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Von Pest und Maden und Wollsocken (von Dorothee Stern)
ОглавлениеCornelius Napoleon Smith hatte ein Problem. Eigentlich hatte er mehrere, doch das Dringlichste war im Moment, dass er in einem stickigen Seuchenschutzanzug auf allen vieren durch einen dunklen Gang kroch und seine Taschenlampe flackerte.
Würde er das Geld besitzen, hätte er schon längst in einen Luminator der Firma Luxerna investiert – den intergalaktischen Spezialisten für Beleuchtungsangelegenheiten. Aber Cornelius hatte kein Geld. Das war auch eines seiner Probleme.
»Der Akku deiner steinzeitlichen Taschenlampe steht auf 23 %, mein lieber Cornelius«, teilte seine KI Susi ihm über den Voice Plug mit, über den er mit ihrem Hauptcomputer im Raumschiff verbunden war.
»Danke, das sehe ich selbst.« Er duckte sich unter einem Stück Beton hindurch, das den Weg kurzzeitig verengte. Diese Tortur dauerte auch schon wieder viel zu lange.
»Allerdings hast du deine Mission erst zu 33,33 % erfüllt. Das ist schlecht. Nun wäre eine Powerbank oder gar ein paar Ersatzakkus doch ganz praktisch, nicht wahr?«
»Du bist nicht hilfreich!« Cornelius musste sich auf den Bauch legen, um weiterzukommen. Wenn das so weiterging, würde er niemals ankommen. Und womöglich würde er den ganzen Weg ohne Licht zurück kriechen müssen. Das waren alles andere als rosige Aussichten.
»Geht das vielleicht auch netter, Cornelius Napoleon Smith? Sonst schalte ich mich auf Standby und du kannst gucken, wie du allein klar kommst mit 23 % Akku auf einem verseuchten, verlassenen Planeten.«
Super, jetzt war sie wieder eine eingeschnappte KI. »Ich habe nur Tatsachen benannt«, stellte er klar. Da vorne wurde es hell. War da etwa ein Ausgang zu sehen? Hatte das Kriechen endlich ein Ende? »Außerdem, sei doch nicht immer gleich beleidigt.«
»Ich benenne nur Tatsachen.«
»Ja, ja.« Cornelius verdrehte die Augen. Der Gang wurde mittlerweile immer enger und ungemütlicher. Hoffentlich war das Licht dort vorne auch echt und keine Einbildung seines Gehirns.
»22,7 %.« Susi begann, Eye of the tiger zu spielen.
Er schüttelte genervt den Kopf und schlug ihn sich prompt an der Decke an. »Du bist wirklich nicht hilfreich …«
Ächzend quetschte er sich durch eine besonders enge Stelle, dann war auf einmal wieder ganz viel Platz. Er konnte sich sogar hinknien. Er musste nahe am Ausgang sein.
»Auf über 90 % der menschlichen Spezies wirkt dieses Lied motivierend, Cornelius. Sei doch keine solche Spaßbremse«, nörgelte Susi.
»Ach, sei still!« Cornelius begann, in Richtung Licht zu robben. Es wurde auch Zeit, dass er hier rauskam. Seine armen Knie nahmen ihm das ganze Gekrabbele langsam übel.
Hätte er gewusst, wie viel Kriecherei dieser Job beinhalten würde, hätte er ihn vielleicht gar nicht angenommen. Eigentlich hatte er während seines letzten Auftrags auf 999K758 genug davon gehabt. Aber die Kasse war so gut wie leer und wenn er nicht dazu übergehen wollte, seine Sammlung an antiken Wollsocken zu verkaufen, musste er jedes Angebot annehmen, das ihm über den Weg kam. Als freiberuflicher, intergalaktischer Archäologe hatte man es eben nicht leicht.
Susi schmollte und ließ dafür in doppelter Lautstärke Eye of the tiger in Dauerschleife laufen. Ein dezenter Hinweis, dass er für ihren Geschmack zu lahm war.
Endlich erreichte Cornelius das Ende des Ganges und zwängte sich durch das Loch in der Wand ins Freie. Frische Luft drang durch den Filter seiner Atemmaske und die rote Sonne von R108 schien auf das Plastik seines Schutzanzuges.
»Susi, scanne die Umgebung. Sind wir schon nah dran?«
»Wie nah ist für dich nah? In einem Kilometer hast du dein Ziel erreicht. Im Übrigen brennt deine Taschenlampe noch.« Susi könnte sie auch selbst ausschalten, tat es aber nicht. Natürlich nicht. Eingeschnappte Zicke. Cornelius knipste seine Lampe aus und steckte sie zurück in seine Umhängetasche. Das arme Ding war durch den engen Gang ganz schön verdreckt worden, das würde er nachher sauber machen müssen.
»Welche Richtung?«, fragte er.
Susi projizierte ihm einen Richtungspfeil auf das Visier seines Schutzanzuges. Sie hielt ihn also offensichtlich für geistig minderbegabt.
»Folge dem Pfeil.«
Cornelius verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Er würde es sowieso nur schlimmer machen. Stattdessen begann er, in die angezeigte Richtung zu gehen.
