Читать книгу Alles nach Plan - Sarah LeVine - Страница 10

Die Beerdigung

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Ein Meer aus weißen Blumen umspülte Helens frisches Grab, in das gerade der Sarg gelassen wurde. Es war ihre erklärte Lieblingsfarbe gewesen, nicht sehr einfallsreich, aber sie hatte irgendwie zu Helen gepasst, fand Tonia. Luxuriös, verspielt, aber dennoch schlicht und elegant und auf eine herzliche Art offen für alles. Viele Trauergäste hatten ihr die letzte Aufwartung gemacht, manche aus einer echten Trauer heraus, einige, weil sie glaubten, zu müssen und die meisten, weil sie sensationslüstern waren. Eine so liebenswürdige Frau mit nicht mal fünfzig mitten aus dem Leben gerissen - darüber konnte man sich herrlich das Maul zerreißen und das grauenhafte Schicksal beklagen, das wieder einmal so hartherzig zugeschlagen hatte. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man davon, wie gut es war, dass Helen keine Kinder hatte, aber auch davon, dass sie sich ein junges, äußerst attraktives spanisches Souvenir mit aus dem Urlaub gebracht hatte, der skandalöserweise fünfzehn Jahre jünger war als sie. So lautete zumindest der Tratsch, den Tonias Mutter ihr brühwarm weiter erzählt hatte.

Und dann so etwas.

Niemand traute sich laut auszusprechen, dass sie es verdient hatte, aber man sah es in den bigotten Mienen jener, die kein eigenes Leben zu haben schienen und deswegen jedes andere mies reden mussten. Tonia wandte sich angeekelt ab und merkte, dass ihre Wut über die Spießer der Stadt ihre Trauer um Helen verdrängt hatte. Ihr Blick huschte zu einem jungen Mann herüber, der dunkel, schön und verloren etwas abseits stand und wie versteinert wirkte. Er weinte nicht und sah sich auch nicht um, doch in seinen Augen konnte Tonia lesen, dass etwas in ihm zerbrochen war, dass eine wilde Traurigkeit an ihm zerrte und ihn einhüllte wie kalter Nebel. Das musste Helens junger Freund sein, von dem die halbe Stadt sprach. Tonia schnürte es die Kehle zusammen und sie fasste nach Falcos Hand und umklammerte sie fest, um sich zu erden und nicht von der Traurigkeit des Mannes mitgerissen zu werden.

Falco erwiderte ihren Griff, sah sie aber nicht an, denn sein Blick huschte unstet hin und her, auf der Suche nach Helens Anwalt, den er hier zu treffen hoffte. In seinem Gesicht erblickte Tonia die gleiche zermürbende Unruhe, die auch sie in den letzten Tagen umgetrieben hatte. Wie sollte es nun weitergehen? Was wurde aus dem Restaurant? Wem gehörte das Gebäude, jetzt da Helen tot war? Sie drei verließen sich darauf, dass Falco eine Lösung finden würde. Und das hatte er ihnen auch versprochen. Aber Tonia wusste, dass er in den letzten Tagen immens unter Druck gestanden hatte, auch wenn er das nicht zu zeigen versuchte.

Als es zu regnen begann, löste sich die Trauergemeinschaft so schnell auf, wie es der Anstand zuließ und Tonia, Vinz und Bert flüchteten sich in dessen Vaters Kastenwagen, während Falco endlich den Anwalt Helens erspäht hatte und, trotz Tonias Einwänden ob der prekären Situation, zu ihm hingelaufen war, sich mit unter seinen schwarzen Schirm gequetscht hatte und ihn zu Helens Testament und den neuen Besitzverhältnissen befragte. Der Regen trommelte einlullend auf das Dach des Renault Rapids und die Scheiben des Wagens waren im Nu beschlagen. Die feuchtwarme Luft machte Tonia benommen und schläfrig, obwohl ihr Herz unablässig in ihrer Brust wummerte.

