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ОглавлениеAlessias Kopf schmerzte. Die Augen brannten vom Weinen und den rauen Taschentüchern. Sie sah den Mann gegenüber nicht mehr ganz deutlich. Als Commissario Marco Bianchi vom Commissariato Lugano hatte er sich vorgestellt. Ihr schien, als würde sie seine Fragen schon zum zweiten oder dritten Mal beantworten. Sie versuchte, sich auf seine Worte zu konzentrieren.
»Der Notruf ging um 7:06 Uhr ein, von Ihrem Mobiltelefon, Signora Bernasconi. Um cirka 6:35 Uhr, spätestens 6:40 Uhr waren Sie gemäß Ihren Angaben vom Joggen zurück und trafen auf Ihren Bruder. Zwischen Ihrem Blick in den Kühlraum und der Benachrichtigung der Polizei sind also mindestens 26 Minuten vergangen. Was ist in dieser Zeit passiert?«
Wieder sah sie Luigi vor sich, wie er vor ihrer Haustür gestanden hatte. Er hatte sie am Arm gepackt und geschüttelt.
»Wo seid ihr denn, verdammt?«, hatte er gezischt. »Wo ist Francesco?«
»Er schläft wohl. Was soll das?«
Sie hatte vergeblich versucht, sich zu befreien. Er zwang sie, mit ihm zur Fabrik zu gehen.
»Lüg mich nicht an. Francesco ist nicht da.«
Er hatte sie durch die Tür in den Packraum der fabbrica gestoßen, durch den Korridor zur Produktion geschoben. Papà saß dort am Boden, weiß im Gesicht, auf der Stirn eine Platzwunde. Sie wollte sich zu ihrem Vater beugen, aber Luigi zerrte sie weiter zum Kühlraum hin, riss die Tür auf, schob sie hinein.
»Da. Schau hin.«
Etwas Bitteres kam ihr hoch. Sie schluckte es hinunter. Luigi ließ sie los, sie konnte sich abwenden, zurück in den Produktionsraum wanken.
»Wer tut so etwas?!«
Luigis verzweifelter Schrei hatte in ihren Ohren gedröhnt. Sie versuchte, einen Fuß vor den anderen zu setzen, fort von diesem Kühlraum. Eine Art Krächzen ließ beide zu ihrem Vater schauen. Er war zur Seite gekippt und bewegte die Lippen, ohne dass sie verstanden, was er ihnen sagen wollte.
»Ich rufe jetzt die Polizei«, hatte Luigi gesagt, wieder gefasst.
Da war sie aus ihrer Starre erwacht.
»Warte! Lass mich das machen.«
Sie war gerannt, zurück zu sich nach Hause, direkt nebenan.
»Signora Bernasconi?«
Sie zuckte zusammen.
»Ich habe Sie etwas gefragt.«
Der Commissario sah sie an. Der Schmerz in ihrem Kopf wurde immer stärker.
»Ich … ich kam gerade vom Joggen. Dann war da Luigi und hat sie mir gezeigt … Es … es war ein Schock.«
»Signora Bernasconi. Warum hat ihr Bruder nicht sofort die Polizei gerufen?«
»Ich … Keine Ahnung. Wir waren so durcheinander.«
Sie musste wieder weinen. In ihrem Kopf hämmerte es.