Wobei Gehen das falsche Wort war. Er musste vielmehr über sämtlichen Schutt, der auf der Straße herumlag, hinüberklettern. R108 war vielleicht einmal schön gewesen, inzwischen war jedoch nichts mehr davon übrig. Seit R108 sich damals vor vierhundert Jahren der Invasion der Menschen entgegengestellt hatte, war es der Bevölkerung übel ergangen. Erst waren sie durch eine Blockade vom Handel abgeschnitten worden, dann waren ihre Herrscher verschleppt worden und zuletzt hatten die Menschen mit einer neuartigen Mutation der Pest infizierte Ratten freigesetzt.
Innerhalb weniger Jahre waren sämtliche Bewohner der Pest erlegen und die Menschen konnten sich an R108s Ressourcen bedienen. Nun lag der Planet bis auf die Ratten verlassen da und keiner wagte es, eine Wiederansiedlung zu versuchen.
Susi schwieg immer noch beleidigt, also marschierte Cornelius weiter und weiter und weiter …
»Du hast dein Ziel erreicht«, ließ sie schließlich reserviert vernehmen.
Er blieb stehen. »Bist du sicher?«
Hier war nicht viel, außer Ruinen und Trümmerhaufen. Allerdings konnte man das über so ziemlich jeden Fleck von R108 sagen.
»Der Scan bestätigt es.« Susi blendete ein Bild ein, das Cornelius als wandelndes Skelett und mehrere, handgroße Striche direkt unter ihm zeigte. Das mussten die Maden sein.
Cornelius zog seine Umhängetasche über den Kopf und ließ sie auf den Boden fallen, dann kniete er sich hin und begann seine Ausrüstung auszupacken. Klappspaten, Einmachgläser mit Formaldehyd und extra dicke Arbeitshandschuhe, die er sich jetzt überzog. Von den Maden der Gattung Vermis Morbus Aeger gebissen zu werden, würde ihm eine äußerst unschöne Pestinfektion einbringen, die er ohne Geld für eine baldige Behandlung vermutlich nicht überleben würde.
»Kannst du jetzt bitte mal diese scheußliche Musik ausmachen?«
Susi stellte die Musik ab. Totenstille trat ein und nur das Heulen des Windes in den Ruinen war zu hören.
Er klappte seinen Spaten auf und begann zu graben. Hätte er Zeit und außerdem keine Angst gehabt, sich mit der Pest anzustecken, würde er sich vielleicht auch noch ein wenig in den Ruinen umsehen, um nach verborgenen Schätzen zu suchen. Seinem Geldbeutel würde das jedenfalls nicht schaden. Leider hatte er keine Zeit – er musste in ein paar Stunden schon im Waypoint FiftyNine sein, um seinem Käufer die Maden zu überbringen.
»Ist hier sonst noch irgendjemand?«, fragte er Susi, um die unangenehme Stille zu brechen.
»Diverse Lebensformen. Die meisten insektuös und wirklich eklig.«
»Ratten?«
»Auch.«
Super. Je eher sie wieder von hier verschwinden konnten, desto besser.
Cornelius legte die Schaufel beiseite und griff nach seinem Spatel. Laut dem Scan näherte er sich den Maden und musste jetzt vorsichtig sein, um sie nicht zu beschädigen. Sein Käufer zahlte nur für intakte Ware. Langsam entfernte er mit dem esslöffelähnlichen Werkzeug Schicht für Schicht der hellen Erde, bis er auf ein Stück Knochen stieß. Hatten es sich die Maden etwa in einem Skelett gemütlich gemacht? Das wäre ja äußerst praktisch.
»Oh, ein Rückgrat!«, rief er.
»Immer wieder erstaunlich, wofür du dich begeistern kannst.«
Er hörte nicht auf den verächtlichen Unterton und begann, das Rückgrat freizulegen. Das war ein völlig intakter Knochen einer ausgestorbenen Spezies – das würde auf dem Schwarzmarkt eine Menge Geld einbringen.
»Die Maden, Cornelius, die Maden«, erinnerte ihn Susi.
Richtig, da war ja noch etwas gewesen. Dann würde das Rückgrat eben warten müssen.
Cornelius griff nach den Einmachgläsern und der langen Pinzette, mit der er dann vorsichtig die riesigen Maden hochhob. Die Viecher waren ganz gelb und haarig und glitschig. Wirklich ekelhaft, da musste er Susi zustimmen.
Susi murmelte derweil etwas über die Konzentrationsfähigkeit eines antiquierten Social Media Algorithmus.
Er ignorierte sie, stattdessen beförderte er die erste Made in das vorgesehene Einmachglas. Vier Stück brauchte er und dann würde er das Rückgrat einsammeln und sich schleunigst wieder aus dem Staub machen.
Susi war währenddessen auffallend still.
»Ist irgendwas?« Cornelius verfrachtete die nächste Made in ein weiteres Einmachglas.
»Cornelius, du solltest dich wirklich beeilen. Und ganz schnell herkommen.«
Die nächste Made landete in der Formaldehydlösung. »Wieso, was ist denn?«
»Der Kühlschrank brennt«, entgegnete sie.
Cornelius erstarrte mit der vierten Made in der Luft. »Der was brennt?«
»Der Kühlschrank. Er steht in Flammen. Du musst ganz schnell kommen. Deine Präparate verbrennen und … und … und … ich auch. Und dein Cyberscooter sowieso.«
»Dann flute den Raum mit Stickstoff!« Cornelius verschloss das letzte Einmachglas und beförderte diese dann hastig in seine Tasche. Er musste sich jetzt erst noch um das Rückgrat kümmern. Wenn er das nicht machte, würde er es vermutlich bereuen.
