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Kleider machen Leute (von Nele Sickel)

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»Danke.« Mit einem breiten Grinsen nahm Rex Kingston sein girelianisches Glühbier entgegen. Die Saughaare der charmanten Kellnerin ploppten melodisch, als sie sich von dem Glas lösten. Dann rauschte die Schöne mit wiegenden Hüften davon, den nächsten Gästen entgegen. Rex seufzte lautlos. Wer hätte gedacht, dass ein wandelnder Wischmopp so bezaubernd sein konnte?

Die Kellnerin verschwand aus seinem Blickfeld. Er wandte sich um und prallte mit einem Typen zusammen, der gerade durch das Schott in die Bar gekommen sein musste.

»He, passt doch auf!«, fuhr ihn der Kerl an. »Willst du mich umbringen?«

»Jetzt hab dich doch nicht so«, sagte Rex und schwenkte in dem Versuch, eine beschwichtigende Geste zu machen, sein Bier in Richtung des Typen. Die Geste geriet jedoch zu groß, die heiße Flüssigkeit schwappt über und klatschte zischend auf das schmutzig rote Shirt des Fremden.

»Au!«, schrie der auf, machte einen Satz zurück, und zerrte an seinen Kragen, um den heiß durchtränkten Stoff so weit wie möglich von seiner Haut fernzuhalten.

»Alles okay?«, fragte Rex.

»Nein!«, schnappte der andere.

»Na gut. Ich gebe dir ein Bier aus, hm?« Rex betrachtete den Typen, wie er da stand und den Schmerz weg atmete. Zerzaustes Haar, fette Augenringe, Kratzspuren und Brandflecken auf dem dreckstarrenden roten Shirt. Zugegeben: Der hatte einen Drink echt nötig. »Willst du dich setzen?«

Der Kerl schaute auf und ließ den Blick nervös durch die voll besetzte Bar schweifen. »Besser dort hinten. Ich sitze lieber mit dem Rücken zur Wand.«

»Wie du willst«, sagte Rex und bedeutete dem Typen, vor zu gehen. Der steuerte tatsächlich den allerletzten Winkel der Bar an, zwängte sich hinter den runden Tisch und fiel über zwei Stühle, ehe er sich endlich genau in die Ecke quetschte.

»Nicht dein Tag heute, hm?«, bemerkte Rex und ließ sich gegenüber nieder.

»Nicht mein Tag? Eher nicht meine Woche. Nicht mein Monat.«

»Klingt hart«, kommentierte Rex und bereute es schon, gefragt zu haben. »Also was willst du trinken?«

Der Kerl schaute unsicher auf Rex’ Glühbier.

»Auch eins? Geht klar.« Rex winkte der Kellnerin, die gerade wieder mit Bier, Schnaps und Cocktails behängt wie ein zotteliger Weihnachtsbaum durch die Bar schwebte.

Sie rauschte heran mit einem Lächeln, dass einem Mann die Knie weich werden lassen konnte. »Was kann ich für dich tun, Süßer?«

»Zwei girelianische Glühbier bitte.« Rex grinste sie an. Und er grinste noch, als sie mit wiegenden Hüften davonstolzierte.

»Pass bloß auf!«, sagte der Typ in der Ecke. »Schöne Frauen machen nur Ärger.«

»Klingt, als hättest du da Erfahrung.«

»Ich sage es dir, schöne Frauen und inkompetente Schneider. Die sind die große Geißel des Universums.«

»Schneider?«

»Allerdings. Ich bin nur hier, weil ich meinen suche. Um ihm dann ordentlich die Leviten zu lesen, wenn er auftaucht.«

»Deinem Schneider?«

Er nickte. »Lange Geschichte.«

»Ich habe Zeit«, hörte Rex sich sagen. Verdammt! Da hatte definitiv das Bier gesprochen.

Der Typ lächelte freudlos. »Na gut. Gleich.«

Er stand auf, wand sich hinter dem Tisch hervor, und ging der Kellnerin entgegen, die schon wieder voll beladen auf ihren Tisch zusteuert.

»Darf ich dir helfen?«, fragte er höflich.

