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Prolog

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Die Frühlingssonne schien auf die halb zerfallenen Mauern des alten Herrenhauses.

Durch ein geborstenes Fenster im oberen Stockwerk flogen Spatzen ein und aus und eine Schar Mäuse lief über den Dachfirst. Ein großer Ginsterstrauch wuchs neben dem Eingang und verdeckte ihn mit seiner Blütenpracht.

Dahinter saß gut versteckt ein Junge. Er mochte etwa zehn Jahre zählen, hatte eine schmächtige Gestalt und große dunkle Augen. Gedankenversunken blickte er durch die Zweige des Ginsters auf einen großen Stein, der seitlich neben den Stufen stand, die zur Tür heraufführten. Darauf war schwach von Kinderhand gezeichnet die Skizze einer Eule zu erkennen.

„Wenn sie doch nur mit mir sprechen würde!“, dachte er. Es schien keinen anderen Ausweg zu geben, als die Tür zu schließen und das Geheimnis für immer zu verbergen.

Seit die Brückners mit Felice im Nachbarhaus eingezogen waren, hatte sich alles verändert. Das Mädchen war viel zu neugierig, stöberte überall herum, tauchte in unpassenden Momenten auf und ließ sich nur schwer wieder abschütteln. Wenn er nicht aufpasste, würde sie bald hinter das Geheimnis kommen und das wäre nicht nur für sie gefährlich. Der Junge konnte Felice nicht ausstehen. Dabei war sie nur ein kleines Mädchen, ein kleines dummes Mädchen, das alles kaputt machte. Er wusste, dass er ungerecht war. Immerhin konnte sie nichts dafür, dass seine Mutter in die Stadt ziehen wollte.

Er seufzte. Es war eine schwierige Entscheidung: wenn die Tür geschlossen wurde, ließ sie sich nicht einfach wieder öffnen. Zumindest wollte er Minerva um Rat fragen, doch die tauchte vor Sonnenuntergang nicht auf. Und so viel Zeit blieb ihm nicht.

Der Junge fasste einen Entschluss und rappelte sich auf.

„Tom! Tom Liebling, es gibt Essen!“, rief seine Mutter. Tom zögerte kurz, dann verschwand er im Innern des Hauses, stieg vorsichtig die knarrenden Stufen hoch und lief den dunklen Korridor entlang. Jetzt musste er sich beeilen: da seine Mutter nicht wollte, dass er im alten Herrenhaus spielte, ließ er sich besser nicht erwischen.

Am Ende des Flurs lag eine Tür, durch die Tom hindurchschlüpfte. Sofort umfing ihn das vertraute Geflüster und ein Kribbeln stieg ihm den Rücken hoch. Schnell ging er zu dem Schrank in der Ecke, in dessen Innern ein Spiegel verborgen war. Seine Tür war leicht angelehnt. Tom öffnete sie und warf einen Blick in das angelaufene und an manchen Stellen gesprungene Glas. „Schließt du die Tür, kannst du sie nicht ohne Opfer erneut öffnen.“ Die Worte hallten in seinem Kopf wider.

„Ich weiß“, antwortete Tom leise. „Es tut mir Leid.“

Einen Moment lang stand er vor dem Schrank, dann schloss er die Tür.

Stunde ohne Zeit Der Wanderer

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