Vinz erwiderte eine SMS seiner Freundin Nina, der es in den USA vortrefflich ging. Dennoch vermisste sie ihn. Er simste ihr, dass er sie auch vermisste, fragte sich aber im selben Moment, ob das überhaupt der Wahrheit entsprach. Momentan hatte er einfach anderes im Kopf als sich mit seiner Freundin in der Ferne zu beschäftigen. Als er seine Handy in die Hosentasche gestopft hatte, waren die Gedanken an Nina auch schon wieder vergessen und Vinz wischte mit dem Ärmel seiner Jacke die Fensterscheibe der Beifahrertür frei, damit sie einen Blick auf Falco und den Anwalt erhaschen konnten, einen kahlen Mittfünfziger mit netter, onkelhafter Ausstrahlung und einem stattlichen Bauch, der unablässig zu sprechen schien, während Falco lediglich ab und an nickte. Sie rauchten beide, wie Vinz verwundert feststellte, dabei qualmten sie vier normalerweise nur, wenn sie feierten, aber wahrscheinlich wollte Falco sich dem Anwalt anpassen, ihn spiegeln, dachte Vinz, der seinen Freund kannte und dafür bewunderte, mit welchen Tricks er hin und wieder arbeitete. Das hatte er bei den Lehrern in der Schule oft gemacht und sich meist eine Note besser mogeln können. Vinz waren derartige Tricks so fremd, dass er immer ganz verblüfft war, mit welchen Vorschlägen Falco manchmal aufwartete.

Falco und der Anwalt sahen aus wie zwei Geheimagenten, wie sie da konspirativ unter dem schwarzen Schirm im Regen standen, eingehüllt in ihren eigenen Rauch.

„Diese Nachricht vernichtet sich von selbst", soufflierte Vinz. Bert drehte sich fragend zu Vinz um, der wortlos auf Falco wies.

„Seien Sie um Gottes Willen vorsichtig und vermeiden Sie es mit der russischen Agentin 00Sex zu schlafen. Sie ist leider eine Dilettantin", fuhr Vinz fort.

„Hast du die Überwachungsbänder vom FBI auf youtube gesehen?" ging Bert sofort auf das Spiel ein.

„Von der Russin? Nee, erzähl mal!"

„Ach, total enttäuschend. Man sieht sie nur in irgendwelchen Cafés, wo sie sich mit Typen trifft und irgendwas aus ihrer Handtasche holt."

„Was hast du denn gedacht, sie haben sie dabei gefilmt, wie sie irgendwelchen Agenten Geheimnisse entlockt, während sie ihnen einen bläst?" fragte Vinz.

„So was in der Art."

„Sie hat den Mund immer ein bisschen zu voll genommen, was?!" scherzte Vinz und Bert lachte.

„Geht's noch? Wir sind hier auf einer Beerdigung", warf Tonia ein.

„Was bequatschen die bloß so lange?" fragte Bert.

„Falco hat wieder sein Anwalt-Gesicht. Er guckt dann immer so wichtig, ist euch das mal aufgefallen? Und er spricht dann auch anders. So als würde er die Lippen ständig schürzen. Wie diese Comic-Figur von Loriot. Öööööö."

Tonia machte es den beiden vor. Sie ahmte Falco so gekonnt nach, dass die Jungs ihr anerkennend auf die Schulter klopften.

„Sensationell!" rief Bert lachend. „Mann, ich hoffe, er kann was rausholen", fügte er dann ernst hinzu.

„Falco macht das schon!" sagte Vinz.

„Wenn das jemand packt, dann er", bestätigte Tonia.

Schließlich reichte Falco dem Anwalt die Hand und verabschiedete sich.

Helens Freund stand immer noch am Grab und schien darauf zu warten, die Kraft aufbringen zu können, diesen Ort zu verlassen.

„Die arme Sau“, sagte Vinz mitfühlend.

„Sollen wir ihm unser Beileid aussprechen oder sowas?“ fragte Tonia unsicher.

„Wie denn? Gracias und Cabron ist alles, was ich auf Spanisch kann", sagte Bert.

Auch Vinz schüttelte bestimmt den Kopf.

„Was sollte ihm das bringen? Vier Typen, die Helen nicht mal besonders nahe standen, sagen ihm, wie leid es ihnen tut, dass seine Geliebte tot ist.“

„Ich meine ja nur. Ich hatte den Eindruck, dass alle ihn gemieden haben und vielleicht hilft es ihm ja, wenn wir ihm zeigen, dass wir kein Problem damit hatten, dass er mit Helen zusammen war“, sagte Tonia.

