Читать книгу Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler - Страница 11
Оглавление5. Free Music – aber bitte britisch!
Blackhill präsentierten die Floyd, doch es zeigten sich Risse im Gefüge des Psychedelic-Acts. Die Band musste sich zögerlich von Syd Barrett verabschieden und ihn durch David Gilmour ersetzen. Andrew und Peter hatten Syd mit ihrer Manager-Energie „aufgeladen“ und ihm das Gefühl gegeben, er sei das Genie von Pink Floyd. Sie glaubten wahrscheinlich, dass die Gruppe ohne ihren charismatischsten Musiker kaum mehr eine Erfolgschance habe.
Syd wurde zu einem Fall für den Psychiater, was viele Menschen heute noch zutiefst bedauern, und der Rest, ist wie man so schön sagt, Geschichte.
Blackhill vertraten auch Marc „T. Rex“ Bolan bis zu seinem viel zu frühen Tod. Mit einigen ihrer Künstler hatten sie jedoch Pech. Bands zu managen erschien mir oft wie ein Glücksspiel, ein Geschäft, bei dem man den Ausgang nie hundertprozentig voraussagen und kontrollieren konnte. Einige Jahre später stellte sich meine Beobachtung als wahr heraus – was mich verdammt viel Geld und Nerven kostete.
Doch damals waren wir noch idealistisch, optimistisch und begeisterungsfähig. Was kümmerte uns schon die nächste Woche, ganz zu schweigen vom nächsten Jahr? Das Leben fand jetzt statt, und nur das zählte.
Blackhill hatten einen geschickten Vertrag ausgehandelt, um in Londoner Parks Festivals zu veranstalten. Mir überließen sie den Job des Produktionsleiters vor Ort, der sich um die ganze Drecksarbeit kümmern musste, da die Typen im Büro ja viel zu beschäftigt waren. Queen Elizabeth II (Gott segne sie!) war praktisch die Eigentümerin aller Parks in der Stadt. Eine Regierungsstelle verwaltete die grünen Lungen im Londoner Mief. Ich kümmerte mich um die banalen Dinge, wie den Bühnenaufbau, die Abfallentsorgung, die Zufahrtswege für Transporter und Tausende anderer langweiliger, aber dennoch wichtiger Einzelheiten.
Ohne großartige Erfahrungen gemacht zu haben, gelangen uns wunderschöne Veranstaltungen. Die britische Art, sich Problemen mit der Würde eines Gentlemans zu stellen (und eine gelegentliche Haschpfeife zur Nervenberuhigung durchzuziehen), reichte meist aus, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Das überraschte die Anzugträger der Verwaltungsstellen, während wir zufrieden – und stoned – lächelten.
Es begann alles mit einer Show, „The Midsummer High Weekend“ betitelt, bei der Roy Harper, Jethro Tull und Tyrannosaurus Rex mit Pink Floyd als Headliner auftraten. Die Parkverwaltung (Royal Parks Commission) erteilte uns mutig die Genehmigung für das Festival. Erstmalig war es gelungen, dass jemand aus dem „Underground“ auf offizieller Ebene mit Regierungsvertretern zusammenarbeitete.
Diese Show brachte Blackhill Anerkennung von allen Seiten ein. Gleichzeitig stellte es die ideale Promotion-Plattform für die eigenen Künstler dar. Bemerkenswert ist die Tatsache (und gleichzeitig ist es ein interessanter Zufall), dass Pink Floyd bei der 68er Hyde-Park-Show David Gilmour als Nachfolger von Syd Barrett präsentierten, wohingegen die Stones am selben Ort, ein Jahr darauf, den Ersatz für Brian Jones vorstellten.
