Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 21
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Wie immer, wenn Volker Hagen in der Stadt war, rief er an und traf sich mit seiner Tochter. Er hätte auch seine Frau besucht, aber die wollte ihn ja nicht sehen, und wie ein Bettler vor der Tür seines eigenen Hauses zu stehen, ging ihm gegen den Strich. Sie waren nicht geschieden, gingen nur seit dem großen Krach getrennte Wege.
Ob sich die Ehe wieder einrenken ließ, wusste keiner. Marina hoffte es, und sie wäre auch jederzeit bereit gewesen, dazu ein bisschen nachzuhelfen. Aber das durfte sie nur tun, wenn sie eine echte Chance für eine Versöhnung sah. Bis dahin musste sie die Zeit arbeiten lassen.
Ihr war verschiedentlich aufgefallen, dass die Fronten allmählich aufzuweichen begannen. Das erforderte großes diplomatisches Fingerspitzengefühl. Ein falsches Wort konnte zu einer neuerlichen Verhärtung der Fronten führen und die Eltern noch weiter auseinanderrücken lassen.
Seit Marina nichts mehr von Tommy wissen wollte, nahm ihre Mutter jeden Anruf entgegen. Wenn Veronika nicht im Haus war, läutete das Telefon vergeblich.
Wen Veronika diesmal in der Leitung hatte, sah Marina sofort an deren Blässe. Der Blick der Mutter verdunkelte sich, und ihre Stimme wurde seltsam brüchig.
Vater, dachte Marina. Es ist Papa.
»Marina«, sagte Veronika spröde. »Dein Vater möchte dich sprechen.«
Marina sprang auf und eilte zum Apparat. »Hallo, Papa!«
»Hallo, mein Engel, wie geht es dir?«
»Gut«, antwortete sie, wenngleich es nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber sie konnte ihm jetzt nicht ihr ganzes Leid klagen, das hätte zu lange gedauert.
»Das freut mich«, sagte Volker Hagen. »Ich würde meine hübsche Tochter sehr gern wiedersehen. Wäre das möglich? Gibst du deinem alten Herrn mal wieder die Ehre?«
»Jederzeit«, antwortete Marina, die sich auf diese Treffen immer freute.
Er wohnte immer im selben Hotel, wenn er in der Stadt war, und Marina aß mit ihm jedes Mal
im dazugehörigen Restaurant. Sie verabredeten eine Uhrzeit, und Marina versprach, pünktlich zu sein.
Zweieinhalb Stunden nach seinem Anruf saß sie ihrem Vater in ihrem hübschesten Sommerkleid gegenüber. Das Haar hatte sie an den Seiten mit Kämmchen hochgesteckt.
»Ich muss dir ein Kompliment machen: Du siehst großartig aus«, sagte Volker Hagen lächelnd.
»Das Kompliment kann ich zurückgeben.«
Er trug einen modernen, leicht glänzenden grauen Anzug, ein dezent gemustertes Seidentuch bauschte sich im Ausschnitt seines weißen Hemdes. Seine Züge waren scharf geschnitten, und die Silberfäden, die.sein schwarzes Haar durchzogen, machten ihn sehr interessant.
Dass die Leute zu ihnen herübersahen und über sie sprachen, war Marina gewöhnt. Wenn sie mit Veronika ausging, war es sogar noch ärger. Das war der Preis, den ihre Eltern für ihren Ruhm bezahlen mussten. Wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Marina fragte ihren Vater nach seinen nächsten beruflichen Plänen. Nicht nur deshalb, weil sie wusste, dass er gern über seine Arbeit sprach, sondern auch, weil es sie interessierte.
Das Stadttheater wollte, dass er zwei Klassiker inszenierte, und sollten sich die Termine nicht mit seinen anderen Projekten überschneiden, wollte er das gern übernehmen. Nachdem er Marina ausführlich davon erzählt hatte, wollte er von ihr hören, ob sie bereits konkrete Urlaubspläne hatte und wenn ja, wohin die Reise gehen sollte.
Da sie keine so gute Schauspielerin wie ihre Mutter war, sah er die Veränderung in ihrem Gesicht sofort. Sie musste ihm von ihrer bösen Enttäuschung erzählen. Er hörte ihr zu, ohne sie zu unterbrechen. Als sie erwähnte, dass sie nun mit Veronika nach Teneriffa fliegen würde, hellte sich sein Blick auf. Es gefiel ihm offenbar, dass Mutter und Tochter sich gut verstanden, und dass Veronika für Marina da war, wenn sie sie brauchte.
»Ihr werdet es auf Teneriffa bestimmt sehr schön haben«, sagte er.
Noch schöner wäre es, wenn du dabei wärst, dachte Marina. Ob er ihre Gedanken erriet? Sein tiefer Seufzer ließ sie es vermuten. Wahrscheinlich hätte er die Reise gern mitgemacht, aber gegen den Willen seiner Frau war das nicht möglich, und ihre Einwilligung hätte er wohl kaum bekommen.
»Ich wünsche euch einen großartigen Aufenthalt«, meinte er. »Vergiss diesen Tommy Lindner! Wer dir so etwas antut, der ist dich nicht wert.«
Nach dem vierten Gang musste Marina passen. Ihr Vater nahm noch einen Mokka, und eine halbe Stunde später verabschiedete er sich von Marina. »Tust du mir einen Gefallen?«
»Jeden«, antwortete Marina.
»Pass auf deine Mutter auf, damit sie keine Dummheiten macht!«
»Du kannst dich auf mich verlassen«, meinte Marina und stieg in das wartende Taxi.
»Ich hoffe, du schreibst mir.«
»Aber sicher«, erwiderte sie. Seine derzeitige Anschrift samt Telefonnummer stand in ihrem kleinen Notizbuch. »Vielleicht rufe ich dich zwischendurch auch mal an.«
»Das wäre nett.«
»Und nach unserer Rückkehr hörst du gleich von mir.«
Volker Hagen lächelte fröhlich. »Womit habe ich eine solche Tochter verdient?«