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WELCH UNVERMUTETER REICHTUM. PERSÖNLICHE VORBEMERKUNGEN

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Der Facettenreichtum und die Vielfältigkeit von Sexualität faszinieren uns. Und wir sind Männer. Damit beginnt die Geschichte dieses Buches. Doch bevor wir ins Thema einsteigen, möchten wir uns kurz vorstellen. Wer sind wir? Was bewegt uns, dieses Buch zu schreiben? Wie gingen wir vor und wie ist es uns bei der Arbeit an diesem Projekt ergangen?

Saleem Matthias: Nicht nur beruflich, sondern ganz unmittelbar und persönlich bewegt mich schon lange die Frage, wie ich mein Mannsein und meine Sexualität lebe. Schon mit Anfang zwanzig zog es mich in Männergruppen, und meine Diplomarbeit „Emanzipatorische Männergruppen in der sozialen Arbeit“ in den frühen Achtzigerjahren hätte eigentlich mein erstes Buch über Männer werden sollen. Leider – oder zum Glück – wurde daraus nichts. Zum Glück, sage ich heute, denn damals war ich in meinem jugendlichen Leichtsinn der Ansicht, Männer müssten einfach durch eine Art Umerziehung von ihrer patriarchalen Konditionierung befreit werden, um zu sozialkompetenten und liebenswerten Geschöpfen heranzureifen …

Heute sehe ich das etwas anders, betrachte mich und meine Geschlechtsgenossen mit mehr Einfühlung. Die unterschwellige Verachtung, mit der ich damals Männer – und damit letztlich auch mich selbst – bedacht habe, wurde mir erst Jahre später bewusst. Und nicht zuletzt die Lektüre mancher anderer Männerbücher machte mir klar: Ich will kein weiteres Lehrbuch schreiben, das Männern erklärt, wie aus ihnen wahre, neue, wilde, integrale oder sonst wie libidinös qualifizierte Männer werden. Obwohl ich heute durch meine Tätigkeit im Bereich Sexual- und Paartherapie sowie Tantra2 als Experte für Fragen rund um Liebe, Sexualität und Partnerschaft gelte, fühle ich mich nach wie vor als Suchender. Ich beanspruche nicht, gültige Antworten geben zu können, was wahres Mannsein bedeutet, was Männer zu lernen hätten und schon gar nicht, wie Männer ihre Sexualität psychosexuell, genderpolitisch und spirituell korrekt leben sollten. Meine Haltung in diesem Buch entspricht der in der von mir gegründeten Schule des Seins3: Ich biete einen Erfahrungsraum an, in dem Sie selbst am besten spüren können, was Sie auf welche Weise berührt, und Sie selbst entscheiden, wie Sie damit umgehen, welchen Impulsen Sie weiter nachgehen wollen und wie Sie das tun.

Aufgrund dieser Grundhaltung wollte ich in diesem Buch nicht in erster Linie durch meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse4 inspirieren, sondern unterschiedliche Männer zu Wort kommen lassen, die sich auch bereits intensiver mit ihrem Mannsein und ihrer Sexualität beschäftigt haben. Da gab es in meinem Umfeld einige, aber bewusst suchte ich auch Männer, die sich auf ganz andere Weise entwickelt und gewissermaßen fortgebildet haben. Keine dieser intensiven und berührenden Begegnungen möchte ich missen. Es waren tatsächlich keine Interviews, wie wir sie in unserer Konzeption noch genannt hatten, sondern intime Gespräche, die jeweils ihren ganz eigenen Verlauf nahmen. Ich legte Wert darauf, die Gesprächspartner nicht als Stichwortgeber für unsere Thesen zu missbrauchen, sondern sie in ihrer Eigenart spürbar werden zu lassen. Ich hoffe sehr, dass uns dies gelungen ist, denn wie langweilig und blutleer sind allgemeingültige Thesen im Vergleich zum leibhaftigen Leben.

Aus einem ähnlichen Grund, nämlich nicht zu sehr in meinen persönlichen Perspektiven gefangen zu bleiben, wollte ich dieses Buch nicht alleine verfassen – nicht ahnend, was mir da blühte. Aus einem anfänglichen Triumvirat kristallisierte sich das Duo mit Rainer heraus, der bei mir schon viele Kurse besucht und später auch assistiert hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich so herausfordert, in meinen Gedankengängen nichts als selbstverständlich vorauszusetzen, sondern immer wieder ohne Vorbehalte hinzuschauen, wie mann das alles auch ganz anders sehen kann. Ja, es gab auch Konflikte, aber insgesamt ein erstaunlich hohes Maß an Verständigung, vor allem wenn ich bedenke, wie verschieden unsere Hintergründe sind. Ich bin froh darüber, wie sehr unsere Zusammenarbeit dieses Buch bereichert hat, und auch über die Freundschaft, die daraus erwachsen ist.

