Читать книгу Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler - Страница 14

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8. Allen Klein? Nein, danke!

Ungefähr einen Monat später traten die Stones erneut in mein Leben. Mick versuchte sich in Australien als Schauspieler in dem Film Ned Kelly. Bob Dylan sollte in wenigen Tagen auf der Isle of Wight auftreten, und einige der Stones wollten sich das Konzert anschauen. Jo Bergman fragte, ob ich die Musiker begleiten würde, nichts Offizielles, alles eher diskret. Ich mochte das Festivalgelände und kannte die Gunnell-Brüder, die alles veranstalteten. Natürlich sagte ich ohne zu zögern zu.

Dylans Set beeindruckte mich nicht. Nach einer Verzögerung trat zuerst The Band auf und spielte als Vorbereitung auf ihren Chef eine 45-minütige Show, die das Publikum kaltließ. Dann erschien Dylan auf der Bühne. Man hatte den Eindruck, als entschuldige er sich für seine Musik. Dylan spielte nicht einmal eine Stunde, und nach dem Ende des Gigs bedachte ihn das Publikum mit eisigem Schweigen. Durch seinen weißen Anzug sah er wie ein klassischer Verkäufer aus. Er schien sich nicht wohlzufühlen. Vermutlich hatte er einige der Beatles und der Stones in der Menge entdeckt, was ihn wohl einschüchterte. Nach zwei schwachen Zugaben verzogen er und The Band sich wie verschreckte Kaninchen.

Die „große weiße Hoffnung“ im edlen weißen Anzug hatte einen zahmen und zahnlosen Gig hingelegt. Die Leute erinnerten sich immer noch an die aufgepeitschte Stimmung, die er auf der Tour vor drei Jahren an den Tag gelegt hatte; und im Vergleich dazu fehlte dem neuen, eher „laid-back“ agierenden Dylan eindeutig der Biss. Mit sichtlichem Spaß stellte er seinen Status als „Musik-Gott“ selbst in Frage und frustrierte das Publikum; die Bühne hatte er wie ein Autoverkäufer aus Nashville betreten.

Nach dem Schlamassel wollten die Stones und einige Freunde noch in einem Restaurant am Ort essen, doch das war leichter gesagt als getan. Jedes halbwegs anständige Etablissement war ausgebucht, doch nach einigen verzweifelten Anrufen und mit Hilfe der Gunnell-Brüder fand ich ein Lokal. Ich hatte meine ersten Pluspunkte gesammelt!

Wir aßen langsam und bedächtig und bestellten ständig weiter zu essen und zu trinken. Ich verbrachte eine nette Zeit mit einer Unterhaltung mit Charlie Watts. Später diskutierten wir über die Friedensbewegung, wobei die sarkastische Frage aufkam, welche Bands sich trauen würden, in Vietnam aufzutreten. Am Ende des Essens, die meisten waren sturzbesoffen, bat ich um die Rechnung. Es entwickelte sich ein heftiger Streit mit dem Besitzer, der den Preis für unsere kleine Party offensichtlich, ohne mit der Wimper zu zucken, viel zu hoch angesetzt hatte. Nach einer hitzigen Diskussion fand ich mit dem Typen einen gemeinsamen Nenner, was alle zufriedenstellte.

Wieder in London, lud mich Jo Bergman zum Dinner ein. Wir unterhielten uns über die geplante US-Tour der Stones. Jo verpflichtete mich zur Verschwiegenheit und erzählte, dass sich Mick zufolge Ronnie Schneider bei der Tour um das Finanzielle kümmern sollte. Die Einnahmen der Abendkasse wurden also nicht an Allen Kleins New Yorker Büro weitergeleitet, sondern gingen direkt an die Stones.

Zu der Zeit managte Klein sowohl die Beatles als auch die Stones und hatte sich mit dieser Aufgabe ganz offensichtlich übernommen. Die Stones hatten die Nase gestrichen voll von den ganzen Streitigkeiten, was das Geld anbelangte, und beharrten darauf, die Abendkasse zu kontrollieren. Schneider war Kleins Neffe und verließ ihn zwei Wochen vor der Zusage bei den Stones, weil er sich von nun an exklusiv um die Finanz­angelegenheiten der Band kümmern wollte. Ich wusste nichts von den internen Absprachen, weil es kaum einen diskreteren Menschen als Jo gab, und mal ehrlich – das Ganze ging mich auch nichts an.

Die neue Vereinbarung brachte große Schwierigkeiten mit sich, wie Jo erklärte. Klein hielt sich im Moment in London auf, und man hatte ein Meeting angesetzt. Keith wollte sich mit ihm im Büro in der Maddox Street treffen. Ich sollte ihn abholen und als Zeuge am Gespräch teilnehmen. Ich freute mich auf den Moment, diese Konfrontation, die in die Rock’n’Roll-Geschichte eingehen sollte. Ahnte Klein wohl, was ihm bevorstand?

