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Kapitel 4

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Ich saß im Esszimmer und trank meinen Kaffee. Mein Fuß lag auf einem anderen Stuhl, damit der Eisbeutel nicht dauernd von meinem Knöchel rutschte. Die Jungs schliefen noch und ich langweilte mich hier zu Tode. Mein Handy spielte auf YouTube irgendein Video ab, was mich null interessierte. Ich konnte eben mit meinem gestauchten Knöchel nicht viel machen. Ich seufzte leicht. „Guten Morgen.“ Erschrocken zuckte ich zusammen und legte meinen Kopf in Nacken. „Morgen, Kaffee ist noch in der Kanne.“ Ich deutete zur Kaffeemaschine. Jayden nickte müde, holte sich einen Kaffee und setzte sich gegenüber von mir an den Tisch. „Was guckst du?“, fragte er. Ich tippte kurz auf mein Handy um den Titel des Videos zu lesen. „13 gute Gründe die Welt zu schützen“, las ich vor. „Als ob du dich dafür interessieren würdest“, feixte er. Ich lachte ebenfalls, verließ YouTube, sperrte mein Handy und legte es auf den Tisch. „Auto Play“, gab ich zurück. Eine Weile herrschte Stille. „Warum hast du eigentlich keinen Freund?“, fragte Jayden und musterte mich etwas. „Keinen Bock auf Beziehungsstress und warum hast du keine Freundin?“, antwortete ich. Jayden fing an zu lachen, was mich sofort ansteckte. „Ich bin schwul, deswegen habe ich keine Freundin“, lachte er. Jayden beruhigte sich etwas. „Warum redest du heute so viel?“, fragte ich. Jayden zuckte mit den Schultern. Wieder herrschte eine Weile stille. „Kann ich dich was fragen?“ Hoffnungsvoll sah ich ihn an. Jayden bejahte. „Wie kam es dazu, dass du nur noch so wenig sprichst?“, fragte ich. Jayden krallte sich etwas an die Tasse. „Als ich geboren wurde, hatte ich einen Zwillingsbruder. Er war zwei Stunden jünger als ich, was ziemlich selten vorkommt. Ich und mein Bruder wir machten alles zusammen. Ab und zu sind wir sogar zusammen auf Toilette gegangen“, erzählte Jayden. Er lächelte schmerzvoll. „Er und ich, wir waren wie Pech und Schwefel. Wir verstanden uns blind. Vor drei Jahren lernte er dieses Mädchen kennen, ihr Name war Sam. Die beiden waren allen Anschein nach unsterblich ineinander verliebt. Sie machten alles zusammen, er ließ mich wegen ihr links liegen. Zu dem Zeitpunkt ungefähr habe ich die anderen Jungs kennengelernt. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls wollten Sam und er auf diese eine Party. Es war die Geburtstagsparty von Damian. Er ist achtzehn geworden und wollte das nachfeiern. Mom und Dad wollten, dass er und Sam zuhause bleiben, bis ich den beiden sagte, dass ich ebenfalls dort sein werde und ein Auge auf die zwei haben werde. Unter dieser Bedingung durfte er mit seiner Freundin auf die Party. Der Abend war zuerst auch ganz witzig und ziemlich chillig. Naja, zumindest für mich. Mein kleiner Bruder fand an dem Abend heraus, dass Sam etwas mit einem anderen hatte und das auch schon etwas länger. Er ließ sich volllaufen und klaute Sams Auto. Ich bekam davon nichts mit, weil ich und die Jungs im Garten saßen. Sam hatte es mir am nächsten Tag erzählt, weil ich sie gefragt hatte. Gegen halb drei am 28. Juli 2016 rief Mom mich an. Sie weinte und war kaum zu verstehen. Ich verstand nur „nachhause“ und „schlimmes passiert“. Ich ließ mich nachhause fahren, wo Mom in Dads Armen weinte und die Polizei danebenstand. Als ich bei meinen Eltern ankam, hatte Dad mir eine Hand auf die Schulter gelegt. Er sagte ich müsse jetzt ganz stark sein. Ich habe bloß genickt. Dann sagte Dad das, was ich niemals hören wollte. Er sagte, dass die Polizei um halb zwölf einen verunglückten Kleinwagen geborgen hatte. In diesem befand sich eine Leiche, welche durch einen DNA Schnelltest als Adam Parker identifiziert wurde. Ich blieb stark für Mom, verlernte jedoch wie auf Knopfdruck das sprechen. Es dauerte drei Monate bis ich wieder sprechen konnte, singen klappte schon vorher aber das sprechen eben nicht“, erzählte Jayden. Er leerte seine Tasse auf Ex. „Ich habe ihm einen Song geschrieben, willst du ihn hören?“ fragte Jayden. „Wir müssen dafür in den Musikraum“, fügte er hinzu. Ich nickte vorsichtig. Ich war etwas geschockt von der Geschichte. „Warte kurz hier, ich komm gleich wieder“, meinte Jayden und lächelte mich an. Ich nickte wieder und er verließ den Raum. Jayden schien sich selbst ein wenig die Schuld daran zu geben. Aber er kann ja nichts dafür, er sagte doch selbst, er hatte es erst einen Tag später von Sam erfahren, was überhaupt genau geschah. Ich seufzte und leerte meinen Kaffee. „Hier.“ Jayden reichte mir meine Turnschuhe, welche ich auch sofort anzog. Er selbst hatte bereits Schuhe und Jacke an. Nachdem ich meine Schuhe anhatte stand ich langsam auf und ließ mir von Jayden in die Jacke helfen. „Das ist aber nicht meine Jacke“, unterbrach ich und drehte mich zu ihm um. „Ne, das ist meine aber das macht nichts. Komm“, gab Jayden zurück. Schweigend liefen wir nach oben und verließen das Haus. „Du bist die erste Person, abgesehen von meiner Familie die das hört. Ich habe das auf Adams Beerdigung gespielt“, erzählte Jayden. Ich nickte leicht. „War diese Sam eigentlich auf der Beerdigung?“ fragte ich. Jayden schüttelte den Kopf. „Zwei Wochen nach Adams Tod ist sie zu ihrer Mutter nach Amerika gezogen. Wir haben sie nie wiedergesehen“, antwortete er. Wir betraten schweigend das Freizeithaus und suchten das Musikzimmer. Nachdem wir es gefunden hatten, stellte Jayden einen Stuhl neben das Klavier und meinte, ich solle mich da hinsetzen. Ich setzte mich auf diesen Stuhl und er an das Klavier. Er fing an eine traurige Melodie zu spielen, bevor er anfing zu singen.