Rainer: Als ich hörte, dass Saleem Interviewer für Gespräche rund um das Thema Männer und Sexualität sucht, wusste ich gleich: Da will ich dabei sein. Seit einigen Jahren schätze ich die seltenen Gelegenheiten sehr, unter Männern sowohl persönlich als auch explizit über Sex zu sprechen. Ausführliche Interviews hatte ich in meinem Leben schon viele geführt und ausgewertet, allerdings nicht zu solch intimen Themen, sondern zum besseren Verständnis politischer Akteure.

Im Mittelpunkt meiner Männerfreundschaften stand 30 Jahre lang das politische Engagement, manchmal auch der gemeinsame Sport. Meinen ersten Männerworkshop – das Thema hieß „Lustvoll Mann sein“ – habe ich vor allem deshalb besucht, weil ich meiner Partnerin kein gemischtes Tantraseminar zumuten wollte. Aber dann: welch unvermuteter Reichtum! Es waren unglaublich mutige und auch unglaublich traurige Erlebnisse von Männern, an denen ich Anteil nehmen durfte. Tief berührende Erfahrungen von Nähe, auch körperlicher Nähe. Ich entdeckte nicht nur tantrische, sondern erstaunlicherweise auch kirchliche Männergruppen5 als Kraftquelle für mich. Meine Männerfreundschaften wurden intensiver und persönlicher, wenn auch der Austausch zu Sex und Beziehung als gemeinsames Interesse hinzukam.

Sex ist für mich immer noch ein sehr emotionales Thema. Die Arbeit an diesem Buch war deshalb ganz anders, als ich es aus meinem bisherigen Schreiben von politischen und soziologischen Texten kannte. Schon manche Interviews (verbunden mit intensiven Vor- und Nachgesprächen) haben mich kräftig durchgerüttelt und mein Leben immer wieder stärker geprägt als erwartet. Und dann erst die Zusammenarbeit mit Saleem! Ich habe nicht geahnt, auf welche Herausforderung ich mich einließ, als ich aus der Rolle des Interviewers und Beraters langsam in die Rolle des Koautors hineinwuchs. Schrittweise wurde mir klar, welch unterschiedliche Erfahrungen gerade auch zum Thema Beziehung und Sexualität uns prägen und welch unterschiedliche Weltsichten wir haben. Welche Auswertungsschwerpunkte zu den Interviews setzt ein staunender Spätstarter zu den Themen Männerrolle und Männersexualität, welche ein Männerbewegter der ersten Stunde? Wie finden ein Gewerkschafter und ein Tantralehrer gemeinsame Thesen zur gesellschaftlichen Männerdiskussion? Für solche Diskussionen hatten wir eine gute Basis als zwei Männer, die sich persönlich sehr mögen und beide unendlich neugierig sind auf den Facettenreichtum männlicher Sexualität. Aber manchmal fühlte ich mich doch als Eindringling im Territorium eines anderen Alphamannes.

Es war eine harte, aber auch eine beglückende Erfahrung, dass wir die in diesen Diskussionen hochkommenden Gefühle nicht männertypisch in Treibstoff für Positionskämpfe umgewandelt haben, sondern uns für die dahinterstehenden Unterschiede, Unsicherheiten und Tabus ernsthaft interessiert und sie wieder für den Text fruchtbar genutzt haben. Wir sahen unsere Unterschiedlichkeit auch als wichtige Ressource für ein Buch an, das für ein breites Spektrum von Lesern interessant sein soll. Gleichzeitig war uns an einem einheitlichen Guss gelegen, für den wir unsere Arbeitsteilung gewählt haben: Einerseits haben wir um manche These und auch um einzelne Formulierungen gerungen, andererseits prägen Saleems Ideen und Impulse das Buch. Der überwiegende Teil des von uns erarbeiteten Textes stammt aus seiner Feder. Am Ende schaue ich stolz auf dieses gemeinsame Werk und bin erstaunt: Dass ich in meinem Leben noch an einem Männerbuch mitschreibe, das hätte ich nie gedacht.

Auch unsere Gesprächspartner sind wichtige Mitautoren, die allerdings überwiegend anonym bleiben. Ihnen allen gebührt unser besonderer Dank für ihren Mut, sich so weit zu offenbaren.

Doch nun soll es losgehen. Riskieren Sie mit uns einen Blick in die Tiefen und Untiefen männlicher Sexualität. Wir wünschen Ihnen eine anregende und berührende Lektüre und freuen uns über Ihre Rückmeldung.

Saleem Matthias Riek und Rainer Salm,

Sölden und Stuttgart im September 2014

Lustvoll Mann sein

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