Die haarige Schönheit musterte ihn von oben bis unten und ihr Blick blieb an dem ramponierten Shirt hängen. »So wie du aussiehst, kannst du nicht mal dir selbst helfen.« Sie drängte ihn unsanft beiseite und knallte das Bier auf den Tisch. Dann rauschte sie grußlos ab.

Glück bei den Frauen hat der Kerl jedenfalls auch nicht. Rex verkniff sich ein mitleidiges Kopfschütteln.

Geduldig wartet er, bis sein Tischnachbar sich wieder in seine Ecke gequetscht hatte. Dann schob er ihm sein Bier zu und hob das eigene Glas.

»Prost! Auf dass dein Schneider bald hier auftauchen möge.«

»Das hoffe ich doch, immerhin hat er behauptet, der Laden seid quasi sein zweites Wohnzimmer.« Der Typ hob sein Glas, dann tranken sie.

»Also«, forderte Rex und ließ seinen Drink auf die Tischplatte knallen. »Jetzt erzähl schon!«

»Okay, mein Schneider …« Der Kerl setzte sein Glas ab und zog sein Shirt gerade. »Nennt sich Gerry Thomas. Untersetzter Typ, Halbglatze, Dauergrinsen. Du kannst es dir vorstellen. Hab ihn hier kennengelernt, vor ein paar Wochen.«

Rex nickte.

»Da hatte ich gerade meinen Job in den nadorianischen Minen verloren und war auf der Suche nach was Neuem, mehr Abenteuer, mehr Geld, was man halt so anstrebt. Aber ich hatte nur meine eingestaubte Minenarbeiterkluft am Leib. Damit nimmt einen ja keiner für voll. Hatte mir deshalb schon mehr als eine Abfuhr gefangen.«

»Und da kam der Schneider ins Spiel«, mutmaßte Rex.

»Ganz genau.«

Rex nahm noch einen Schluck. Besonders spannend versprach diese Geschichte bisher nicht zu werden. Aber wenigstens hielt ihn das Bier bei Laune.

»Dieser Kerl, Gerry, der Schneider, versprach mir ein Outfit, mit dem ich garantiert den nächsten Job bekommen würde, und dann machte er mir das hier.« Der Typ zog an dem ramponierten roten Shirt.

»Und das hat nicht geklappt, nehme ich an.«

»Doch, doch.«

»Echt?« Rex schaute genauer hin und versuchte sich die Kratzspuren und Blutflecken wegzudenken. Es blieb dennoch ein unspektakuläres Outfit.

»Echt«, bestätigte der Typ. »Kaum hatte ich das Ding an, konnte ich in einer dieser großen Abenteurercrews anheuern. Ich kam auf ein schnelles Schiff mit Captain, Pilot, Wissenschaftlern … verdammt, wir hatten sogar einen Arzt und eine Krankenschwester!«

»Klingt doch prima.«

»War es auch. Erst mal. Aber dann fing es an.« Der Kerl macht eine dramatische Pause, die er für einen vorsichtigen Schluck Glühbier nutzte.

»Was fing an?«, fragte Rex.

»Wir besuchten die Sumpfblumenebenen von Terillia VIII und wer fing sich die terillianische Grippe ein und wäre vor Fieber beinahe verglüht? Ich. Wir durchflogen den Inteka–Nebel, es kam zu Strahlungsinterferenzen und wem explodierte die Konsole direkt unter den Händen? Mir.«

»Na zum Glück hattet ihr einen Arzt an Bord.«

»Allerdings. Ich verbrachte Wochen auf der Krankenstation. Die anderen Crewmitglieder fingen schon an, zu lästern. Und dann kam Hrolimi III

»Wo ist das denn?«

»Das ist ein elendiger Felsbrocken, der um einen unbedeutenden Stern in der Nähe des Edo–Nebels kreist. Es gibt eine primitive Kultur dort, die nicht gestört werden soll. Eigentlich. Deshalb wären wir da auch eigentlich gar nicht hingeflogen, aber dann meldete der Primus von Tekla V, dass seine Tochter, Prinzessin Minja, von einer Piratenbande dorthin entführt worden ist, und weil der Captain eine gute Handelsbeziehung mit dem Primus anstrebte, zogen wir natürlich los, die Frau zu retten.«

Rex nickte. Die Politik der Reichen und Mächtigen war ihm bestens vertraut. Wen interessierten schon ein paar primitive Einheimische, wenn es eine bedeutende Freundschaft zu festigen gab. »Und das lief nicht so gut?«, riet er.

