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Letzter Mann ist Torwart

Letzte Woche trainierte ich mit meinen grün-weißen Jungs in Brauweiler zum letzten Mal vor Karneval. Da bei solchen Anlässen nie ganz klar ist, ob der Trainer des Haufens nach den wilden Tagen im ganzen Stück zurück auf dem Trainingsplatz erscheint, stand etwas Besonderes auf dem Trainingsplan. Schließlich wollte ich, dass die E-Jugend-Cracks ihren guten, alten Buttermaker-Coach in guter Erinnerung behalten, wenn es zum Äußersten kommen sollte. Gesagt, getan: An diesem Mittwoch stand also ausnahmsweise ein Turnier an, mit drei Mannschaften à jeweils vier Spieler. Und damit das Ganze auch professionell genug ist, wurden kurzerhand drei Mannschaften definiert, die gleichermaßen die Lieblingsteams der Jungs spiegelten.

Unvermeidlicherweise wurde Mannschaft A also zum FC Bayern, Mannschaft B zum 1. FC Köln, und wäre man in der Turnierleitung konsequent gewesen, wäre als Mannschaft C Borussia Dortmund auf den Court gelaufen. Leider hatten die kurzen Marco-Reus-Anhänger dabei die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn auch wenn nur Trainer und Trainersohn Alemannia Aachen zuzuordnen sind, war doch völlig klar, dass Mannschaft C kurzerhand zum Tabellenführer der Regionalliga West und damit unverzichtbaren Premium-Teilnehmer erklärt wurde. Wenn der Chef das Sagen hat, hat eben der Chef das Sagen.

Bei der Spielerzuteilung erwies sich das überwiegende Alemannia-Desinteresse der meisten Jungs im Team dann aber doch als Problem. Klar, dass ich selbst die Mannschaften einteilte, wenn Alemannia mit am Start war. Mag ja sein, dass der „Karnevals-Cup“ 2015 der E-Jugend von Grün-Weiß Brauweiler nicht überall die gleiche donnernde Reputation besaß, aber Titel ist am Ende Titel. Folgerichtig galt es seitens der Turnierleitung, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Cup am Ende des Turniers in Aachen und nicht in München und schon gar nicht in Köln landete. Also wurden dem Sohnemann drei kongeniale Ergänzungen an die Seite gestellt und dem FC die vier schwächsten Jungs zugeteilt, so dass alles auf ein Finale mit dem FC Bayern hinauslief. Der Modus: Jeder gegen jeden, und das gleich dreimal. Weitere Regeln: Spielzeit sechs Minuten, letzter Mann ist Torwart und der Schiri hat das Sagen, egal, was passiert. Vor allem in der letzten Regel lag die große Chance für die schwarz-gelben Grün-Weißen. Denn der Schiri, der war ich – wer auch sonst?!

Das Turnier begann und verlief anfangs ganz nach Plan. Der FC verlor zweimal, und im ersten Spitzenspiel sah es zunächst auch gut aus. Alemannia lag schnell vorne und schien spielerisch klar überlegen. Der Schiedsrichter leitete das hochklassige Spiel ruhig und souverän, und alles lief nach Wunsch. Bis der FC Bayern plötzlich schwer aufdrehte und den Rückstand in nur zwei Minuten in einen Sieg verwandelte. Schöner Mist! Damit war klar, dass etwas passieren musste. Und das tat es auch.

In den ersten beiden Partien verlief die zweite Runde zunächst ähnlich wie die erste: Peter Stögers Buben zeigten, dass an Karneval mit ihnen nicht zu rechnen ist. Alemannia und der Rekordmeister aus München hielten sich schadlos. Die Folge: Alemannia brauchte einen Sieg, um nicht frühzeitig die Segel streichen zu müssen. Genau danach sah es aber zunächst aus, denn schnell lag man zurück, und nicht viel deutete darauf hin, dass der Kick in die andere Richtung laufen könnte – bis plötzlich ein Verteidiger der Bayern das Leder mit der Hand aufnahm. Aus seiner Sicht tat er das natürlich als letzter Mann, also regelkonform. Aber hey, einen Bayern-Bonus gibt es vielleicht im echten Leben, nicht aber beim „Karnevals-Cup“ der E-Jugend von Grün-Weiß Brauweiler. Hier hatte Wolf-Dieter Theisen alias Sascha-Pierluigi Collina die Pfeife in der Hand, und der, mal ehrlich, besitzt das Adlerauge unter den Schiedsrichterpupillen. Der Mann war nicht der letzte, im Leben nicht!

Zur Sicherheit wurde schnell noch die imaginäre Abseitslinie, die man von einschlägigen TV-Übertragungen kennt, über den nicht vorhandenen Bildschirm gezogen, und sofort war klar: Der tatsächlich letzte Mann stand noch eine ganze Handbreit hinter dem Verteidiger, der das Leder aufgenommen hatte! Ein kniffliger Fall zwar, für einen so erfahrenen Schiedsrichter aber am Ende ein vollkommen zweifelsfreier Elfmeter für Aachen. Da halfen auch die entsetzten Blicke und wilden Proteste der Bayern nicht. Der Ball gehörte auf den Punkt! Der Aachener Kapitän und nur rein zufällig auch Sohn des Schiedsrichters trat also an und verwandelte sicher. Das Spiel war nun ein anderes. Alemannia schlug die Münchner mit 2:1, und schon war der Bob in der Bahn. Denn in der Abschlussrunde holte sogar der 1. FC Köln einen Punkt gegen die demoralisierten Bayern. Der „Karnevals-Cup“ 2015 ging folglich direkt in die Vitrine der siegreichen Aachener, die stolz auf die Ergebnisse auf der Anzeigetafel blickten, die vom Schiedsrichter höchstpersönlich dort eingetragen wurden.

Klar – es könnte sein, dass der ein oder andere der Jungs sich insgeheim wünschte, dass sein Trainer nach den Karnevalstagen nicht in einem Stück auf den Trainingsplatz zurückkehren würde. Aber das war dem Coach selbst egal. Denn der wusste: Alex Klitzpera durfte als erste Amtshandlung gleich mal das Briefpapier ändern. Und außerdem: Der letzte Mann ist nun mal Torwart, und nicht der vorletzte.

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