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Ohne Bier kein Klavier
Оглавление(Ein Intermezzo von Jörg Fuchs Alameda)
Zahlungsunfähig eine Weltraumkneipe zu betreten, fühlte sich noch mieser an als der letzte Männerausflug auf der Erde, bei dem Günther und ich den Barfußpfad über die Hundewiese voller Tretminen abgekürzt hatten. Aber da waren wir wenigstens zu zweit gewesen. Nun musste ich alleine nach einem Tisch suchen, während Günther unsere in Bier umgewandelten Tantiemen in der Bordtoilette abführte.
Ich überlegte noch, ob ich mich ohne Credits überhaupt setzen durfte, da rauschte ein Bierbrunnen über meinen Kopf hinweg. Einer der Landefüße streifte meine in Beton gemeißelte Igelfrisur. Der Brunnen kippte leicht, sodass ein guter Schluck des Gebräus über den Rand schwappte und auf meine Schuhe platschte. Das Pils-Aroma stieg mir in die Nase. Sehnsüchtig folgte mein Blick der Flugbahn des Brunnens, der zuerst über einem menschengroßen Seepferdchen und einem gehörnten Grünling kreiste, dann aber bei einem insektoiden Alien landete.
Eine der Zwillingsschwestern blieb mit einer Schüssel, deren Inhalt wie frittierte Sardellen aussah, vor mir stehen. »Greif zu! Als Entschädigung für die nassen Füße.«
Sie lächelte mich herzerwärmend an. Es musste Sora sein.
»Noch vor meinen drei Abendessen? Da sagt ein Alameda doch nicht nein. Danke!« Ich steckte mir gleich zwei Stück in den Mund und kaute. Sofort wurde mir heiß. Auf der Zunge und in der Nase brannte es. Tränen schossen mir in die Augen. »Schmeckt nach Flammenwerfer«, nuschelte ich und überlegte, wo ich das Zeug hinspucken könnte.
»Eine Schärfe von einer Million Scoville wird einen Alameda doch nicht etwa umhauen?« Die Bedienung schmunzelte hinterhältig. »Durstig? Das Wasser auf dem Klo kostet nix. Meinetwegen kannst du auch McGintleroys Erdnüsse haben, wenn du hilfst, den Schleim dahinten wegzuwischen.« Sie zeigte auf eine Tischplatte, die fast komplett mit kleinen Schälchen zugestellt war. Darunter kniete ihre Schwester und schrubbte fleißig den Boden. Gelbe Dampfwölkchen stiegen von ihrem Lappen empor. Wieder hielt sie mir die Schüssel unter die Nase. »Nachschlag?«
Ich schüttelte den Kopf und schluckte, ohne weiter zu zerkauen. Zweifellos war es Mora, die Giftige der beiden Zwillinge, die nun lachend mit dem höllischen Snack davon schritt.
Nach ihrer Ansage direkt auf die Toilette zu rennen, war mir eigentlich zu peinlich, denn ich wusste, dass es nur eine zusätzliche Stichelei war und Wassertrinken das Brennen noch verschlimmern würde. Trotzdem trieb mich mein glühendes Gesicht in Richtung Ausgang.
»Du bist ja hart drauf!« Ein Typ im roten Strampelanzug packte meinen Arm und zog mich zur Theke. Da mein Kreislauf rebellierte, nahm ich die Einladung an und setzte mich neben ihn auf einen Barhocker. »Mit naturgefüllten Echsendärmen rührt man den Flaming Lizard um, nur ganz kurz, damit der Cocktail nicht zu scharf wird. Die Dinger isst man doch nicht.« Er schob mir seinen Krug hin. »Hier, zum Feuerlöschen.«
»Naturgefüllt?« Ich musste würgen. Gierig trank ich den letzten Schluck seines Bieres. Dann knallte ich den Krug auf den Tresen und wischte mit dem Ärmel den Schaum von meinem Mund. »Wenn mein bester Freund mir das Kölsch wegsäuft und mein Verlag mir die Schreibmaschine auf die trockene Kehle setzt, kann ich auch Echsenscheiße fressen. Das kommt gleich in mein Tagebuch der intergalaktischen Weisheiten. Nummer 236.«
Er klopfte mir auf die Schulter. »Das ist mein Mann! Ich bin Ziggy Stardust. Hat dir schon mal jemand das Leben gerettet?«
»Nein. War noch nicht nötig.«
»Dann hast du auch keinen besten Freund. Vielleicht kann ich das ja für dich werden. Wo genau drückt denn das Suspensorium?«
Das war die Chance, ein Mitleidsgetränk herauszuschlagen. »Ich bin Autor …«
»Mein Beileid«, unterbrach er mich.