Sein Gegenüber lachte humorlos. »Für unsere Landung wählte der Captain ein Felsplateau. Karg und abgeschieden, damit wir den Einheimischen nicht direkt über den Weg laufen würden. Wir nahmen auch kein Shuttle. Der Teletransporter brachte uns auf die Oberfläche. Es kribbelt ein bisschen und schon stand ich am Rande des Plateaus und atmete heiße, trockene Luft ein. Der Himmel über uns war wolkenlos blau, die Ebene offen und weit und ich wollte gerade meinen Handscanner ziehen, da krachte es markerschütternd.

Im nächsten Augenblick brach der Boden unter meinen Füßen weg. Ich ließ den Scanner fallen, warf mich zur Seite. Ich streckte mich nach dem Rand der frischen Klippe, erreichte ihn gerade so mit den Fingerkuppen, und krallte mich fest. Der scharfe Stein schnitt mir in die Haut, und dann riss so unvermittelt mein eigenes Körpergewicht an mir, dass ich um ein Haar den Halt verloren hätte.

Wären der Captain und unser Wissenschaftsoffizier nur ein klein wenig langsamer gewesen, ich wäre in den sicheren Tod gestürzt. Sie packten mich bei den Armen, zerrten mich hoch und von der Kante fort. Und während ich noch dabei war, meine Blessuren zu zählen, verkündete der Wissenschaftsoffizier großspurig, dass die Felsstruktur instabil sei und wir beim Abstieg aufpassen sollten.«

Rex nahm einen großen Schluck Glühbier. »Na, da hast du aber Glück gehabt.«

»Glück, ja?«, fragte der Kerl. »Ich bin es leid, diese Art von Glück zu haben. Weißt du, wer ich lieber wäre als der Kerl, der wie durch ein Wunder bei jeder Katastrophe mit seinem Leben davonkommt? Ich wäre gern der Kerl, der gar nicht erst in die Katastrophe hineingerät!«

»Schon klar.«

»Du glaubst immer noch, ich bilde mir das ein, nicht wahr? Blähe eine kleine Pechsträhne künstlich auf?«

»Na ja …«

»Dann pass auf und zieh dich warm an! Es ging noch weiter auf Hrolimi III

Rex zuckte die Schultern und trank sein Bier.

»Wir fanden einen schmalen Pfad im Fels und verließen das Plateau. Große Steinspitzen schützten uns vor unliebsamen Blicken und die Handscanner zeigten die Signatur eines gelandeten Raumschiffs und nicht weit davon mehrere Lebenszeichen an, gut fünfhundert Meter entfernt in einer Höhle. Das mussten sie sein. Die Prinzessin und die Piraten.

Der Captain ging voraus. Mit vorsichtigem Tritt prüfte er immer wieder den Untergrund. Alles stabil. Ich begann gerade, mich wieder sicher zu fühlen, da zischte etwas durch die Luft. Verwirrt sah ich mich nach der Ursache um, konnte aber nichts entdecken, nur Fels. Noch ein Zischen. Näher diesmal.

Ich wich zurück, hob die Hände.

Ein weiteres Zischen, dann ein lauter Schlag. Schmerz, der sich an meiner Schläfe ausbreitete und mich zu Boden warf. Der braune Fels verschwamm vor meinen Augen, drehte sich.

›Deckung!‹, rief der Wissenschaftsoffizier. Ich wollte ihm gerade antworten, doch da verlor ich das Bewusstsein.«

»Lief nicht so gut«, fasste Rex zusammen. »Was war da los? Haben euch die Piraten aufgelauert?«

»Schlimmer.«

»Ach, komm!«

»Ich wachte auf – mit dröhnendem Schädel – und fand mich im Halbdunkel an eine Felswand gelehnt wieder. Der Captain höchstpersönlich fühlte meinen Puls.

