ihren Wunsch zu verschleiern, allerdings mit nur mäßigem Erfolg, denn jede Frau weiß doch, was wir eigentlich wollen … Männer, die sich gegenüber der Abwertung desensibilisiert haben, nehmen sich einfach, was sie wollen, im Extremfall sogar mit Gewalt. Beide bestätigen auf ihre Weise das Klischee, beide haben keinen Weg gefunden, dem Klischee zu entkommen. Dafür bräuchte es den Mut, sich in seinem Sosein selbst zu bestätigen und den Schmerz der Abwertung zu fühlen und bewusst zu verarbeiten.18 Selbstironie kann allerdings auch schon helfen, wie uns Woody Allen vor Augen führt: Ich habe ein starkes Bedürfnis, in den Mutterleib zurückzukehren. In irgendeinen.19

Wir werden in den Gesprächen einiges darüber erfahren, wie Männer mit Klischees und Erwartungen ringen, insbesondere mit denen, die sich konkret auf ihren Sex beziehen. Auch zu diesen Klischees einige passende Zitate aus der Literatur:

Obwohl der Prozess der Erregung (…) sehr nuanciert ist, (…) wird dies in der Regel nur als wilde Jagd nach dem Orgasmus erlebt. (…) Männer nehmen sich nur selten die Zeit, sich ganz individuellen, aufregenden Wunschfantasien hinzugeben. (…) Stattdessen verlegen sie sich auf erotisches Junkfood.20

Der überbordende Geschlechtstrieb der Männer dient einer klar definierten Aufgabe, nämlich sicherzustellen, dass die Spezies Mensch nicht ausstirbt …21

Das männliche Gehirn verlässt sich auf ein paar effektive visuelle Merkmale, die schnell zu benennen sind. (Für …) die grundlegenden psychologischen Merkmale, derer sich das weibliche Geschlecht bedient, benötigen wir ganze zwei Kapitel. Was dem Mann der Porno ist, ist der Frau der Liebesroman.22

Bei Männern ist die Sache relativ einfach, in der Regel ist es ziemlich offensichtlich, ob ein Orgasmus stattgefunden hat. Bei Frauen ist der sexuelle Höhepunkt eine komplizierte Angelegenheit.23

Die neue Sexualität der Männer? Was um Himmels willen könnte gerade bei Männern neu am Sex sein? Wie alle wissen, haben sie es doch ziemlich einfach. Sie haben nur ein Sexualorgan, das ihnen für alle Welt sichtbar zwischen den Beinen baumelt. Daran ist gar nichts mysteriös oder kompliziert! Und es ist doch auch klar, was Männer wollen und was ihr größtes Problem ist: soviel Sex zu bekommen, wie sie nur kriegen können.24

Leider ist nur das letzte Zitat ironisch gemeint. Männliche Sexualität, so lässt sich zusammenfassen, gilt als deutlich einfacher strukturiert als weibliche.25

Lustvoll Mann sein

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