„Hola, Cabron, Gracias!" sagte Bert und es gelang ihm nicht, das R zu rollen, worauf Vinz ihn sofort aufmerksam und es ihm dann vormachte. Bert winkte ab. „Ja, vergiss es, das hat Frau Günther mir schon versucht beizubringen. Keine Chance!"

„Es gibt Menschen, die können das R nicht rollen. Und können's auch nicht lernen. Nie", sagte Tonia. „Meistens können die auch ihre Zunge nicht einrollen."

„Ja, Tonia, das hast du schon ungefähr tausendmal erzählt", erwiderte Vinz.

„Ich frage mich, ob es auch Italiener oder Spanier gibt, die das nicht können. Und wenn ja, hören die sich dann nicht bescheuert an, wenn die ihre Muttersprache sprechen?" fragte Tonia und ignorierte Vinz' Einwurf so selbstverständlich, wie das nur zwischen guten und langjährigen Freunden möglich ist, ohne einander zu beleidigen.

Vinz kam nicht mehr dazu, zu antworten, denn in dem Moment riss Falco die Hintertür auf und polterte atemlos auf den Rücksitz. Seine drei Freunde blickten ihn erwartungsvoll an, suchten nach Anzeichen, wie das Gespräch gelaufen war. Obwohl Falco mit ihnen in einem Boot saß, konnte er nicht umhin, sie für ein paar Sekunden zappeln zu lassen. Das Gefühl der Macht, mehr zu wissen als sie, war einfach zu süß. Er wartete, bis die die Neugierde seiner Freunde so zu kochen begann, dass sich das Innere des Autos um mehrere Grad erhitzte.

„Jetzt sag schon, was los ist!“ fuhr Vinz ihn schließlich an.

„Ich kriege gleich einen Schlaganfall, Cabron, also rück lieber raus mit der Sprache“, kam es fast zeitgleich von Bert und Tonia verpasste ihm einen harten Schlag auf den Oberarm.

„Au! Ist ja gut, regt euch ab! Also, der Anwalt meinte, ohne gültigen Mietvertrag dürfen wir nicht eröffnen.“

Tonia und Vinz stöhnten enttäuscht, Bert schlug wütend aufs Lenkrad.

„He, jetzt kommt schon, damit hatten wir doch gerechnet“, bemerkte Falco mit ruhiger Stimme.

„Trotzdem! Irgendwie hatte ich gehofft, Helen hätte was verfügt, oder irgendwem Bescheid gesagt – was weiß ich“, sagte Vinz und schüttelte den Kopf, als wunderte er sich über seine eigene Naivität, doch plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Aber wir haben doch ihre mündliche Zusage. Das ist doch so was wie ein Vertrag, oder nicht?“

Tonia und Bert sahen hoffnungsvoll zu Falco herüber, doch der winkte nur ab.

„Selbst wenn, hat das jetzt keine Gültigkeit mehr, weil das Haus nicht länger in ihrem Besitz ist.“

„Wem gehört es denn jetzt? Ihrem Freund? Der sah doch ziemlich nett aus, ich meine…“, setzte Tonia an, wurde aber von Falco unterbrochen.

„Nein, der Anwalt meinte, es geht automatisch in den Besitz ihres Mannes, Wolf Montanus, über.“

„Was? Ich dachte, Helen wäre geschieden.“

„Ja, habe ich auch gedacht, aber offenbar war die Scheidung noch nicht durch und Helen hat auch kein neues Testament aufgesetzt – alles ist noch so verfügt, wie es vor der Trennung von Montanus geregelt war. Sie hatten keinen Ehevertrag. Das heißt, ihr Lover bekommt keinen Cent und ihr Mann alles. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum der Typ so geknickt ist.“

Tonia warf Falco einen empörten Blick zu, aber Falco zuckte lediglich die Achseln, als wollte er sagen: So sind die Männer nun mal!