Jayden spielte weiter diese traurige Musik. Obwohl die Musik ruhig und traurig war, war der Song eher ein Rap. Er hatte seine Augen geschlossen, aber trotzdem sah man wie die Tränen sein Gesicht runter lief. Der Text war herzergreifend und ich saugte jedes Wort davon in mir auf und konnte zumindest zum Teil seinen Schmerz nachvollziehen.

Jayden hörte auf zu spielen und legte schluchzend seinen Kopf auf das Klavier. So schnell ich mit meinem Knöchel eben konnte, hinkte ich zu ihm rüber und setzte mich neben ihn. Vorsichtig legte ich einen Arm um Jayden. Dieser sah dies als Einladung und umarmte mich. Seinen Kopf legte er auf meine Schulter. „Er fehlt mir so“, schluchzte Jayden. „Kann ich gut nachvollziehen. Ich weiß nicht was ich machen würde, wenn Kiyan das passieren würde“, hauchte ich leise. Ich glaube, wenn Kiyan zustieße, würde ich mich umbringen. Mom und Dad, hin oder her, Kiyan bedeutet mir alles. Ein Leben ohne ihn ist für mich einfach nicht vorstellbar.“ Jayden weinte einfach stumm weiter und ich strich ihm einfach nur beruhigend über den Rücken.

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