»Ich habe keine Gaslöschanlage, Cornelius. Ich bin eine Standardversion. Du hast mir nie ein Upgrade gekauft.« Sie klang ein bisschen nervös.
»Das darf doch jetzt nicht wahr sein …« Er beeilte sich, das Rückgrat freizulegen, doch diese Arbeit erforderte Konzentration und Geschick und er durfte sich nicht von Susi ablenken lassen.
»Cornelius, wann kommst du? Dauert es noch lange? Cornelius, machst du dich bitte auf den Weg? Ich habe dir eine neue Strecke berechnet.«
»Hetz mich nicht!« Er kratzte vorsichtig mit dem Spatel ein wenig Dreck zur Seite, dann konnte er das Rückgrat heben. »Außerdem was soll das heißen, du hast eine neue Route berechnet?«
»Mir ist gerade aufgefallen, es gibt auch einen Weg an der Oberfläche. Geht wirklich ganz schnell. Du solltest sofort aufbrechen.«
»Was? Und du jagst mich durch die Dunkelheit?« Ein wenig zu aggressiv stopfte Cornelius das Rückgrat und seine Grabungsutensilien in seine Tasche und stand auf. »Hättest du das nicht prüfen können, bevor du mich in diesen elendigen Gang geschickt hast?«
»Meine Sensoren gehören offensichtlich dringend mal wieder gereinigt.« Jetzt klang sie verletzt.
»Ja, ja, das mache ich demnächst.« Er sah sich um. »In welche Richtung muss ich?«
»Bitte komm schnell. Sehr zügig. Am besten, du rennst.« Sie blendete wieder einen Idiotenpfeil auf dem Visier seines Anzuges ein, der ihm die Richtung anzeigte.
Cornelius seufzte. Es half ja alles nichts. Wenn der Kühlschrank brannte, musste er sich beeilen.
Diese Rennerei war eindeutig nichts für ihn! Cornelius stützte sich schwer atmend an einer umgestürzten Säule ab und gestattete sich, einen Moment auszuruhen. Er verfluchte sich selbst dafür, dass er damals nicht in eine Gaslöschanlage investiert hatte, aber wer hatte denn schon Geld dafür? Er sicherlich nicht.
»Wie sieht die Lage aus?«, fragte er Susi, während er deutlich langsamer weiterging.
»Ich habe Angst«, antwortete sie.
»Ich bin ja gleich da.« Cornelius trat um eine Ruine herum, dann kam sein kleines Raumschiff – die George Washington – in Sicht. Komisch, er konnte gar keinen Rauch erkennen …
Neben der George Washington parkte ein gewaltiges, tiefergelegtes Raumschiff. Es war ihm leider wohlbekannt: die Brad Pitt.
»Was machen die denn hier?« Cornelius fasste unbewusst seine Umhängetasche fester.
Mehrere Männer – vielleicht zehn oder fünfzehn – liefen in nagelneuen, funkelnden Schutzanzügen um die George Washington herum. Im Cockpit war Alfredo zu sehen.
»Susi, was ist hier los?« Cornelius griff nach seiner Laserkanone.
»Dieser Grobian will mich kaputtschießen, Cornelius!«, wimmerte sie in sein Voice Plug.
Cornelius seufzte. Von allen Leuten im Universum musste ja auch unbedingt Alfredo auftauchen.
Er zog seine Laserpistole und trat auf sein Raumschiff zu. »Würde mir mal irgendjemand sagen, was genau ihr hier veranstaltet?«
Alle brachen in Applaus aus. »Wohooo, er hat’s geschafft! Hat ja nur eine halbe Ewigkeit gedauert.«
Alfredo trat aus der Luke der Washington, in der Hand eine von Cornelius kostbaren Wollsocken. Harry Potter, Slytherin-Edition. Limitiert!
»Leg das auf der Stelle wieder hin!« Cornelius hob die Kanone. »Und entferne dich von meinem Raumschiff! Das ist Hausfriedensbruch!«
»Hättest es nicht offenlassen sollen, Smithy!« Alfredo war ein überheblicher Kotzbrocken wie eh und je. Es sah aus, als hätte er sich mal wieder optisch idealisieren lassen, seit sie sich das letzte Mal begegnet waren, denn er wirkte noch geleckter als bei ihrem Universitätsabschluss. Wahrscheinlich hatten Mami und Papi dafür bezahlt, so wie sie es immer taten.
»Gib mir die Socke!« Cornelius hielt die offene Hand hin und trat weiter auf ihn zu. »Und es ist völlig egal, ob die Luke offenstand oder nicht. Du darfst das trotzdem nicht!«
»Gut, ich gebe dir deine geliebte Socke zurück.« Alfredo wedelte damit durch die Luft. Wo war die Schutzhülle, in der sie vakuumiert verpackt gewesen war? »Wenn du mir dafür die Maden gibst, Smithy. Ist doch ’n fairer Deal, oder?«
Der Rest von Alfredos Leuten hatte Cornelius inzwischen umstellt.
»Das ist meine Socke! Ich sollte dich wegen Diebstahl anzeigen, du Hund!« Er zitterte inzwischen vor Wut.