„Warte mal, warte, hab ich das richtig verstanden? Du willst uns gerade erzählen, dass unser Restaurant mit allem, was wir an Zeit, Geld, Schweiß und nicht zuletzt Liebe dort hinein gesteckt haben, jetzt Wolf Montanus gehört und wir nichts dagegen unternehmen können?“ Vinz klang aufgeregt und wütend und seine dunkelbraunen Augen waren fast schwarz.

„He, he, ich bin bloß der Bote, also komm wieder runter!“

„Wieso haben wir den Mietvertrag nicht längst unterschrieben? Wieso mussten wir uns auf so eine vage Scheiße einlassen? Das war doch völlig bescheuert!“ rief Bert plötzlich, der bis jetzt geschwiegen hatte und dem das Ausmaß der Neuigkeiten gerade so richtig bewusst geworden war.

Unwillkürlich blickten alle Falco an, der die stumme Anklage mit seinen erhobenen Handflächen abzuwehren versuchte.

„Was guckt ihr mich so an? Wir alle haben uns auf diesen Deal eingelassen, wir wollten alle nicht bis nach der Weltreise warten. Ein fataler Fehler, wie sich jetzt herausstellt, aber nicht mein Fehler. Jedenfalls nicht nur meiner."

„Aber du bist hier schließlich als einziger sowas wie ein Anwalt“, sagte Vinz und Bert brummte zustimmend.

„Hört auf!“ rief Tonia. „Falco hat recht, wir alle haben das beschlossen, also ist es auch unser aller Schuld. Keiner von uns konnte doch mit so einer Katastrophe rechnen. Wir sitzen hier und regen uns auf, dabei ist Helen erst vor ein paar Minuten beerdigt worden. Ich kann immer noch nicht fassen, dass sie direkt vor unseren Augen gestorben ist. Ich kriege dieses Bild einfach nicht aus dem Kopf, wie ihr Auto...“ Tonia brach die Stimme und sie hatte schwer damit zu kämpfen, ihre Tränen zurückzuhalten.

Falco strich ihr tröstend über den Rücken und die Stimmung im Wagen hatte schlagartig ihre Aggressivität verloren. In dem Moment klingelte Tonias Handy und alle fuhren erschrocken zusammen. Tonia warf einen kurzen Blick auf das Display und schaltete es dann hastig aus.

„Helens Anwalt hat vorgeschlagen, die Angelegenheit für uns zu regeln. Helen hat ihm erzählt, dass sie große Stücke auf uns hält und sie war ganz begeistert von dem Projekt. Offenbar hatte sie sogar vor, zu expandieren, wenn das Restaurant gut gelaufen wäre. Der Anwalt meinte zwar, er könne nicht versprechen, dass Montanus sich bereit erklärt, das Haus an uns zu vermieten und schon gar nicht zu den Konditionen, die Helen uns vorgeschlagen hat, aber einen Versuch ist es allemal wert. Es kann sich allerdings noch ein paar Wochen hinziehen, bis alles geregelt ist.“

Es war vor allem Bert, dem diese Aussicht erkennbar auf den Magen schlug.

„Was? Nein, ich werde auf keinen Fall noch länger warten. Wenn ich auch nur noch ein Grab ausheben muss, dann lege ich mich selbst hinein. Und für einen Anwalt haben wir definitiv kein Geld mehr. Es muss eine andere Lösung geben, eine schnellere und billigere. Sonst flippe ich aus.“

„Tja, dann mach mal einen Vorschlag, wie du die Sache sonst angehen willst“, erwiderte Falco trocken.

Bert starrte ihn ratlos an und Falco erkannte sehr genau, dass dessen Verzweiflung nicht gespielt war.

Der Regen prasselte jetzt mit seinen wütenden kleinen Fäusten auf das Blechdach des Autos und Tonia beobachtete, wie Helens Freund schließlich doch das Grab verließ und durch den Regen sprintete - nass bis auf die Haut. Seine Silhouette verlor sich in dem triefenden grauen Schleier und sie waren allein.

„Warum gehen wir nicht selbst zu Montanus und reden mit ihm?“ fragte Vinz mit einem Mal.

