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Rosa, die schöne Schutzmannsfrau

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Kennt ihr die trüben Stunden, wo der Schutzmann stundenlang nachts im Regen steht, während seine Frau –?

Aber ganz anders war Rosa, die bildschöne Schutzmannsfrau. Warum? Warum war sie so anders? Es lag gewiß nicht an den Umständen; es lag in ihr drinn. Und ganz gewiß nicht an ihrem Manne, einem Burschen von altem – sagen wir, Schrot und Korn, den Rosa liebte. Aber ein bessrer Frauenkenner (mit Glück im Auge) sagte mir mal: die Frau ist ein holdes Geheimnis. Und als ich ihm nicht Unrecht gab, setzte er hinzu: entschleiern Sie sie nur äußerlich, nie seelisch! Dann sagte er noch was von Schiller, ein Zitat, ich habe es vergessen, es wird mir unvergeßlich sein! Inzwischen ging Rosa aus, und – glauben Sie mir! – sie ging so schön, daß einem uralten Invaliden das Maul aufschnappte, worauf auch seine Pfeife invalide wurde. Rosa ging über naßspiegelnden Asphalt; sie ging durch eine prachtvolle Passage, sie überschritt mit hochgerafftem Rock den Fahrdamm. Und an der Ecke stand der Mensch, der sie liebte, nicht ihr Mann, aber auch ein Mann.

Diesem Mann drang beim Anblick der duftig daherschreitenden Rosa (sie ging nicht wie Damen einig mit sich selbst, auch nicht wie Halbweltlerinnen problematisch, erst recht nicht wie das viel zu bekannte Mädchen aus dem Volke, wissen Sie, drall und allegro; sondern ging, ich kann es nicht anders sagen: wie das Gehen selber in eigner Person) drang also eine Träne ins Auge. Verführerischer wäre im allgemeinen ein Monokel gewesen, aber das erzieht zur Selbstbeherrschung, und der Mann hatte weder sie noch es. Rosa bemerkte nicht sobald den Mann, als sie auf ihn zueilte und eifrig auf ihn einsprach:

«Alles würd’ ich für Sie tun, alles! Sagen Sie nichts, ich verstehe Sie. Aber Sie verstehen mich nicht, Sie ahnen nicht, was ich leide – und wie glücklich ich trotzdem bin. Sagen Sie nichts! Mein Mann hat Dienst, es regnet, er steht in der Nässe, ist Schutzmann. Es ist nicht das! Aber ich komme nicht drüber weg. Ach! Ich bin ihm noch treuer, wenn er nicht bei mir ist. Ich weiß, Sie lieben mich. Es ist keine Gefahr – oh mein Gott! Wir könnten uns besitzen... Gewiß! und es ist mir innerlich unmöglich: nicht als Ehe-, sondern als Schutzmannsfrau. Ich liebe Sie – wenn Sie das tröstet! Mich kann nichts trösten, ich bin schlimmer dran als eine Nonne, denn die kann ihr Gelübde abschwören, ich bin durch mich selbst gebunden.»

Ich erinnere mich, daß der Mann zwei Beine hatte, die gerieten während der Worte Rosas in ein eigentümliches Zappeln. Bald stand er auf dem rechten, bald auf dem linken, er nahm auch den Hut ab und fuhr mit der Hand durch sein reiches, volles, brünettes Haar. Er stand seelisch auf dem Kopf, er seufzte wie ein träumendes Waldvögelein, schlug sich mit dem Spazierstock auf die Waden, rollte die Augen wie Nero beim Brande Roms. Indem schloß Rosa so:

«Begreifen Sie mich doch! Ich habe ja schon als kleines Kind, wenn ich einen Schutzmann sah, Konvulsionen bekommen. Ich weiß doch nicht, ob es allen so geht? Mein Gewissen läßt mir keine Ruhe, diese Uniform erst macht mich zum Weibe, zu etwas Weichem, Bleichem, Zitterndem, Überwältigtem.»

Dem Manne ging ein Licht auf, er ahnte so was wie die Geburt der Uniform aus dem Geiste der Erotik. Dann fragte er plötzlich eiskalt:

«Und wenn ich hinginge und wagte es und zöge mir so eine Uniform an? Und sage: was hat denn dein Mann vor dem Rest voraus?»

Rosa zog ihre Venusnase krumm: «Vorher rein gar nichts – aber jetzt alles, alles! Als ich einen nahm, war’s mit allen andern aus – ja, selbst wenn er uns den Gefallen täte und mich zur Witwe machte – das könnte ich nicht mehr vergessen! Es ist ja keine Liebe, Liebe ist ja dagegen was Blödes, ich bin diese bestimmte Schutzmannsfrau aus allen Leibes- und Seelenkräften. Ich bin’s und bleib’s.»

Der Mann taumelte wie Goliath, als er von Davids Schleuder getroffen... na, Sie wissen ja. Er fiel aber nicht hin, er schrie so laut, daß ein Schutzmann herbeikam. Er schrie wie ein Tobsüchtiger: «Aber das ist ja Wahnsinn! Das muß man ja in der Hypnose wegsuggerieren lassen! Das ist ja irgend was psychoanalytisch ganz leicht zu Ermittelndes. Ih da muß ich doch gleich mal an Freud selbst nach Wien –»

Weiter kam er nicht, eine der fast jedem Inländer wohlbekannten schweren Hände legte sich auf seine zuckende Schulter: «Das werden Sie nicht!» sagte Rosas Eheschutzmann, er war es nämlich. «Sie werden sich gefälligst ruhig und sittsam entfernen. Um meine Frau ist mir nicht bange. Die liebt jeder, und sie liebt jeden. Widerstände gibt’s da nicht in der Liebe. Sie ist jung, schön und feurig – sehn Sie ja! Es steckt aber in ihr! Haben Sie ja gehört. Und nu Schluß! Ich bin oft nicht zu Hause, ich kann Sie ja nicht hindern – aber ich bin eben stärker vor Hörnern beschützt. Sie würde die Ehe ohne weiteres brechen, aber nicht diese; die ist durch das, was Sie eben Wahnsinn genannt haben, so gesichert, daß ich selbst – es kommen einem ja manchmal so Gedanken – es nicht ändern könnte. Nanu Adieu!»

Er marschierte mit Rosa ab. Der Mann wie benommen in der konträren Richtung. Er hat Rosa nie wiedergesehn. Er hat sich die Liebe zu ihr nie aus dem Herzen reißen können. Es war noch viel später (in Straßburg vorm Münster), als er trüb vor sich hin murmelte: «Rosa, du holdes Geheimnis! Du Sphinx aller Gendarmerie!»

«Mensch», sagte jemand, als ich ihm das erzählte, «pfui! Verdräng deine Vorstellungen geschickter!» Ach ja! Über die Sphinx sollte jeder den Mund noch besser halten als sie selber. «Und nennen Sie mein Maul nicht Mund!» unterbrach die Sphinx ihr meilenlanges Schweigen.

Rosa, die schöne Schutzmannsfrau

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