»Ach, komm schon. Mach es dir doch nicht schwerer, als es sein müsste.« Alfredo zupfte wie in Gedanken an dem Slytherin-Wappen herum. »Das könnte alles so viel einfacher gehen: Du gibst mir die Maden, die du gerade da hinten ausgebuddelt hast, und du kriegst deine … Socke. Ernsthaft, Smithy, Socken? Du warst ja schon an der Uni immer etwas verschroben, aber das ist ja schon ein skurriler Fetisch.«
»Die sind antik!« Cornelius machte einen Schritt auf ihn zu. »Woher willst du außerdem wissen, dass ich irgendwelche Maden ausgegraben habe?«
»Weil Crandall mich beauftragt hat, ihm die Maden zu bringen. Dann landen wir hier und deine süße kleine Schaluppe steht hier. Das kann also nur eines bedeuten: Crandall hat dich zuerst beauftragt und dann haben ihn Zweifel beschlichen, ob du das auf die Kette bekommst, Smithy.« Alfredo grinste sein abscheulich genetisch nachperfektioniertes Grinsen. »Also hat er zur Sicherheit mal lieber uns geschickt. Ein kluger Mann. Bisschen paranoid, wenn du mich fragst, aber so ist das mit den ultrareichen Cyberhändlern. Du kennst das ja.«
Er wusste genau, dass Cornelius das nicht kannte. Diese blöde, eingebildete, minderbegabte, steinreiche Stinkmorchel!
Alfredo hatte schon immer alles von seinen Eltern in seinen Plastikhintern geschoben bekommen. Er wusste nicht, wie anstrengend es war, wenn Mami und Papi nicht die Studiengebühren für einen zahlten, sie nicht für das neuste Raumschiff hinhielten und sie nicht für sämtliche Partys die Kosten übernahmen.
»Ich war zuerst hier! Verschwinde!« Cornelius machte noch einen Schritt auf ihn zu.
»Ach, Smithy, ernsthaft?« Alfredo zog nachdrücklich am Slytherin-Wappen. Die Wollfäden spannten sich, einige rissen.
Alle anderen rückten näher, sodass der Kreis sich eng um Cornelius zusammenzog.
»Meine Sensoren melden eine enorm hohe Gewaltbereitschaft in den hormonellen Ausdünstungen dieser Männer«, piepste Susi Cornelius verschreckt ins Ohr.
»Danke, Susi, du bist sehr hilfreich.« Cornelius wappnete sich innerlich für einen Angriff. Alfredos Leute waren gut bezahlte Grobiane. Wenn ihr Anführer es befahl, würden sie sofort auf ihn losgehen.
»Gib mir die Maden und das alles wird gar nicht so schlimm«, verlangte Alfredo.
»Dir verwöhntem Arsch gebe ich überhaupt nichts! Buddle deine eigenen Maden aus!«
Alfredo seufzte. »Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.« Er rupfte das Slytherin-Wappen von der Socke. »Nehmt ihm die Maden ab.«
Noch bevor Cornelius was sagen oder überhaupt denken konnte, bekam er einen Schlag auf die Nase, der von seinem billigen Visier kaum abgebremst wurde. Er hatte nicht einmal Zeit die entstandenen Schmerzen richtig zu fühlen, da folgte auch schon ein Schlag in den Magen und er landete auf dem Boden, mit dem zerbrochenen Visier im Dreck.
Er rollte sich ächzend auf den Rücken und versuchte, sowohl die Schmerzen als auch das Blut, das aus seiner Nase floss, zu ignorieren. Geistesgegenwärtig hob er die Laserpistole und drückte ab.
Nichts passierte.
Er versuchte es noch einmal.
Wieder nichts.
»Der Energiespeicher ist seit drei Erdenmonaten leer und steht auf dem Einkaufszettel«, piepste Susi.
Das durfte doch nicht wahr sein. Wenn er es nur irgendwie zu seinem Raumschiff schaffen könnte …
In Ermangelung einer besseren Idee warf Cornelius die Pistole dem nächstbesten von Alfredos Männern entgegen.
Die Waffe flog einen kläglichen Bogen und prallte mit einem nutzlosen Plong! an dessen doppelt verstärkten Schutzanzug ab.
»Au.« Der Grobian trat Cornelius in die Magengegend des gar nicht verstärkten Schutzanzugs. »Gib schon her, du Witzfigur.« Er zog am Träger der Umhängetasche.
Cornelius umklammerte seine Tasche und drückte sie fest an sich. Er wollte die Maden nicht hergeben. Alfredo durfte nicht gewinnen. Nicht schon wieder … das konnte einfach nicht sein!
Alfredo wedelte mit der Socke. »Ach Smithy, das ist doch jetzt erbärmlich.« Er rollte mit den Augen.
Der Mann zerrte weiter an der Tasche, aber so schnell würde Cornelius nicht klein beigeben. Er brauchte das Geld. Alfredo nicht. Verzweifelt trat er um sich.
»Jetzt macht schon, Leute«, rief Alfredo.
»Lass los! Hey!« Als Cornelius ihn mit einem Tritt in die Seite traf, grunzte der Kerl und riss dafür mit einem Ruck an der Tasche.
»Wieso stehen alle anderen nur rum und gucken zu?«
»Es ist feige, wenn alle auf einen einschlagen, Boss«, kommentierte jemand.
»Feige? Ernsthaft jetzt?« Alfredo warf die Socke in den Dreck. »Dann mach ich’s eben selbst.«
Cornelius umklammerte die Tasche fester. Er war nicht den ganzen Weg hierher geflogen, um sich jetzt alles wegnehmen zu lassen.