„Super Idee!“ kam es sofort von Bert. „Genau das machen wir.“

„Jungs, seine Frau ist gerade erst beerdigt worden, der Mann hat sicher Anderes im Sinn als jetzt mit uns darüber zu reden, ob wir sein Haus mieten können.“

Tonia machte eine Geste, die den anderen zeigen sollte, wie verrückt diese Idee war, aber Falco sah nachdenklich aus dem Fenster und hatte die Lippen gekräuselt. Der Regenvorhang trübte ihm die Sicht, doch das schien ihn nicht zu stören, denn er hatte seinen Blick nach innen gerichtet. Tonia schwante bereits, das er gerade dabei war, einen Plan auszuhecken.

„So wie ich das sehe“, sagte er schließlich, „geht ihm Helens Tod am Arsch vorbei. Ich meine, er war heute doch nicht mal hier. Hat ihr nicht mal die letzte Ehre erwiesen. Tut man so was, wenn man nicht stinksauer auf jemanden ist?“

Tonia sog die Luft ein.

„Wir kennen den Grund dafür nicht, also würde ich auch keine voreiligen Schlüsse ziehen.“

„Wie viele Gründe kann es schon dafür geben, nicht auf jemandes Beerdigung aufzutauchen? Außerdem – Montanus ist ein Geschäftsmann, oder nicht? Und wir schlagen ihm ein Geschäft vor. Ein ziemlich Gutes sogar.“

„Meine Rede!“ warf Vinz ein, aber Tonia sah nach wie vor skeptisch drein und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

„Ach, komm schon! Spielen wir es einfach mal durch. Was wäre der worst case?“

„Er sagt Nein!“ konterte Tonia.

„Genau. Schlimmstenfalls lehnt er ab, dann können wir die Sache immer noch dem Anwalt übergeben. Wobei ich glaube, dass unsere Chancen tatsächlich besser stehen, wenn wir es persönlich versuchen. Das macht mehr Eindruck, zeigt, wie wichtig uns das alles ist und macht es für ihn wesentlich schwerer, abzulehnen.“

Der Regen hatte fast schlagartig aufgehört und die Stille, die sich draußen nun breit machte, schien auch den Raum im Inneren zu weiten. Vinz stellte sich Falcos Vorschlag ganz konkret vor und in ihm wuchs ein Szenario heran, das nach Verheißung roch. Es konnte klappen. Wieso auch nicht? Er hatte bis jetzt immer alles bekommen, was er wollte und er wollte dieses Restaurant. Unbedingt. Er glaubte daran, das hatte er immer getan und er sah gar nicht ein, warum jemand anderer diese seine Idee nicht für genauso großartig halten sollte wie er selbst.

„Wir müssen ihn irgendwie ins Restaurant kriegen, damit er sieht, wie viel Arbeit wir da reingesteckt haben und dass wir die Sache hochprofessionell aufziehen wollen. Ich koche ihm was Gutes, du kredenzt ein paar Flaschen von unserem besten Wein – so was in der Art. Und wenn er so richtig schön voll ist, in jedweder Hinsicht, dann halten wir ihm den Mietvertrag unter die Nase und das war’s. Wieso sollte er sich ein solches Angebot durch die Lappen gehen lassen?“, redete Vinz auf Tonia ein und schien wirklich vollkommen von dem überzeugt, was er da sagte.

Tonia sah von einem zum anderen. Vinz‘ Haut leuchtete, wie immer, wenn er Feuer und Flamme für eine Idee war, Berts Blick schien wieder fester geworden zu sein und er sah sie freimütig an, was er sonst nur äußerst selten vermochte und Falco machte ein Gesicht, als wäre Widerstand höchstens eine Option für Idioten. Sie liebte diese Burschen und sie brachte es nicht übers Herz, ihnen etwas abzuschlagen, das sie alle drei so dringend wollten. Sie seufzte. Tief und lang anhaltend. Und die Jungs wussten, sie hatten gewonnen.

„Ok, versuchen wir es, aber nicht vor nächster Woche. Sonst ist es echt zu pietätlos."

„Also ich finde, drei Tage nach der Beerdigung ist in Ordnung. Warum sollen wir eine ganze Woche warten?" fragte Bert.

„Zumal sie ja schon sechs Tage gewartet haben, bevor sie sie überhaupt beerdigt haben", warf Falco ein.

„Warum haben sie überhaupt so lange gewartet?" fragte Vinz und sah Bert an.

