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Tags darauf brachen Marina und Veronika zu einem unvergesslich schönen und abwechslungsreichen Ausflug auf. Durch das fruchtbare Orotavatal erreichten sie das Lavagebiet des Teide: Las Canadas. Zum ersten Mal sah Marina die eindrucksvollen Ruinen des Urvulkans, der einst einen Durchmesser von fünfzehn und einen Umfang von fünfundzwanzig Kilometern hatte und somit einer der größten Vulkane der Erde war. Sein Mittelstück war nach einer gewaltigen Eruption eingestürzt, und aus seiner Magmakammer hatte sich tief im Erdinnern später der Pico del Teide aufgebaut.

Marina hielt den Landrover an und stieg aus. »Man kommt sich hier wie auf dem Mond vor«, stellte sie überwältigt fest.

Veronika trat neben sie. »Ich war genauso beeindruckt wie du, als ich das zum ersten Mal sah.«

Marinas faszinierter Blick wanderte über die fremdartige Landschaft. Noch nie hatte sie solche in ständigem Wechsel vertretenen Schattierungen von Gelb, Braun und Grau gesehen. Veronika erklärte ihrer Tochter, dass die Verschiedenfarbigkeit auf die hier vorhandenen mineralischen Bestandteile sowie auf Oxydationsvorgänge zurückzuführen sei.

»Auf vielen Steinen siehst du dunkel schimmernden, glasähnlichen Obsidian, der von den Ureinwohnern der Insel, den Guanchen, zur Herstellung von Gerätschaften und Waffen verwendet wurde«, fügte sie hinzu. Außer Ginsterbüschen, einer Geißkleeart namens Codeso und der Besenranke fehlte hier oben jede auflockernde Vegetation.

»Es ist eine andere Welt«, stellte Marina begeistert fest.

»Ich wusste, dass es dir gefallen würde«, erwiderte Marina schmunzelnd. »Wollen wir die Fahrt fortsetzen?«

Die Straße schlängelte sich an Lava und Aschenbergen vorbei auf die Talstation der Seilbahn zu. Die Gondel hätte dreiunddreißig Passagiere gefasst, war aber nur halb voll. Sie erreichten die Bergstation in zehn Minuten.

»Leider sind wir jetzt aber noch nicht ganz oben«, sagte Veronika. »Es liegt noch ein mühsamer Weg von mehr als einer halben Stunde bis zum Gipfelkreuz vor uns. Du musst langsam und gleichmäßig gehen. Viele Besucher überschätzen ihre Kräfte. Auf Grund der beträchtlichen Höhe wird der Kreislauf bis an seine Grenzen belastet.«

»Okay, du gehst vor mir und bestimmst das Tempo«, schlug Marina vor.

Der Pfad zum 3718 Meter hohen Gipfel des Teide wurde durch Geröll und Asche erschwert. Schon bald merkte Marina, wie richtig der Rat ihrer Mutter war, langsam zu gehen. Sie atmete schwer und musste sich ihre Kräfte gut einteilen.

Kurz vor dem Ziel durchquerten sie den Krater, der einen Durchmesser von fünfundsiebzig Metern hatte. Schwefeldämpfe, gelbe Schwefelaussonderungen und schlohweißes Gestein verfehlten ihre Wirkung auf Marina nicht. Ihr war ein wenig unheimlich zumute. Wenig später erreichten sie das eiserne Gipfelkreuz, gut vierzig Meter über dem Kraterboden.

»Geschafft«, rief Veronika aufatmend. »Nun sieh dir dieses unbeschreiblich beeindruckende Panorama an. Wir haben Glück. Die Luft ist heute glasklar.«

Ein kühler Wind trocknete sehr rasch den Schweiß von Marinas Stirn. Teneriffa lag ihnen zu Füßen. Veronika zeigte ihrer Tochter die Inseln La Palma, Gomera und Gran Canaria.

»Und dort, dieser dünne Strich am Horizont, das ist Afrika«, erklärte sie so stolz, als wäre ihr dieser wunderbare Ausblick zu verdanken.

»Sagenhaft!«

Veronika lächelte. »Hat sich die Strapaze des Aufstiegs gelohnt?«

»Auf jeden Fall!«

Sie suchten sich ein windgeschütztes Plätzchen und ruhten eine Weile aus. Hier oben waren alle Probleme und Sorgen so unwichtig und klein, dass Marina den irrealen Wunsch verspürte, für immer auf diesem Berg zu bleiben.

Zurück fuhren sie durch den prächtigen Esperanza-Wald. Die Luft war hier so rein wie nirgends sonst auf der Insel und von Waldfeuchtigkeit und Harzgeruch durchdrungen.

»Das Holz dieser Kiefern, die nur auf dem kanarischen Archipel vorkommen, gilt als unverwüstlich«, erklärte Veronika. »Man findet es in den geschnitzten Türen und Balkonen alter Patrizierhäuser und in den getäfelten Decken der Kirchen. Auch ohne schützenden Anstrich widersteht es jahrhundertelang den Witterungseinflüssen.«

In der schön gelegenen Stadt La Laguna machten sie ausgiebig Rast, ehe der Tag zur Neige ging und sie nach Puerto zurückkehrten.

»Ich hoffe, es hat dir gefallen«, sagte Veronika, als sie ausstiegen.

»Es war der bisher schönste Tag auf der Insel«, erwiderte Marina. »Ich muss all die wunderschönen Dinge, die ich gesehen habe, erst noch verarbeiten.«

Sie suchten ihren Bungalow auf, duschten, zogen sich um und begaben sich ins Restaurant, wo eine Riesenüberraschung auf sie wartete. Veronika, die hungrig ihre Suppe aß, fiel beinahe der Löffel aus der Hand, als eine bestens bekannte Stimme freundlich sagte: »Guten Abend, die Damen.«

Ihr Kopf ruckte hoch, und sie starrte ihren Mann mit weit aufgerissenen Augen an. Er trug ein weißes Dinner-Jackett und schwarze Hosen, sah großartig aus und wirkte eleganter als jeder andere Mann im weiten Umkreis.

»Volker!« Unglauben schwang in Veronikas Stimme mit. »Was ... was machst du denn hier?« Sie war völlig durcheinander.

»Urlaub«, antwortete er lächelnd. »Wie ihr. Darf ich mich zu euch setzen? Ich hasse es, allein zu essen.«

Veronika nickte. Sie war viel zu perplex, um ihm irgendeinen Wunsch abzuschlagen, und Marina bildete sich ein, zu sehen, dass sich ihre Mutter über das unverhoffte Erscheinen ihres Mannes freute. Er stellte zufrieden fest, dass sie beide großartig aussahen.

»Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich euch nachgereist bin«, sagte Volker Hagen während des Essens. »Ich verspürte den unbändigen Wunsch, mal wieder mit euch beiden zusammen zu sein. Fernab von jeder Hektik, völlig privat, ohne Stress und Termine.«

Nach dem Essen gingen sie an die Bar. Marina wusste, dass sie ihre Eltern jetzt besser allein ließ.

Volker Hagen sah seiner Frau fest in die Augen. »Ich habe den ersten Schritt getan, Veronika. Nun liegt es an dir, wie es mit uns weitergeht.«

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