»Weg da, du unfähiger Idiot!« Alfredo schubste den Typen weg und packte Cornelius am Kragen. »Guck dich an mit deinem lumpigen, zersplitterten Visier, Smithy. Wo hast du den her, vom Weltraumflohmarkt? Ist der nicht eigentlich für Kinder?« Er riss ihm den kaputten Helm runter. »So ist das doch gleich viel besser. Lass dich ansehen. Bist auch nicht schöner geworden über die Jahre. Kein Wunder, dass sich Heidi-Katharina damals lieber mir zugewandt hat.«
»Immerhin bin ich nicht aus Plastik! Nicht so wie du.« Cornelius dachte nicht daran, den Griff um die Tasche zu lockern. Alfredo konnte ihn mit alten Geschichten provozieren wie er wollte, obwohl er zugeben musste, dass er verletzt war. Er wollte nicht über Heidi-Katharina und ihre verräterischen Handlungen nachdenken.
»Glaub mir, darauf stehen die Mädels. Besonders deine Heidi.« Alfredo grinste. »Deshalb ist sie mir nachgelaufen und nicht dir Hackfresse.« Alfredo packte die Tasche und zerrte daran. Mit einem lauten Ratsch riss der Gurt, doch Cornelius klammerte sich immer noch an ihr fest.
»Du hast dich doch überhaupt nie für sie interessiert!« Deshalb war es ja so erniedrigend gewesen. »Außerdem lenkst du vom Thema ab!«
Alfredo lachte auf. »Überhaupt nicht. Wir sind genau beim Thema, Smithy! Bei deinem alten Thema. Es ist genau wie damals: Du willst etwas und ich …« Alfredo verpasste Cornelius einen Schlag direkt auf die geschwollene Nase, woraufhin dieser ein schmerzhaftes Aufschreien unterdrücken musste, und Alfredo ihm die Tasche aus den Händen zog. Er richtete sich auf und hielt sie triumphierend vor sein grinsendes Gesicht. »… nehme es dir weg.«
»He, Alfredo – guck mal.« In diesem Moment öffnete Susi eine kleine Klappe.
»Was?«
Alfredo war abgelenkt, das war die Gelegenheit!
Susi spritzte einen harten Strahl mit abgestandenem Duschwasser direkt auf Alfredo, der davon regelrecht umgepustet wurde. Plötzlich duftete es nach lieblicher Sandelholzseife.
Cornelius sprang auf. Ein Schwall Blut lief ihm über das Gesicht, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen.
Er schnappte sich seine Tasche und rannte auf die Washington zu, solange Alfredos Leute noch in Schockstarre waren. »Susi! Starte den Antrieb!«
»Oh heiliges Maschinenöl, schneller, Cornelius!« Die Düsen begannen zu surren.
»DU ELENDIGES, KLEINES INSEKT!«, brüllte Alfredo von hinten. Er versuchte aufzustehen, aber mit seinem glatten Schutzanzug rutschte er immer wieder im seifigen Schlamm aus. Seine Leute wollten ihm offensichtlich helfen, doch sie fielen selbst hin.
Cornelius sprang durch die Luke ins Innere seines Raumschiffes. »Verriegeln! Schnell!« Er legte seine Tasche im Gehen in die vorgesehene Kiste und ließ sich hinters Steuer fallen. »Starten! Starten!«
Sie hoben ab. Die Washington schlingerte etwas, aber Hauptsache sie waren erstmal vom Boden weg.
»Oh Cornelius, das ist alles so aufregend, ich hab Prozessorenstottern«, plapperte Susi nervös.
»Das schlimmste steht uns noch bevor.« Sie waren der Attacke am Boden zwar entkommen, doch sie mussten so schnell wie möglich von hier verschwinden, wenn sie nicht wollten, dass die Brad Pitt sie einholte und enterte.
»Habe ich das richtig gemacht? Ich darf keine Menschen verletzen, das ist gegen meine Programmierung, aber der Wassertank musste einfach ganz dringend entleert werden. Das geht doch in Ordnung, oder? Leider haben wir nun außer Kühlwasser nur noch ein wenig Trinkwasser an Bord.«
»Das hast du super gemacht«, lobte Cornelius sie. »Sobald wir im Waypoint FiftyNine sind, können wir das Wasser wieder nachfüllen. Dahin müssen wir jetzt aber erstmal kommen. Du fliegst zu vorsichtig. Gib mir das Steuer!«
Susi beruhigte sich durch sein Lob und schaltete den Autopiloten aus.
Cornelius hielt auf den Weltraum zu und betätigte nebenbei das Navigationsgerät. Er war erst wenige Male im Waypoint FiftyNine gewesen und war sich nicht sicher, ob er von hier aus hinfinden würde. »Haben wir noch genügend Energie, um Lichtgeschwindigkeit zu erreichen?«
»Schon. Aber laut meinen Berechnungen würden wir die Raumstation gerade so erreichen. Der alte Energiekern wäre dann endgültig aufgebraucht.«
»Ich kenne ein paar Schrotthändler, die immer im Waypoint abhängen. Die können uns sicher einen günstigen Kern besorgen. Bereite alles für den Sprung vor.« Sie mussten es nur noch aus der Atmosphäre des Planeten schaffen.
»Wissen Alfredos Unholde eigentlich, dass wir zum Waypoint Fiftynine unterwegs sind?«, fragte Susi.