„Irgendwie war wohl nicht klar, wer die Kosten übernimmt. Mehr weiß ich auch nicht."

„Ah, das ist interessant", warf Falco ein. „Wäre gut zu wissen, ob Montanus die Beerdigung bezahlt hat. Kannst du das rausfinden, Bert?"

Bert zucke die Schultern. „Ich denke schon."

„Wieso sollte das wichtig sein?" fragte Tonia.

„Wenn er bezahlt hat, dann heißt das, dass er immer noch was für sie empfindet und dann sollten wir noch ein bisschen länger warten, bis wir ihn aufsuchen. Wenn er die Kosten allerdings nicht übernommen hat, dann können wir ruhig morgen da auftauchen, denn dann ist es ihm völlig egal, dass sie tot ist. Wer weiß, vielleicht ist er sogar froh darüber und wir erwischen ihn genau im richtigen Moment", antwortete Falco.

„Ich weiß nicht, ob das so einfach ist. Auch wenn er nicht bezahlt hat, heißt das vielleicht nur, dass er so verletzt ist, dass er sich irgendwie an ihr rächen will. Trotzdem kann es sein, dass er sie immer noch liebt und wahnsinnig traurig ist, dass sie tot ist", gab Tonia zu bedenken.

„Stimmt", sagte Vinz. „Immerhin war Helen jahrelang ein Teil seines Lebens."

Eine ratlose Weile sagte niemand etwas.

„Also soll ich jetzt rausfinden, ob Montanus bezahlt hat, oder was?" fragte Bert.

„Lass mal!" sagte Falco. „Es stimmt schon, im Grunde sagt das gar nichts aus. Bleibt die Frage, wann wir ihn jetzt aufsuchen sollen."

„Ich finde, eine Woche ist das Minimum", sagte Tonia.

„Fünf Tage. Das reicht, denke ich", kam es von Vinz.

Falco sah Bert fragend an, der blickte erstaunt zurück.

„Was?"

„Naja, du hast doch mit diesem Geschäft zu tun, was sagen die Anstandsregeln in so einem Fall?" fragte Falco.

„Mein Vater ist Totengräber, Mann. Er hebt Gräber aus und schüttet sie wieder zu, wenn der Sarg drin ist. Keine Ahnung, was die Regeln sagen. Aber wenn du mich fragst, drei Tage. So lange wartet man ja auch mit dem Anruf, wenn man die Telefonnummer von einem Mädchen bekommen hat."

„Wo hast du den Schwachsinn denn her? Du guckst zu viele amerikanische Teenie-Filme. Du rufst das Mädchen direkt am nächsten Tag an, oder sie ist stinksauer. Es sei denn, du bist nicht interessiert", sagte Vinz.

„Ach, echt? Ich dachte immer, die Drei-Tage-Regel wäre eine todsichere Sache?" sagte Bert.

„Hast du jemals die Telefonnummer eines Mädchen bekommen?" fragte Vinz.

„Nein", grinste Bert freimütig.

„Dann hast du ja Glück gehabt", sagte Vinz.

„Tonia, wann erwartest du den Anruf, wenn du einem Typen die Nummer gegeben hast?"

„Ich lasse mir meistens seine Nummer geben. Man weiß ja nie, ob man am nächsten Tag überhaupt noch will, dass er anruft. Wenn nämlich nicht, kann das ganz schön unangenehm werden." Sie sah unwillkürlich auf ihr Handy-Display.

„Wenn ihr fertig seid mit euren Dating-Regeln, können wir vielleicht wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren", unterbrach Falco sie. „Also wenn Tonia eine Woche sagt, Bert drei Tage, Vinz fünf und ich vier - dann würde ich sagen, wir versuchen es in vier oder fünf Tagen."

„Dann in fünf - das ist ein Samstag", sagte Tonia schnell.

Auch wenn die Jungs nicht so recht wussten, wieso das ein Argument sein sollte, stimmten sie alle zu. Fünf Tage, die Sache war abgemacht. Tonia atmete tief ein und Bert ließ den Motor an, noch bevor sich Tonias Ausatmer mit der stickigen Luft des Wagens vermischt hatte.














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