›Bleiben Sie ruhig, Junge‹, flüsterte er mir zu. ›Wir werden beobachtet.‹

Die Grabesstimme, mit der er das sagte, ließ mich zusammenzucken und …« Rex’ Gegenüber rieb sich die Schläfe. »Aua!« Eine vorbeizischende, grell blinkende Kugel hatte dort soeben einen dunklen Abdruck hinterlassen.

Leicht benommen sah er sich nach dem 3D-Billardtisch in der gegenüberliegenden Ecke um. Vier schweinsnasige Muskelpakete vom Planeten Omigra IV standen darum und grinsten unschuldig.

»Die haben sie doch nicht mehr alle …«

Rex legte ihm eine Hand auf den Arm, eher er aufstehen und etwas Dummes tun konnte. »Ruhig! War doch nur ein Ausrutscher.« Er erhob sich von seinem Platz, bückte sich nach der Kugel und warf sie den Spielern zu. »Passt auf, wer die 59er-Kugel zweimal aus dem Spiel pfeffert, gibt sich geschlagen. So sind die Regeln!«

Die Schweinsnasen lachten und Rex setzte sich wieder zu seinem Trinkkumpan. »Wo waren wir?«

»Ich glaube, ich war gerade bei den gruseligen Primitiven, die unsere Höhle belagerten.«

»Ach, ihr wart schon in der Höhle?«

»Ja, ja. Die anderen hatten mich dorthin getragen, während ich ohnmächtig war.«

»Nett.«

»Ist ja wohl das Mindeste, nachdem ich für den Captain und seine blöde Prinzessin nun schon zweimal knapp dem Tode entronnen war.«

Rex zuckte die Schultern und trank sein Bier.

»Wir hatten es jedenfalls in den Eingang der Piratenhöhle geschafft. Ab und zu zischten noch Steine von den Schleudern der Eingeborenen an unseren Köpfen vorbei, aber niemand folgte uns ins Halbdunkel.

›Sie halten Abstand‹, bemerkte der Captain.

›Etwas in der Höhle muss sie abschrecken‹, folgerte der Wissenschaftsoffizier.«

»Na sicher die Piraten«, warf Rex ein. »Die werden da wohl ein festes Lager eingerichtet haben.«

»Tja, das war auch unsere Vermutung. Und deshalb drangen wir gedankenlos tiefer in die Höhle ein. Es war dunkel dort, und wir trauten uns nicht, die Taschenlampen anzuschalten. Also tasteten wir uns an kaltfeuchten Felswänden entlang in die Höhle vor, immer der abgestandenen Luft entgegen.

Irgendwann waren da Stimmen. Männerstimmen. Es mussten mindestens sechs oder sieben gewesen sein. Der Captain hieß uns stehenbleiben und schlich allein weiter. Schon verschwand er in der Finsternis und, ich bin ehrlich, ich war dankbar, wenigstens vom Showdown verschont zu bleiben.

Dachte ich jedenfalls.

Wir hörten Stimmen, also …«

Der Typ brach ab. Seine Augen fixierten einen Punkt hinter Rex. Sein Gesicht nahm ein derart intensives Rot an, dass es fast genauso leuchtete wie sein Shirt. Er zog die Brauen zornig zusammen und schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch.

Rex setzte das Bier ab und folgte dem Blick seines Gegenübers. Die Bar war seit seiner Ankunft noch voller geworden, und gerade trat wieder ein neuer Schwung Gäste ein.

Der Kerl im roten Shirt sprang auf, stolperte hinter dem Tisch hervor und lief auf die Gruppe zu. Er packte einen untersetzten Mann am Kragen und drängte ihn an die Wand neben dem Schott. Grob stieß er ihn dagegen – so grob, dass der große Koffer, den der Neuankömmling bei sich trug, schwungvoll gegen die Wandverkleidung krachte. Die krisanische Totenmaske, die dort protzig ausgestellt war, löste sich von ihrem Haken und krachte dem Kerl in Rot auf den Kopf.