»Ich hoffe nicht.« Vermutlich aber schon. »Sende außerdem eine Nachricht an Crandall, dass ich die Maden habe.«
»Erledigt.«
»Danke, Susi.« Cornelius beschleunigte. Er warf durch den Monitor einen Blick nach hinten, doch bis jetzt folgte die Brad Pitt ihnen nicht. Vielleicht hatte er ja ausnahmsweise mal Glück. »Wie weit ist die Lichtgeschwindigkeit?«
»Aufbau liegt bei 66,14 %.«
Das dauerte zu lange. Inzwischen passierten sie bereits einen von R108s Monden. Bald würde die Brad Pitt ihnen auf den Fersen sein. Cornelius beschleunigte nochmal.
»Wir nähern uns dem Sprung. Bist du angeschnallt?«
»Ach, richtig.« Hastig schnallte er sich an. »Jetzt bin ich bereit!«
»Sprung in drei … zwei … eins … Festhalten.«
Cornelius wurde in den Sitz gedrückt. Er klammerte sich an den Armlehnen seines Pilotensitzes fest und kniff die Augen zusammen. Ihm wurde beim Reisen in Lichtgeschwindigkeit immer schlecht.
Die Washington fiel mit einem Ruck wieder in Normalgeschwindigkeit zurück. Von hieraus war es nicht mehr weit bis zum Waypoint FiftyNine.
»Du kannst dich jetzt wieder abschnallen, mein lieber Cornelius«, informierte ihn Susi. »Übrigens: Du blutest das Cockpit voll. Das ist ein bisschen eklig.«
Das ganze Blut hatte er fast vergessen. Cornelius schaltete den Autopiloten ein und ging nach hinten, um etwas zu suchen, das die Blutung stoppen konnte.
»Haben wir noch Feuchttücher? Was macht man, wenn die Nase gebrochen ist?«
»In einem Medical Center einchecken, um sie wieder richten zu lassen. Da dies recht kostenintensiv ist, schlage ich Kühlen vor.« Sie war kurz still. »Wer ist Heidi-Katharina?«
»Jemand, den ich früher kannte.« Er nahm ein Kühlpad aus dem Gefrierschrank und griff nach einem Geschirrtuch, um das Blut abzufangen. Dann ließ er sich wieder auf dem Pilotensitz nieder.
»Wie lange ist früher her?«, fragte sie eifersüchtig. »Wenn du eine andere KI in deinem Leben hast, von der du mir nichts erzählen wolltest …«
»Wovon redest du denn? Wie soll ich mir denn noch eine andere KI leisten können? Du weißt doch am allerbesten, wie meine finanzielle Situation aussieht!« Das war ja jetzt wirklich nicht wahr. »Sie war jemand, die ich im Studium kennengelernt hatte.«
»Cornelius, ich muss dich das jetzt fragen und ich möchte eine klare Antwort von dir: Ist Heidi-Katharina eine Erotik-Androidin? Ist sie deine Erotik-Androidin?«
»Sag mal, spinnst du?« Wer zum Geier hatte beschlossen, KIs beizubringen, was Eifersucht war?
»Du beantwortest meine Frage nicht. Oh Cornelius, wie konntest du mir das nur antun?«
»Was genau ist eigentlich dein Problem? Sie war meine Freundin auf der Uni, bis Alfredo kam und sie sich von mir getrennt hat. Beantwortet das deine Frage?« Vor lauter Aufregung begann seine Nase noch viel stärker zu bluten.
Susi war eine Weile still. »Ich verstehe.«
»Schön für dich.«
Cornelius verriegelte das Schott. »Dieses Mal sagst du es mir aber, wenn jemand einfach so einbricht!«
»Er hat gedroht, mich kaputt zu schießen, wenn ich was sage!«, entrüstete Susi sich.
»Ja, ja.« Er straffte die Schultern, wobei die Artefakte in seinem Mantel leicht gegeneinander klirrten. »Wir brauchen einen Code für solche Fälle.«
»Einen Code? Was denn für einen?«
»Irgendwas halt.« Cornelius ging die Rampe hinunter und hielt auf die Sicherheitsschleuse zu. »Lass dir was einfallen.«
»Das mit dem Kühlschrank hast du ja auch nicht verstanden«, fauchte sie beleidigt. »Das ist nicht so einfach mit dir, Cornelius. Du lässt dich zu leicht von mumifizierten Überresten jeglicher Art ablenken. Denk nur an die Meerschweinskelette auf Planet PPX!«
»Das waren keine mumifizierten Überreste! Das war ein erstklassig erhaltener Schädel! Weißt du eigentlich, was das auf dem Schwarzmarkt einbringen kann?« Er trat in die Schleuse.
Susi räusperte sich in seinem Voice Plug, obwohl sie gar keine Kehle hatte, die belegt sein konnte. »Cornelius, denkst du wirklich, dass du dich nicht zumindest etwas waschen solltest, bevor du da jetzt reingehst? Und was hast du da in deinem Mantel?«
»Mit welchem Wasser denn? Das hast du alles Alfredo ins Gesicht gespritzt.« Das Schott der Sicherheitsschleuse schloss sich hinter ihm.
»Mit dem Wasser, das du erst einmal in mich hättest nachtanken sollen, bevor du in diese Bar gehst. Und denk an den Energiekern, Cornelius!«, entgegnete sie pikiert. »Ich bin völlig leer! So geht das nicht! Und meine Sensoren sind immer noch verdreckt.«
»Siehst du hier irgendwo ein Ersatzteillager? Wo zum Teufel hätte ich denn unterwegs einen Energiekern herbekommen sollen? Und außerdem haben wir gar kein Geld, um …« Er wurde vom Aufleuchten eines Displays unterbrochen.