Doch nicht alle Blackhill-Shows wurden zu einem gigantischen Erfolg. Ein Konzert mit Fleetwood Mac in den Parliament Hills entwickelte sich zu unserem größten Fehlschlag. Viele erinnern sich noch an den Auftritt – nicht wegen der Musik, sondern wegen Tausender Biergläser, die auf die Bühne herabregneten. Fleetwood Mac – damals noch eine stilechte Blues-Band – waren spielbereit, als ich zum Mikro ging, um sie anzusagen. Nach den letzten Worten prasselten Biergläser auf uns ein, geworfen von Mods, die sich unter die Menge gemischt hatten. Was folgte, war ein schneller Rückzug zur einzigen Ausgangstür der Bühne, die sich hinter Mick Fleetwoods Schlagzeug befand. Er fand es nicht sonderlich amüsant, dass alle über sein Drum-Set kletterten, aber es gab nun mal keinen anderen Weg. Ein Wunder, dass niemand verletzt wurde!
Nachdem man die Glassplitter von der Bühne gefegt hatte, näherte ich mich vorsichtig dem Mikro, wobei ich ein wachsames Auge auf die Menge hatte. Ich versuchte an ihren angeborenen britischen Sinn für Fair Play und Ruhe zu appellieren. Ich rief die Menge auf, die aus Rockern der alten Schule, Mods und Kiffern bestand, einander lieber in die Arme zu nehmen und fest zu drücken, anstatt mit Gläsern zu werfen. Diese aus heutiger Sicht absurde und naive Bitte wirkte wahre Wunder, und so spielte eine verängstigte und nicht sonderlich glücklich wirkende Band ein kurzes Set – und überlebte! „Liefer den Scheiß ab, und dann nichts wie weg!“ Kurz darauf zog der in Großbritannien geborene Mick Fleetwood nach Los Angeles, wo er vermutlich mit einer eher zivilisierten Reaktion auf seine Musik rechnen konnte.
Die anderen Festivals liefen stressfreier ab. Wir hörten von einer neuen Supergroup, die sich gegründet hatte und schon einiges an Vorschusslorbeeren erhielt. Die Gitarrenlegende Eric Clapton und der Drummer Ginger Baker (beide von Cream), Sänger und Organist Steve Winwood (vorher bei Traffic und der Spencer Davis Group) und der Bassist Ric Grech von Family hatten Blind Faith ins Leben gerufen. Als Manager fungierte der einflussreiche und mächtige Robert Stigwood, der schon Clapton und Baker bei Cream betreute. Peter und Andrew gelang es, Stigwood zu überzeugen, dass der beste Start für Blind Faith ein Free Concert im Hyde Park war.
Mr Stigwood hatte jedoch eine merkwürdige Einstellung zu dem Wort „Free“ [u.a. „kostenlos“], denn sein Büro rückte nur zögerlich die Gelder raus. Mir wurde ein Budget zugeteilt, mit dem man höchstens die Mahlzeiten für einige Obdachlose bezahlen konnte, von einer Riesenshow ganz zu schweigen. Doch die Idee, die Ersten zu sein, die Blind Faith präsentieren, begeisterte uns so sehr, dass wir tapfer weitermachten.
Irgendwie gelang es uns, eine kleine Bühne zu zimmern, ungefähr einen Meter hoch. Mit Erleichterung hörte ich am Morgen des Konzerts den Wetterbericht, die einen sonnigen und warmem Tag versprach. Denn wir hatten nicht genügend Geld zur Verfügung gehabt, um die Bühne wenigstens mit einer Plane zu schützen. Bis auf das fehlende Schlagzeug lief alles wie am Schnürchen. Das wurde in letzter Minute auf eine eher ungewöhnliche Art angeliefert.
Ein LKW fuhr bis an den Bühnenrand, und vier fette, kräftige Roadies luden das Drum-Set ab. Es war schon komplett aufgebaut und auf einer dicken Sperrholzplatte festgenagelt worden! Die Roadies zerrten dieses Monstrum aus dem LKW und wuchteten es mit der Kraft von vier Supermännern auf die Bühne. Ginger musste sich nur noch hinsetzen und spielen. Eigentlich hätten sie ihn auch mittransportieren können! Bei Ginger Baker, einem wilden Typen mit einer knallroten Mähne, war einfach alles denkbar.
An diesem glorreichen Sonnentag tauchten viele Größen aus der Musikszene auf, die sich hinter der Bühne sonnten – und Mick Jagger schlenderte mit Marianne Faithfull über das satte Grün des Rasens.
