Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 23
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Marina setzte sich auf den Deckel ihres Koffers. Es war immer das Gleiche, egal, wie groß der Koffer war, sie packte stets so viel ein, dass sie ihn nur mit Mühe schließen konnte. Das hatte sie von Veronika, die nahm auch immer zu viel mit.
Ihre Mutter klopfte an die Tür. »Bist du fertig, Schätzchen?«
»Gleich. Ich muss ... nur ... noch ... den ... Koffer ...«
»Ich helfe dir. Darf ich reinkommen?«
»Klar.«
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die Verschlüsse einrasten zu lassen.
»Ich wette, die Hälfte des Kofferinhalts könntest du zu Hause lassen, ohne dass du es auf Teneriffa vermissen würdest«, sagte Veronika.
»Wollen wir mal nachsehen, was in deinem Gepäck alles überflüssig ist?«
Draußen ertönte eine Hupe.
»Das Taxi ist da«, bemerkte Veronika überflüssigerweise.
Sie schleppten ihr Gepäck aus dem Haus, und fünfundvierzig Minuten später checkten sie auf dem Flugplatz bereits ein. Bis zum Aufruf ihres Fluges hatten sie dann noch fast eine Stunde Zeit.
»Kaffee?«, fragte Veronika.
»Lieber eine Cola.«
»Auch gut.«
Sie setzten sich an einen Tisch, von dem aus sie die Boarding Anzeige sehen konnten, und als sie dran waren, legte Veronika Geld neben die Gläser und erhob sich. Sie flog nicht gern, deshalb war sie auch ein wenig fahrig.
Obwohl sie im Laufe eines Jahres x-mal mit dem Flugzeug unterwegs war, konnte sie sich nicht daran gewöhnen, sich ruhig zurückzulehnen und die Aussicht zu genießen.
Hinter der Passkontrolle gab es einige Duty-free-Shops, deren Schaufenstern Mutter und Tochter jedoch keine Beachtung schenkten.
»Gate 21«, sagte Veronika. »Wir müssen zu Gate 21.«
»Diese Richtung.« Marina zeigte auf den entsprechenden Hinweis.
»Diese Flughäfen werden immer monströser. Habe ich dir schon erzählt, wie ich mich auf dem John F. Kennedy International Airport in New York regelrecht verirrt habe?«
Marina nickte lächelnd. »Mindestens fünfmal.«
»So oft schon?«
Im Warteraum vor Gate 21 hatten sie eine kleine Verschnaufpause. Sie setzten sich. Wieder diese neugierigen, heimlichen Blicke. »Verschwörerblicke«, nannte Veronika sie manchmal scherzhaft. Dazu das Getuschel: »Dort drüben sitzt Veronika Hagen!«
Als sie wenig später in den Flugzeugbauch traten, sagte die Stewardess freundlich: »Oh, hallo, Frau Hagen. Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Flug.«
»Danke«, gab Veronika nervös zurück und begab sich zu ihrem Platz. »Unheimlich, diese Flugzeuge«, stöhnte sie, nachdem sie ihr Handgepäck verstaut hatte. »Es wundert mich immer wieder, dass diese großen, schweren Maschinen fliegen. Na ja, einige schaffen es auch nicht, oben zu bleiben.«
»Veronika!«, rügte Marina.
»Entschuldige Schätzchen, ich wollte dir keine Angst einjagen!«
Marina schmunzelte. »Wer von uns beiden hat wohl mehr Angst?«
»Ich«, gab die Schauspielerin unumwunden zu. »Deshalb werde ich mir gleich nach dem Start einen doppelten Kognak bringen lassen. Brauchst du auch einen?«
»Ich bin okay.«
»Der Mensch hat in der Luft nichts zu suchen. Er ist kein Vogel. Es ist anmaßend, überheblich und dumm, alles können zu wollen, deshalb kriegen wir von ganz oben hin und wieder eins auf den Deckel, damit wir nicht größenwahnsinnig werden.«
Marina machte es sich neben ihrer Mutter bequem und schüttelte amüsiert den Kopf. »Ich verstehe dich nicht, Veronika. Wieso buchst du einen Urlaub auf Teneriffa, wenn du weißt, dass damit ein etwa fünfstündiger Flug verbunden ist?«
»Du hast recht. Ich muss nicht ganz bei mir gewesen sein, als ich das Reisebüro aufgesucht habe.«
»Wie sonst sollte man die Kanarischen Inseln erreichen?«
»Früher nahm man sich die Zeit und fuhr mit dem Schiff.«
»Und was, bitteschön, hat der Mensch auf dem oder im Meer zu suchen? Ist er ein Fisch?«
»Es wäre klüger gewesen, im Schwarzwald Urlaub zu machen.«
»Wo es von fünf Wochen viereinhalb verregnet.«
»Das darfst du nicht sagen«, widersprach Veronika. »Ich war schon mal drei Wochen da, und es fiel kein einziger Regentropfen.«
»Diese drei Wochen hat man bestimmt im hundertjährigen Kalender rot angestrichen.«
Die Stewardess ging durch den Mittelgang. »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Frau Hagen?«
»Ja«, antwortete die Schauspielerin mit belegter Stimme. »Alles bestens. Danke.«
»Es ist der Crew eine Freude, Sie an Bord zu haben.« Die Stewardess ging weiter.
Veronika legte den Kopf auf die Lehne und atmete tief durch. »Es ist viel schlimmer als Lampenfieber«, verriet sie ihrer Tochter. »Und ganz besonders schlimm ist es kurz vor dem Start. Da glaube ich immer, ich sterbe.«
Marina riet ihr, den Gurt anzulegen. Sie selbst hatte ihren bereits geschlossen. Als das Flugzeug anrollte, griff Marina nach der Hand ihrer Mutter, die eiskalt war.
»Wie war das denn, als du zum ersten Mal geflogen bist?«, erkundigte sie sich, um Veronika abzulenken.
»Noch viel grauenvoller. Ich wäre nach dem Start am liebsten ohne Fallschirm abgesprungen.«
»Schämst du dich nicht?«
»Vor dir? Du bist doch meine Tochter.«
»Angenommen, es würde jemand anderer neben dir sitzen«, sagte Marina.
»Dann würde ich mich wahnsinnig zusammenreißen, und die Höllenangst würde in mir stattfinden, aber das wäre noch schrecklicher.«
»Du bist schon sehr zu bedauern.«
»Du sagst es, Kleines«, gab Veronika ihr seufzend recht. »Du sagst es. Nur wer die Angst vorm Fliegen kennt, weiß, wie ich leide.«