»Au!«, brüllte der durch die komplette Bar. »Daran bist du schuld, nur du!« Er zog den kleineren Mann an sich heran und stieß ihn noch einmal gegen die Wand.

Rex erhob sich. Er ließ sein Bier stehen und ging zügig zu den beiden hinüber.

»Ich will mein Geld wiederhaben! Und Schmerzensgeld und …«

Rex packte den Typen an der Schulter und zog ihn zurück.

»Ganz ruhig. Wenn du ihm dem Schädel einschlägst, kann er dir gar nichts mehr zurückzahlen, vergiss das nicht.«

»Ich weiß gar nicht, worum es geht«, kreischte der kleinere Mann. Schützend hob er den Koffer vor seine Brust.

»Ach nein?«, rief der andere erbost und zog sich mit beiden Händen am Shirt. »Etwa schon vergessen?« Er sprach jetzt höher, äffte die Stimme des Schneiders nach. »Alles eine Frage der Optik und des Auftretens. Dieses Teil wird dir Glück bringen. Ruhm und Ehre und jeden Job, den du dir wünschen kannst. Glück … dass ich nicht lache!« Er spannte sich an und wäre sicher noch einmal auf den Mann losgegangen, hätte Rex ihn nicht rechtzeitig festgehalten.

»Schluss jetzt«, sagte Rex mit autoritärer Ruhe. »Wir setzen uns erst mal und du erzählst in Ruhe fertig.«

Der Hitzkopf stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht gegen Rex’ Griff. Als er allerdings nicht loskam, gab er nach. Schicksalsergeben nickte er.

Rex ließ ihn los.

»Komm, du auch!«, sagte er zum Schneider. »Sonst gibt der hier keine Ruhe.«

Zu dritt kehrten sie an ihrem Ecktisch zurück und Rex bestellte eine neue Runde Glühbier.

Der Schneider ließ schnaufend den Koffer fallen und nahm Platz. »Was ist denn überhaupt los?«

»Das fragst du noch?«, ereiferte sich der andere.

»Ruhig«, warf Rex dazwischen. »Erklär’s ihm.«

»Na gut. Ich denke, ich beginne noch mal am Anfang.«

»Unsinn!«, sagte Rex hastig. Er wandte sich an den Schneider. »Es reicht, wenn du weißt, dass er in seinem neuen Job wenig Glück hatte. Du hast eine explodierte Konsole, einen beinahe fatalen Felsrutsch und ein paar steinschleudernde Einheimische verpasst.«

»Na wenigstens war der junge Mann bei all den Schikanen gut gekleidet.« Der Schneider lächelte versöhnlich.

»Schwachsinn! Das war mehr als eine Pechsträhne. Da war noch die terillianische Grippe und …«

»Na gut«, sagte Rex, »die Grippe war halt auch noch. Jetzt kommen wir jedenfalls endlich zu den Piraten, richtig?«

»Ja, richtig. Der Captain war noch nicht lange weg, da hörten wir zornige Rufe und einen schrillen Frauenschrei tief aus der Höhle. Der Wissenschaftsoffizier und ich zogen unsere Laserpistolen und stürzten dem Captain hinterher. Ich rauschte in die Höhle, bereit für einen Kampf mit den Piraten, aber …«

»Lass mich raten«, fuhr Rex dazwischen, »du bist gestolpert.«

»Nein.«

»Dir ist ein Stalaktit auf den Kopf gefallen?«

»Auch nicht.«

»Laserfehlzündung?«, bot der Schneider hilfreich an.

Der Mann im lädierten roten Shirt funkelte ihn finster an.

Zum Glück schien die entzückende Kellnerin nur auf diesen Augenblick brodelnder Anspannung gewartet zu haben. Sie schwebte heran und ließ mit einem leisen Plopp alle drei Bier auf den Tisch fallen, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten.

»Sehr beeindruckend«, lobte Rex weniger eloquent, als ihm lieb gewesen wäre. »Danke!«

»Bitte.« Die Schöne strahlte ihn an und entschwand wieder.