An dem besagten Tag klopfte ich an Keiths Tür und wurde von einem argwöhnisch dreinblickenden Mann empfangen, dem ich den Grund meines Besuchs erklärte. Ich ging wieder zum Wagen und wartete. Keith kam kurze Zeit später, sah verdammt fertig aus, stolperte die Treppe runter und ließ sich auf die Rückbank fallen. Unter den gegebenen Umständen wirkte er recht mutig. Man braucht schon harte Eier, um sich mit Allen Klein auseinanderzusetzen, und Keith „ächzte“, wie wir in London sagen, was bedeutet, dass er dringend „Medikamente“ benötigte.

Nachdem wir das Büro erreicht hatten, schlenderte ich mit dem Stones-Gitarristen zum Meeting. Wir setzten uns auf die Kiefernstühle an den Tisch aus Kiefernholz, blickten auf einen Kiefernschrank – das Holz war damals der letzte Schrei – und erwarteten die Ankunft des Moguls. Keith nippte an einer Teetasse und positionierte sich mit dem Rücken zur Wand. Eine weise Vorsichtsmaßnahme, denn jeder wusste, dass Klein einen Abtrünnigen von allen Seiten bearbeitete! Alle hatten Angst vor ihm. Ich versuchte mich zu beruhigen: Was kann er schon machen – uns erschießen?

Eine nagende Stimme in meinem Kopf antwortete: „Ja, das ist eine – wenn auch entfernte – Möglichkeit!“

Klein erschien pünktlich und erweckte den Eindruck, ein wütender Elefant sei in den Raum eingedrungen. Er blökte: „Was soll der Scheiß mit Ronnie? Ihr wisst, doch, dass er mit mir verwandt ist?“

Keith blickte Klein direkt in die Augen und antwortete: „Ronnie wird bei der Tour für uns arbeiten.“

Kleins Gesicht verfinsterte sich. „Ihr traut euch, mir meinen verdammten Neffen auszuspannen? Was wollt ihr, verflucht noch mal? Wo ist Mick?“

Mit ruhiger Stimme klärte ich ihn auf, dass sich Mick gerade in Australien aufhielt.

Klein starrte mich durchdringend an: „Was bist du denn für ein Vogel?“

„Ich arbeite für die Stones“, erwiderte ich in herablassendem Tonfall. „Mick ist weg, und darum sitze ich jetzt hier.“

Klein beugte sich zu mir herunter. „Mir ist es scheißegal, was für ein Typ du bist.“

„Allen“, antwortete ich, diesmal süßlich und beschwingt, „du hast mich gefragt, wer ich bin, und das habe ich dir gesagt.“

Könnten Blicke töten, wäre ich augenblicklich ein toter Mann gewesen. Armer Allen, dachte ich. Er regt sich nur auf. Am besten tritt man ihm auf Augenhöhe gegenüber. „Allen, Keith will dir was sagen.“

Klein richtete einen mörderischen Blick auf Keith, der ihn nicht aus den Augen ließ. „Wir werden bei der Tour mit Ronnie arbeiten.“

Klein stand kurz vorm Platzen: „Auf gar keinen Fall. Das wollen wir doch erst mal sehen.“

„Allen“, schaltete ich mich ein. „Ronnie kann sich seine Arbeitgeber doch aussuchen, oder nicht?“ Ich war äußerst dankbar, dass uns ein Tisch trennte.

Klein plusterte sich auf und richtete seinen dicken Zeigefinger auf Keith und mich. „Ronnie wird nicht für euch arbeiten, und die Tour wird nicht ohne mich laufen. Vergesst das mal ganz schnell.“ Er stürmte zur Tür, blickte zurück und fuhr mich an: „Du! Du kleines Arschloch. In der nächsten Zeit solltest du besser aufpassen, was hinter dir abgeht!“ Dann war er verschwunden.

Ich lächelte. „Ein richtig netter Mensch, nicht wahr?“

„Dieser Motherfucker hat uns seit Monaten genervt. Jetzt ist es aber wirklich genug!“, meinte Keith aufgebracht.

Er hatte verdammt viel Mut bewiesen, sich gegen Klein aufzulehnen. „Hattest du keine Angst?“

Keith grinste mich verschlagen an. Er zog ein Schnappmesser aus der Tasche und stieß es mit einem Kichern in den Kieferntisch. „Zur Hölle mit dem Typen“, lachte er und wir grinsten beide wie ungezogene Schuljungen.

Dann verließen wir das Büro, damit Keith so schnell wie möglich nach Hause kam, um sich das Mittel gegen seine Beschwerden zu besorgen.