Die Stones hatten schon seit fast drei Jahren keine groß aufgemachten Shows mehr gespielt und spürten, dass sie Gefahr liefen, bald von der Bildfläche zu verschwinden. Bei dem Blind-Faith-Konzert konnte Mick aus nächster Nähe erleben, dass der Weg für seine Band auch in einem kostenlosen Gig bestand, denn so konnten sich die Stones vor vielen Zuschauern neu etablieren. Damals war „Free“ ein wunderbares Statement, denn die Musik stand vor dem finanziellen Imperativ. Dadurch wurde der zunehmenden Kommerzialisierung der Musikszene widersprochen. Wir führten eine lange und ernste Unterhaltung über die logistischen Hürden, die man bei einem solchen Konzert nehmen muss. Mick hasste die Bühne, die wir so schnell zusammengezimmert hatten, und ich pflichtete ihm bei. Wir einigten uns darauf, dass eine feste Plane absolut notwendig war, denn in Großbritannien ist man vor Regen nie geschützt – auch nicht an einem scheinbar heiteren Sommertag. Mir blieb nichts anderes übrig, als Mick und Marianne wiederholt zu erklären, dass ein Free Concert Kosten verursacht, weil Produktionskosten anfallen. Mick nickte mit bedächtiger Miene. Ich sagte ihm, dass er mich jederzeit über meinen Freund Alexis oder Blackhill erreichen könne. Dann machte er sich auf den Weg, in ein Gespräch mit Marianne vertieft. Als kleinen Wink für Mick spielten Blind Faith an dem Tag die Stones-Nummer „Under My Thumb“.
In vielerlei Hinsicht war die Show ein Durchbruch. Ein Free Concert dieser Größenordnung hatte niemals zuvor stattgefunden. Die Band wollte sich nicht ansagen lassen, da es rein um die Musik ging und nicht um dümmliche Ego-Trips. Die Leute saßen im Gras, kifften und ließen es sich gut gehen. Niemand wurde verhaftet, denn die Polizei entschied sich klugerweise, den Drogenkonsum zu ignorieren. 150.000 Menschen genossen einen wunderbaren Tag, und das Konzert wurde von allen als ein Riesenerfolg gefeiert.
Doch leider war die Musik nicht sonderlich gut. Die Band hatte hörbar zu wenig geprobt, und Clapton sah bleich aus, wirkte zurückhaltend und schien sich mit Drogenproblemen abzuplagen. Winwood sang den Großteil der Stücke mit seiner überaus kräftigen Stimme, sah aber so spindeldürr aus, dass ich ihm am liebsten ein ordentliches Essen zubereitet hätte. Ric Grech, der Bassist, saß im falschen Zug, und Ginger Baker spiele ein 15-minütiges Schlagzeugsolo, ganz nach seinen Wünschen. Die Band wirkte wie Cream, Teil 2, was Clapton eigentlich unter allen Umständen vermeiden wollte.
Auf das Debüt folgte eine US-Tour, und danach löste sich die Band einfach auf. Es überraschte mich nicht. Blind Faith stellten das perfekte Beispiel für die Devise „Schnapp dir die Kohle und hau ab“ dar, bedenkt man den Riesenerfolg ihres einzigen Albums. Schade und traurig. Sie verfügten über ein großes Potenzial, aber man hätte ihnen noch mehr Zeit geben müssen, um interessantere Songs zu komponieren.
Am Tag nach dem Konzert schrieb der Daily Mirror, eine der größten Tageszeitungen Großbritanniens, in einem Leitartikel: „In wenigen Ländern gelingt es über 100.000 Jugendlichen, so friedvoll zusammenzukommen und der Polizei keine Schwierigkeiten zu bereiten. [Es war] eine der bedeutendsten und liebenswürdigsten Versammlungen junger Menschen, die das Land jemals gesehen hat.“ Natürlich bedankten sich weder das Management oder die Musiker, doch das war uns egal. Wir hatten etwas bewiesen. Free Concerts in Londoner Parks konnten problemlos stattfinden, denn das Publikum interessierte sich für die Musik und wusste, wie man sich benimmt. Einfach, nicht wahr?