»Ich war noch nicht fertig. Also ich bin Fantasyautor …«
Er stand auf. »Sorry, da kann dir niemand mehr helfen.«
Nun hielt ich ihn am Arm fest. »Ohne Bier kein Klavier! Wie soll ich nüchtern in die Tasten hauen? Da fällt mir bis morgen früh nie und nimmer ’ne schräge Story ein.«
»Stimmt. Durst ist schlimmer als die Weltraumpest.« Er setzte sich wieder. »Du hast Glück. Ich bin ein Veteran im Schleusenreisen. Dir schuldet doch bestimmt jemand ein Bier.«
Ich überlegte kurz. »Ja schon. Von Laurence bekomme ich noch zwei, drei Flaschen Schlabberstöffsche. Aber ich würde mir auch was von dir ausgeben lassen.«
»Siehst du den Einarmigen dahinten? Das ist Sam. Ich hab gerade alles an ihn verloren. Beim 3D-Billard. Und das nicht zum ersten Mal.« Er legte seine Hand auf meine Schulter und sah mich mit glasigen Augen an. »Ich brauche auch ein Bier. Wo finden wir diesen Laurence?«
»Keine Ahnung. Aber ich weiß, dass er beim letzten Buchmesse Convent war. Dreieich. Erde. 2019. Da sind alle meine Schreibkumpels.«
»Kein Problem!« Ziggy klopfte sich stolz auf die Brust. »Mit mir kommst du, wohin du willst, und zwar in jede Zeit. Ich kann Dimensionsschleusen kurzschließen.«
»Ich auch«, sagte ich und seufzte. »Aber Security-Jack lässt mich nicht gehen.«
»Du hast ihn beleidigt?«
Ich nickte.
»Das renke ich schon wieder ein, Frischling.«
»Wir müssen auf Günther warten.« Ich blickte an ihm vorbei zum Eingang. »Der kahlköpfige Headbanger lernt bestimmt das Klopapier auf der Bordtoilette auswendig. Hab gehört, da sollen Weltraumwitze aufgedruckt sein.«
»Die sind wirklich gut«, bestätigte Ziggy. »Habe selbst mal drei Stunden dort verbracht.«
»Da fällt mir ein, letztes Silvester hab ich einen Fleischkäse gegessen, der abgelaufen war. Günther hat mir einen Eimer gebracht und meine damals noch langen Haare beim Kotzen gehalten.«
»Das grenzt an Lebensrettung«, mischte sich Virginio ein, der scheinbar unser Gespräch belauscht hatte und nun mit einem Lappen den Tresen abwischte.
Ziggy beugte sich zu mir und flüsterte: »Kannst Günther doch ein Bier von diesem Laurence mitbringen.«
»Tolle Idee!« Aufgeregt hüpfte ich vom Hocker und legte den Arm um Ziggy. »Auf geht’s zum BuCon! Aber erst noch ein Wir-sind-unterwegs-Selfie für meine Spacebook-Seite!«
Vor dem Waffencheck zu den Dimensionsschleusen wimmelte es von Leuten. Menschen, Aliens und andere fantastische Wesen liefen uns im Korridor grüppchenweise über den Weg. Obwohl es mehrere Räume gab, mussten wir warten. Neuankömmlinge hatten Vorrang gegenüber Abreisenden.
»Sieh mal«, flüsterte Ziggy und deutete auf ein Schott, aus dem ein Außerirdischer entstieg, dem der Schnurrbart schief über der Oberlippe hing. Als der Typ mein Grinsen bemerkte, zog er eine Sonnenbrille aus der Brusttasche seines Hawaiihemdes und setzte sie auf. Erschrocken rückte er den falschen Bart gerade und versuchte, ihn unter der Nase anzudrücken, doch der Klebstoff wollte nicht mehr halten. Nun riss er die Rotzbremse ganz ab, steckte sie hastig in die Hosentasche und lief mit schnellen Schritten an uns vorbei in Richtung Bar.
Ziggy lachte. »Hast du ihn erkannt?«
»Den ehemaligen Finanzminister des Alterta Mondes? Bei der Verkleidung könnte er auch gleich ein T-Shirt mit seinem Fahndungsfoto tragen.«
Mein Begleiter trat aus der Schlange heraus und sah dem Minister nach. »Wollen wir uns ein paar Credits verdienen?«
»Seh ich so aus, als würde ich eine pandamorianische Rüstung unter meinem Pullover tragen?« Ich zerrte ihn zurück in die Reihe. »Kopfgeldjäger gibt es hier genug. Denen will ich nicht in die Quere kommen.«