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Von der Wolke, welche so gern geregnet hätte

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Ach! Wie zufrieden war die Welt. Gelber Sonnenschein lag wie Eiersauce überall ausgegossen. Die Kühe grasten, der Himmel war ein einziges breites Lachen. Eine Menge Rosenlauben plauderten mit der leichten Luft ins Gelage hinein. Greise wandelten mit sanften grauen Köpfen. Alte Frauen falteten die Hände überm Schoß und saßen da, wie aus Lebkuchenteig gebacken. Und ein ganz kleines, unschuldiges Kind nieste in einer so allerliebsten Weise, daß ein Huhn in die Höhe flog und nervös zu gackern begann, alles war im Einklang, selbst ein Trunkener, der hin und her torkelte, wirkte so verzeihlich, so glücklich, so idyllisch, daß ohne ihn an allem noch das Beste gefehlt hätte.

Da zog hinterm Berge leise und langsam, wie sich selber besinnend und halb zögernd, von einem zahmen Winde getrieben, eine lose hellgraue Wolke auf. Sie warf ihren matten Schatten über alle die fröhlichen Dinge unmerklich mißmutig hin, und mit diesem Schatten dachte sie selbst über das ganze Glück dieser schönen Gegend nach. Ihre Gedanken liefen aber alle darauf hinaus: Wo könnte ich am passendsten niedergehen? Mit gleichgültiger Trauer in ihrem suchenden Blick streifte sie über alles weg; der Wind stieß sie aufreizend an und blies in ihre hohlen Ohren: hier, hier, hier! Aber sie ließ sich nicht beirren, sondern suchte, suchte. Selten gab es eine so zweifelnde, so überaus gewissenhaft abwägende Wolke. Soll ich oder soll ich nicht, schwankte sie fortwährend und wurde bald dünner, bald dichter. Unten streckte Rentner Lebehoch seine kluge Hand aus und rief dem Bäcker Dudelsack mit wohlsituierter Stimme zu: Herr Nachbar, das gibt keinen Zuckerguß. Die Wolke versuchte, wie man an ihrem Schatten merkte, flüchtig zu lächeln; sie putzte gerade der Sonne die herrliche Nase; wobei die Sonne mit den Augen blinzte, so daß die ganze Gegend mit einem Male aussah, wie wenn sie einen geistreichen Einfall hätte; bald darauf war sie wieder glücklich wie das Schlaraffenland. Nur unglücklich fühlte sich die Wolke mit ihrem zaudernden Willen, niederzuregnen. Eine nachdenkliche Wolke ist sehr selten. Das ganze Geheimnis, zu regnen, besteht ja eben bloß darin, daß man resolut, so stark man gerade kann, niederregnet, ohne sich – das ist die Hauptsache! – aus der Wirkung auf das zu Beregnende etwas anderes zu machen als eine lustige Kurzweil oder einen lustigen Zorn. Gekitzelt wurde wohl die Wolke zu jenem, gestachelt zu diesem; aber mit ihrem Schatten alles Untere zart berührend und prüfend, erhielt sie sich in ihrem grämlichen Gleichgewicht. Weder die glatten, schimmernden Rücken der Kühe, die sie sanft mit ihrem Dämmer streichelte, noch das kleine Kindchen im Wagen, dem sie die helle Stirn ein wenig trübte, noch Pastor Blotegel, der stets ein wahrer Festschmaus für hungrige Wolken war, lockten sie zur Auflösung. Sondern, angesteckt vom allgemeinen Frieden, begann die Wolke sentimental zu werden: sie genoß und sog in sich ein dieses ganze Idyllische allenthalben und empfand als den einzigen Störenfried allein nur sich. Sie sah die Kuh Klaudine und erschrak bei dem bloßen Gedanken, diesem ehrwürdigen Tier die Douche geben zu sollen. Der Wind, der Mephistopheles der Wolken, war außer sich: Gemüt bei einer Wolke, zischelte er, ist wie Käse in Form eines Maiglöckchens. Die arme Wolke wurde düster und ließ aus Zerstreutheit dem Blotegel einen Tropfen auf die Nase fallen, so daß dieser aufsah und salbungsvoll sprach:

«Oh himmlisches Naß, verschone noch deinen Diener, bis daß er den Fußsteig über den Bach zu seinem Hause zurückgelegt!»

Sie ließ ihn hinübergehen und stand eine Weile still, ein kleiner Blitz fuhr in ihr Auge und verschwand, sanftmütig setzte sie ihren trostlosen Weg fort. Man glaubt ja immer, die Sonne kümmere sich um nichts und lasse ihr Licht leuchten, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen, wohin es falle. Das ist Aberglaube. Zum Beispiel die Wolken kennt die Sonne alle beim Namen. Wie oft macht sie sich ein Vergnügen daraus, sie an den Haaren zu sich emporzuheben, sie zu küssen, um sich an ihrem Naß den Durst zu löschen und sie dann wieder loszulassen. Die Sonne, die sich heute besonders wohl fühlte, faßte die Wolke zart an, aber durch diese ging ein Schauern, sie schmiegte sich dicht an sie an und bat: liebste Tante, du bist vielleicht mit daran interessiert, daß ich diese glückliche Gegend unten nicht einmansche. Bitte, darf ich ausnahmsweise einmal nach oben regnen?

Da lächelte die Sonne so sehr, daß der Wind seine Flügel faltete und still wie eine Eule am Tage dasaß. Und holte aus ihrer Tasche einen strahlenden Kamm: Frisiert mußt du werden, mein Töchterchen, ehe du in den Himmel hinaufgehst. Und sie kräuselte ihr das feuchte Haar in zierlich rieselnde Wellen, streute auch das feinste Flimmern darauf aus, von unten war es so schön anzusehen, daß alle Schulkinder die Nasen sehr hoch hoben: dies war der letzte Anblick, den die Wolke hatte, der sie auch zu Tränen rührte: so geriet sie denn in immer tieferes Weinen, löste sich ganz darin auf, tat noch einen himmlischen Atemzug und floß in diesem durch das Sonnenlicht ganz verklärt in den blauesten Himmel hinauf. – Wolken sind sehr selten so gefühlvoll.

Rosa, die schöne Schutzmannsfrau

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