Rex sah ihr wehmütig nach, dann prostete er den anderen beiden zu. Sie hoben die Gläser und tranken.

»Au!«, schimpfte der Kerl in Rot.

»Zunge verbrannt?«

Er nickte verkniffen.

»Also was war denn nun mit den Piraten und der Höhle?«, fragte der Schneider. »Vor allem: Was hat das alles mit meiner Arbeit zu tun?«

»Wir stürmten in die Höhle. Sie war mit Notstrahlern schummrig beleuchtet und wisst ihr, was wir statt des erwarteten Feuergefechts im Halbdunkel vorfanden?«

Schweigen.

»Ein riesiges Monster! Größer als ein morilianischer Ochse, mit Hörnern und Reißzähnen und sechs klauenbewehrten Gliedmaßen. Der Captain und zwei Piraten beschossen das Vieh immer abwechselnd mit ihren Laserpistolen, sodass es mal hierhin, mal dorthin herumfuhr, ohne je Zeit genug zu haben, einen von ihnen anzugreifen.«

»Clever«, bemerkte Rex.

»Ja, total! Nur sobald das Tier mich wahrgenommen hatte, brüllte es auf, senkte den Kopf und nahm mich ins Visier. Schon rannte es auf mich zu. Schießen half nichts, das hatte ich ja gesehen, also nahm ich die Beine in die Hand. Ich duckte mich ab, ich schlug Haken, hinter mir hörte ich das Laserpistolenfeuer. Trotzdem knallten die Klauen des Monsters immer lauter auf den Fels. Ich hörte das Untier schnaufen, roch seinen beißenden Raubtiergestank, stolperte weiter. Dann kam der Schmerz.

Es war, als detonierte eine Plasmaleitung unmittelbar in meinem Rücken. Das Monster nahm mich auf die Hörner. Es schleuderte mich in die Luft. In hohem Bogen segelte ich zur Decke und klatschte dagegen wie ein asitotischer Riesenkäfer gegen eine Vierkantfangscheibe. Ich schrie, Sterne explodierten mir vor den Augen … den Aufprall auf dem Höhlenboden bekam ich schon gar nicht mehr mit.«

»Uff«, kommentierte Rex.

»Aber du hast überlebt, oder?«, fragte der Schneider und lächelte gefällig. »Na, wenn das kein Glücksshirt ist …«

»Ich bin noch nicht fertig!« In seinen Augen blitzte ein Anflug von Wahnsinn auf.

»Ist ja gut …«

»Als ich wenig später erwachte, brannte und schmerzte mein gesamter Körper. Noch immer tanzten mir Sternchen vor den Augen, aber dahinter sah ich den verdammten Captain, wie er die Prinzessin in den Armen hielt und innig küsste. Die Piraten lachten und hatten offensichtlich Frieden mit uns und der Situation geschlossen. Alle waren bester Dinge. Nur das Monster lag besiegt am Boden.«

»Wie das?«, fragte Rex.

»Konzentriertes Sperrfeuer. So hat es mir der Wissenschaftsoffizier erklärt. Als der hrolimianische Säbelzahnstier, wie sie das Ungeheuer getauft hatten, sich ganz mir zuwandte, hatten die anderen die Chance, ihre Laserstrahlen über längere Zeit zu bündeln und ihn so zu betäuben. Und wollt ihr raten, wieso er mich angegriffen hat, hm?«

Weder Rex noch der Schneider antworteten.

»Er reagierte auf die Farbe Rot. Mein Shirt machte ihn derart aggressiv, dass er die anderen Angriffe gar nicht mehr wahrnahm.«

»Oh«, sagte der Schneider.

»Hm«, brummte Rex.

»Seht ihr? Ich hab’s euch gesagt!« Erschöpft, aber mit einer seltsamen Zufriedenheit nahm der Kerl einen kräftigen Schluck Bier.

»Also«, sagte der Schneider, »das klingt doch ganz so, als sei mein Design letztlich sogar die Lösung eures Problems gewesen. Das …« Der bitterböse Blick, den sein Gegenüber ihm zuwarf, ließ ihn verstummen.