»Willkommen«, ertönte eine Computerstimme. »Mein Name ist Security-Jack. Haben Sie irgendwelche Waffen abzugeben?«
»Äh … ja. Halt, nein. Nein, habe ich nicht.« Seine Laserkanone hatte er auf R108 im Kampf gegen Alfredos Männer verloren.
»Sind Sie sich sicher?«, fragte Security-Jack weiter.
»Ja, total sicher.«
»Scan wird durchgeführt.«
Leuchtend blaue Strahlen wanderten an Cornelius, der die Arme zur Seite ausgestreckt hatte, hinauf und hinunter. »Legen Sie bitte den Klappspaten in die vorgesehene Klappe«, wies die Sicherheits-KI ihn an.
»Wieso?«
»Weil es sich um eine potentielle Waffe handelt.«
»Das ist ein Spaten!«
»Wieso bei Galaktikas Schaltkreisen hast du den Spaten dabei?«, fragte Susi fassungslos.
»Ich hab vergessen, ihn auszupacken.« Dazu war nicht wirklich Zeit gewesen, nachdem sie von R108 geflohen waren.
»Legen Sie bitte den Spaten in die Klappe!«, verlangte Security-Jack, dieses Mal ein wenig energischer. »Die Hälfte unserer Gäste könnte sie damit erschlagen.«
»Ja, ja. Hetz mich nicht!« Cornelius kramte in seiner Umhängetasche und zog den Klappspaten hervor. »Können wir dann weiter?«
»Nicht so schnell!«, hielt Security-Jack ihn auf. »Was sind das für organische Materialien in Ihrer Tasche?«
»Hä? Meinst du meine Knochensammlung?« Cornelius öffnete eine Seite seines Mantels, und zeigte das Rückgrat, das er auf R108 ausgebuddelt hatte und in eine der extra eingenähten Schlaufen in seinem Mantel gesteckt hatte. Auch in den restlichen Schlaufen und Taschen in der Mantelinnenseite steckten allerlei Knochen, versteinerte Vogeleier und andere Artefakte.
»Handelt es sich dabei ausschließlich nur um Knochen?«, fragte Security-Jack.
»Nur Knochen«, bestätigte Cornelius. Die Maden ließ er besser unerwähnt. »Weißt du, ich bin Archäologe.«
»Aha.« Security-Jack klang unbeeindruckt.
»Ich verstehe wirklich nicht, weshalb du diesen Krempel mit in die Bar schleppen musst«, murmelte Susi.
»Zum Verkaufen natürlich!«, raunte er seiner KI leise zu. Langsam aber sicher wurde Cornelius ungeduldig. »Darf ich dann bitte weiter?«
Security-Jack schwieg eine Weile.
Cornelius trat von einem Fuß auf den anderen.
»Genehmigung erteilt.«
Endlich ging das Schott auf der anderen Seite der Schleuse auf und Cornelius konnte weiter gehen.
»Hat Crandall schon geantwortet? Kommt er?«, fragte Cornelius.
»Nein, aber der Termin ist in exakt vier Minuten, im Torpedorohr II. Wir kommen gerade rechtzeitig.«
»Ah, dann passt das ja.« Er lief den äußeren Ringkorridor der Raumstation entlang und erreichte schon bald die Torpedorohrbar. Dort stieg er in Rohr II und ließ sich auf die Bank sinken. Schönen Ausblick hatte man hier. Immerhin das.
Crandall war nicht da. Natürlich nicht. Immer kam dieser elendige Ultrareiche zu spät. So war das halt mit ihm. Wenn man das Geld hat, muss man nicht pünktlich sein.
Cornelius hatte kein Geld, deshalb war er ja pünktlich. Er bestellte trotzdem bei einer vorbeilaufenden Bedienung etwas zu trinken. Da er kaum noch Wasser an Bord hatte, war er kurz vor dem Verdursten.
Bald darauf kam auch schon die Bedienung zurück.
»Einmal gekühlten Orangensaft für den Herrn im staubigen Mantel.« Sie setzte das Glas vor ihm ab.
»Danke.« Er kannte Sora noch von seinem letzten Besuch in der Weltraumkneipe und war ganz froh, dass sie und nicht ihre übellaunige Schwester Mora sein Getränk brachte.
Cornelius warf einen Blick auf seine Uhr. Schon eine Minute zu spät. Eine Frechheit war das.
Er trank seinen Orangensaft.
Crandall kam nicht.
Er bestellte ein zweites Glas.
Dieser nichtsnutzige Ultrareiche war immer noch nicht da.
Dann bestellte er ein drittes Glas.
»Verzeihung, haben Sie Crandall hier zufällig irgendwo gesehen?«, fragte er Sora, als sie ihm sein drittes Getränk brachte. »Wir waren eigentlich vor einer Stunde verabredet.«
»Er war schon seit ein paar Wochen nicht hier«, entgegete sie. »Er kommt immer sehr unregelmäßig. Wir vermuten, um illegale Geschäfte abzuwickeln. Aber wir haben ihn noch nicht dabei erwischt. Das würde Bick Mack nicht dulden.« Sie sah ihn vielsagend an.
