Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 9

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Der oder keiner!, dachte Marina, als sie Tommy Lindner zum ersten Mal sah. Der attraktive junge Fahrlehrer sah genauso aus wie der Mann ihrer Träume: groß, schlank, dunkelhaarig mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Sein Gesicht war sportlich braun und strahlte eine sympathische Lässigkeit aus. Den konnte bestimmt so gut wie nichts aus der Ruhe bringen.

In der ersten Fahrstunde erklärte Tommy ihr sachlich die Funktionen der verwirrend vielen Schalter, Hebel, Ziffern, Zeiger und Symbole. Erfahrungsgemäß setzte er voraus, dass Marina das beim ersten Mal nicht gleich alles behielt, doch sie überzeugte ihn vom Gegenteil. Marina hatte nicht nur ein überdurchschnittlich gutes Gedächtnis, ihre Mutter, die Schauspielerin Veronika Hagen, besaß auch zwei Autos - ein großes und ein kleines - in denen sie sich mit der Anordnung jener Bedienungselemente und deren Überwachungsanzeigen schon ein wenig vertraut gemacht hatte. Deshalb konnte Marina das Meiste von dem, was Tommy erklärt hatte, in verständlicher Form wiedergeben.

Gefahren war Marina jedoch noch keinen Meter. Kein Wunder also, dass die erste Ausfahrt - die Stunde der Wahrheit, wie sie es nannte – eine Katastrophe wurde. Doch das erschütterte Tommy nicht im Geringsten und ließ Marina vermuten, dass alle Anfänger diese blamablen Bocksprünge fabrizierten, zu viel oder zu wenig Gas gaben, den Motor abwürgten, über Randsteine zu fahren drohten oder viel zu weit in der Straßenmitte fuhren.

Da Marina ihrem Fahrlehrer mit einer besonders guten Leistung imponieren wollte, war die Stunde ziemlich stressig. Ihre Hände zitterten, als sie das Fahrzeug danach beinahe fluchtartig verließ. Das blonde Haar hing ihr wirr ins Gesicht, ohne dass sie sich erklären konnte, wann und wie ihre hübsche Frisur so sehr in Unordnung geraten war. Ihr Atem ging schnell und ihr Herz klopfte aufgeregt. Deshalb fragte sie lieber nicht, wie Tommy die Leistung gefunden hatte.

»Fürs erste Mal ging’s ganz gut«, meinte er zu ihrer großen Verblüffung.

»Finden Sie das wirklich? Oder machen Sie mir dieses Kompliment nur, damit ich den Mut nicht verliere und wiederkomme?«

»Kein Meister fällt vom Himmel.«

»Das nicht, aber hatten es die heutigen Meister bei ihrer ersten Fahrstunde auch so schwer?«

»Am Anfang denkt nahezu jeder: Das schaffe ich nie, und irgendwann besteht er doch seinen Führerschein.«

»Was nicht bedeutet, dass jeder, der einen Führerschein besitzt, auch tatsächlich Autofahren kann.«

»Wir bringen unseren Schülern das erforderliche Rüstzeug bei und geleiten sie durch die behördlichen Tests. Wenn sie ihr erworbenes theoretisches und praktisches Wissen jedoch hinterher nicht perfektionieren, haben wir leider keinen Einfluss mehr darauf.«

Sie begaben sich in das Fahrschulgebäude und vereinbarten den nächsten Termin. Für Marina war es fast so, als würde sie sich mit Tommy zu einem Rendezvous verabreden. Sie hätte sich ganz gern mal mit ihm getroffen, und sie war ziemlich sicher, dass Tommy Lindner sie schon bald fragen würde, ob sie mit ihm ausgehen wolle. So etwas kann man heraufbeschwören.

Fröhlich fuhr Marina mit dem Bus nach Hause. Sie freute sich darauf, ihrer Mutter von dem einschneidenden Erlebnis der ersten Fahrstunde zu berichten und - ganz nebenbei - auch von Tommy. Aber Veronika, wie sie ihre Mutter nannte, war nicht da.

Wieder einmal nicht, dachte Marina enttäuscht.

Wieder einmal war sie sich selbst überlassen, befand sie sich allein in dem großen, geschmackvoll und teuer eingerichteten Haus, das von einem weitflächigen, sehr gepflegten Grundstück umgeben war. Vor der Terrasse wölbte sich ein hübscher Alpengarten, alte Nadelbäume - Fichten, Fähren und Silbertannen - ragten ringsherum auf.

Seit sich Marinas Eltern getrennt hatten, war Veronika wenig zu Hause. Sie brauchte Leben um sich. Bei ihr musste immer etwas los sein. Es durfte keine Leerläufe geben, weil das in ihren Augen verschwendete Zeit war.

Manchmal konnte Veronika sehr anstrengend sein, aber das war nicht der Grund, weshalb sie mit ihrem Mann Volker nicht mehr zusammen war. Sie konnte ihm nicht verzeihen, dass er die Fernsehrolle, die sie spielen wollte, mit einer anderen Schauspielerin besetzt hatte. Dass diese vom Produzenten des Stücks protegiert worden war, ließ sie nicht gelten. Ihr Mann hatte schließlich Regie geführt. Er hätte sich durchsetzen müssen, hatte sich jedoch kaum für sie eingesetzt, weil er insgeheim die Ansicht des Produzenten geteilt hatte, dass die andere sich besser für die Rolle eignete, und das kreidete sie ihm nach zwei Jahren immer noch an.

Mit allen seinen bisherigen Versöhnungsversuchen war Volker Hagen gescheitert, was Marina sehr bedauerte, denn sie liebte ihren Vater und litt darunter, dass es kein richtiges Familienleben mehr gab.

Sie nahm sich ein Glas Milch und schlenderte gelangweilt durch das stille Haus. Niemand da, dem sie sich mitteilen konnte. Um sich abzulenken, ging sie in die Doppelgarage.

Veronikas Sportwagen stand nicht auf seinem Platz, aber der kleine Zweitwagen war da. Wenn Marina ihren Führerschein hatte, durfte sie ihn benutzen, hatte ihre Mutter gesagt. Sie freute sich schon auf die erste Ausfahrt.

Wer weiß, vielleicht wird Tommy Lindner dann neben mir sitzen?, überlegte sie mit einem versonnenen Lächeln. Dann öffnete sie die Wagentür und stieg ein. Liebevoll strich sie mit den Händen über das Lenkrad. »Bald werde ich dich aus deinem Dornröschenschlaf wecken, und dann flitzen wir durch die Gegend, dass es die reinste Freude ist. Ja, ich brauche den Führerschein, und zwar bald!«

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