»Vielleicht liegt es nicht nur an den Klamotten«, versuchte Rex zu vermitteln. »Vielleicht ist das einfach nicht dein Job.«

»Oh, allerdings nicht! Nach Hrolimi III habe ich gekündigt, das ist ja wohl klar. Jetzt bin ich total lädiert und schon wieder arbeitslos.«

»Du könntest was Ungefährliches machen«, schlug Rex vor. »Etwas in der Sicherheit einer großen Gruppe. Vielleicht in die Armee eines interstellaren Imperiums eintreten. Da muss man ja nicht viel mehr können als Patrouille laufen und schießen, habe ich gehört. Weniger Abenteuer, mehr Routine, hm?«

Der Kerl schaute in sein Bier und nickte. »Vielleicht sollte ich das. Aber das macht nicht gut, was war. Ich will mein Geld zurück!«

»Für ein Teil mit solchen Gebrauchsspuren?«, ereiferte sich der Schneider. »Nach wie vielen Wochen? Niemals!«

Der Kerl schlug mit der Faust auf den Tisch und sprang auf. Rex mache sich bereit, ihn abermals aufzuhalten, da hob der Schneider beide Hände und seufzte schwer.

»Na gut, na gut«, brummte er. »Ich will mal nicht so sein. Einen Vorschlag hätte ich. Aus reiner Kulanz allerdings!«

Sein Gegenüber verharrte. »Ja?«

»Ich hab da noch was …« Der Schneider wuchtete seinen Koffer auf den Tisch. »Ein ganz neues Outfit, das ich bisher nicht verkauft habe. Das kannst du nehmen, wenn du dich beim Imperium bewirbst. Alt gegen neu, sozusagen, ohne jeden Aufpreis. Na, wie ist das?«

Der Kerl ließ die Schultern hängen und sich auf seinen Stuhl zurücksinken. »Ich brauche wirklich etwas Neues, ehe ich mich irgendwo vorstellen kann.«

»Siehst du.« Der Schneider grinste. Er ließ den Koffer aufschnappen und beförderte eine weiße Rüstung samt Helm aus widerstandsfähigem Kunststoff hervor. »Nimm die hier, und ich bin sicher, es wird alles gut werden.«

Der junge Mann zögerte. Wahrscheinlich malte er sich seine Chancen in einem Faustkampf gegen den Schneider aus. Die Vernunft siegte.

»Na gut. Abgemacht.« Schwungvoll leerte er sein Bier und knallte das Glas auf die Tischplatte. »Gib her!«

Er griff nach der Rüstung, zog den weißen Helm aus dem Koffer, drehte ihn in den Händen, klopfte dagegen. »Sieht stabil aus. Wenn ich den trage, fällt mir beim Rausgehen vielleicht nicht noch mehr Kitsch auf den Kopf.«

Rex zuckte die Schultern. Der Schneider nickte eifrig.

Der Typ setzte den Helm auf, gerade als am Ende der Bar eine Band glupschäugiger Glatzköpfe eine flotte Trompetennummer aufspielte.

»Steht er mir?« Der Helm verlieh seiner Stimme einen leicht blechernen Klang.

»Und wie!« Der Schneider strahlte. »Der Rest wird auch toll an dir aussehen. Verlass dich drauf, Junge.«

»Na dann …« Sein Blick fuhr nervös zur Theke, wo gerade ein zotteliger Kerl mit Fühlern einen älteren Herrn in brauner Kutte anknurrte. »Ich verschwinde besser, ehe der nächste Stress aufzieht. Je früher ich aus dieser roten Todesfalle heraus bin, desto besser! Man sieht sich.«

Damit stand er auf, nahm seine Rüstung und eilte aus der Bar, vorbei an zwei kleinen Robotern mit nervtötenden Piepsstimmen.

Rex sah ihm nach. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schüttelte den Kopf. »Schräger Vogel.«

»Allerdings.« Der Schneider reichte ihm die Hand. »Gerry Thomas übrigens.«

»Rex Kingston. Angenehm.«

»Wer war der Typ eigentlich?«

Rex zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Irgend so ein Jedermann.«

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