Cornelius ließ gespielt entsetzt das Glas wieder sinken. »Also damit habe ich nichts zu tun. Mein Geschäft ist seriös!«
In seinem Voice Plug lachte Susi lauthals auf.
»Ruhe!«, wies er sie an. »Gut, da lässt sich dann wohl nichts machen. Falls er kommt, könnten Sie ihm dann sagen, dass ich schon warte?«
Sora guckte ihn mitleidig an, dann nickte sie und ging weiter.
Irgendwann bestellte Cornelius einen vierten Orangensaft.
»Cornelius, ich muss dich darauf hinweisen, dass du dich mit diesem überteuerten Orangensaft erstens in den Ruin treibst und zweitens dein Magen völlig übersäuert«, teilte ihm Susi mit.
»Danke, du bist sehr hilfreich.« Aber leider hatte sie recht.
Cornelius stand auf, ging zum Klo, versuchte sich, das Blut ein wenig besser aus dem Gesicht zu wischen, und ging zurück zum Tisch.
Crandall war immer noch nicht da. Langsam könnte er aber wirklich mal auftauchen.
»Ich glaube, du wurdest versetzt«, stellte Susi fest.
»Nein, das glaube ich nicht. Er verspätet sich bestimmt nur.«
»Cornelius Napoleon Smith, so naiv kannst du doch nicht sein. Dieser Crandall glaubt, du wärst nicht dazu in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen. Deshalb hat er auch Alfredo zusätzlich beauftragt. Der denkt bestimmt, du wärst tot.«
»Hätte ich ihm dann eine Nachricht geschickt? Nein. Der kommt bestimmt noch.« Cornelius schlenderte mit seinem Orangensaft durch den Ringkorridor, dann über einen Steg zum Zentrum der Raumstation. Er passierte das Schott zur Bar.
»So wie du aussiehst, brauchst du etwas stärkeres als dieses Säftchen.« Der Barkeeper Virginio lehnte sich ihm gegenüber an den Tresen. »Wie wäre es mit einem Fifty-Niner?«
»Äh, nein danke.« Cornelius schüttelte den Kopf. Das konnte er sich bestimmt gar nicht leisten.
»Dann vielleicht ein nasses Handtuch, um das Blut abzuwischen?« Virginio zeigte auf die gebrochene Nase.
»Ich hab’s dir ja gesagt!«, zischelte Susi leise.
»Ich hab mich doch grade erst auf dem Klo gewaschen«, fauchte Cornelius zurück. »Besser wird’s nicht mehr!«
»Redest du mit mir?« Virginio runzelte die Stirn.
»Nein, meine KI geht mir auf die Nerven.«
»Verstehe.« Jetzt guckte er ihn auch mitleidig an. Das lief ja super.
»Wenn ich dich so nerve, kannst du dein Leben ja in Zukunft von Heidi-Katharina organisieren lassen«, rief Susi empört.
»Tolle Idee. Vielleicht rufe ich sie an. Falls Alfredo nicht hier auftaucht und ich die Geschichte überlebe.«
Susi sagte nichts mehr. Jetzt war sie wirklich beleidigt.
»Kann man irgendwas für dich tun?«, fragte Virginio.
»Sofern du keinen superreichen Idioten herzaubern kannst, der mir diese blöden Maden abkauft, leider nein.« Cornelius ließ den Kopf sinken.
»Ich kann dir aber einen Cocktail mixen.«
Und womit sollte Cornelius den Drink bezahlen? Wie sollte er einen neuen Energiekern besorgen? Mit welchem Geld sollte er Wasser tanken? Wovon sollte er sich denn um Himmels Willen ernähren? Die Kasse war leer. Er würde verhungern.
Vielleicht sollte er sich hier nach potentiellen Kunden umsehen. Ein kurzer Blick zeigte allerdings, dass der einzige, den er sich getraut hätte anzusprechen, ein äußerst unseriös wirkender Kerl war, der mit dem Kopf auf einem der Tische schlief und nicht so aussah, als könnte er bezahlen.
»Möchtest du zufällig ein Rückgrat kaufen?«, fragte er daher Virginio und öffnete seinen Mantel ein Stück, sodass die Knochen in seiner Schlaufe zu sehen waren.
»Ähm, nein. Gerade nicht.« Virginio entfernte sich.
Natürlich nicht. Seit er in dieser verfluchten Bar war, lief einfach gar nichts mehr nach Plan. Crandall tauchte nicht auf, seine andere Ware konnte er auch nicht loswerden, gar nichts funktionierte!
Dabei war alles einigermaßen in Ordnung gewesen, als er R108 verlassen hatte. Er hatte zusätzlich zu seinem gelungenen Auftrag auch noch ein vollständiges Rückgrat gefunden und außerdem hatte er es endlich, nach vielen Jahren geschafft, Alfredo eins auszuwischen! Dieser arrogante Schnösel hatte es verdient gehabt! Endlich hatte er sich für die jahrelange Schikane rächen können!
Alfredo so im Matsch liegen zu sehen, war das allerbeste Gefühl auf der ganzen Welt gewesen. Soll er Heidi-Katharina doch behalten, Cornelius war das jetzt egal. Er hatte gewonnen und das konnte ihm keiner nehmen!
»Hey, Virginio!«, rief er dem Barkeeper zu. »Ich würde jetzt doch gerne so einen FiftyNiner probieren.«
Fortsetzung folgt in der Story:
Von Maden und Halunken in Spelunken.