Beim verspäteten Mittagessen ließ ich das Meeting am Morgen Revue passieren, um die Ereignisse besser zu verdauen. Jeder tuschelte hinter vorgehaltener Hand, dass man mit Klein jeglichen Ärger vermeiden sollte. Er hatte, sagen wir mal, einige sehr unangenehme Freunde.

Ein befreundeter Journalist arbeitete an einem längeren Artikel über Klein und wurde dabei von einem verärgerten Paul McCartney unterstützt, dem es gar nicht passte, dass Klein das Management der Beatles an sich gerissen hatte. Mein Freund erzählte, er habe ein Foto von Klein gesehen, auf dem er mit einer Lupara, einer abgesägten Flinte, herumhantierte, die die Mafia bevorzugt bei ihren Attentaten in Sizilien einsetzte. Von dem Moment an schaute ich mich nach allen Seiten um!

Tags darauf überraschte mich Jo mit einem ungewöhnlichen Angebot. Sie fragte, ob ich den Job des persönlichen Tourmanagers für die Stones übernehmen wolle. Meine Hauptaufgabe bestand darin, mich um Mick, Keith und Mick Taylor in einem Haus in Los Angeles zu kümmern und alle Musiker auf der Tournee zu betreuen. Nähere Details würde man in den Staaten aushandeln.

Ich fühlte mich, als hätte gerade der Blitz eingeschlagen, und machte mich zur amerikanischen Botschaft am Grosvenor Square auf, um mir ein Visum zu besorgen. Eine überaus freundliche und zuvorkommende Mrs Worthy (der die Vorschriften reichlich egal waren), stellte mir das Dokument auf der Stelle aus. Schon bald würden meine Träume wahr werden.

Noch bevor wir London verließen, konnte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, wie geifernd und sensationslüstern die Presse hinter den Rolling Stones her war. Im Maddox-Street-Büro erlebte ich Micks Geschick, boshafte und intime Fragen abzuschmettern. Ein Journalist fragte, ob sich Mick Koks ziehe. Alle Anwesenden hielten die Luft an und warteten darauf, was denn nun für eine Antwort käme.

Mick machte eine theatralische Pause und erzählte von einem angeblichen Friseurbesuch, bei dem ihm der Figaro eine Line Koks angeboten habe. Mick – die Dreistigkeit in Person! Er versicherte dem Journalisten, dass Kokain mittlerweile so häufig konsumiert werde, dass sogar die Friseure schnupften, und meine Güte, das war dann nichts mehr für ihn – alles viel zu gewöhnlich. Natürlich hatte Mick dem Schreiberling einen Bären aufgebunden, doch der Typ glaubte das!!! Netter Schachzug, Mick, doch es sollte nicht der letzte sein.

Bevor es in die USA ging, musste ich noch einige kleinere Aufgaben erledigen. Im September 1969 arbeitete ich beim Rugby Rag Blues Festival in Warwickshire, bei dem Pink Floyd, Free, die Nice und Roy Harper auftraten. Später stand noch eine Recording-Session mit Screw an. Oh ja, und da wütete noch eine knackige, süße und hoch erotische Freundin, die es nicht verstehen konnte, dass ich die Stones und die USA über ihre Sinnesfreunden stellte.

Total aufgeregt, den Job ergattert zuhaben, ließ ich mich in einer Limousine zu meiner Mutter bringen. Ich hoffte einen guten Eindruck zu hinterlassen, da ich nun in der realen Welt „angekommen“ war. Wir saßen mit meinem Stiefvater im Wohnzimmer in der Raglan Court, und ich berichtete von der Hyde-Park-Show und dem unglaublichen Erfolg. Meine Mutter zog die Nase verächtlich hoch und sagte, dass die Chartisten des 19. Jahrhundert bei ihren Demonstrationen mehr Menschen angezogen hätten. Ich wollte hier nicht über Zahlen diskutieren, sondern erzählte ihr lieber etwas vom friedlichen und anständigen Verhalten der Menge.

Die Tatsache, dass so viele Menschen so höflich miteinander umgegangen waren, beeindruckte Mutter auch nicht: „So müssen sich die Leute doch immer verhalten!“, lautete ihr Kommentar. Jetzt entschied ich mich gegen meine Triumphkundgebung und erklärte ihr das neue Aufgabengebiet. Dann erzählte ich Mum etwas über den großzügigen Lohn, was sie und ihren Mann auch nicht überzeugte. Ich fragte Mum, ob sie sich denn nicht für mich freue, was mit einem entschuldigenden, angedeuteten Lächeln beantwortet wurde. „Aber es ist keine feste Anstellung, oder?“ Es sollten Jahre vergehen, bis ich Mutter wiedersah.

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