Читать книгу Skalpjäger - Saven van Dorf - Страница 4
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Оглавление„Peter! Bist du’s wirklich?“ Carola erhob sich, um ihn zu umarmen und die obligatorischen Gute-Freunde-Begrüßungsküsschen auf die Wange vorzutäuschen.
„Ja, ich bin’s“, antwortete er lächelnd und nahm ihr gegenüber Platz. Er hatte einen Tisch in ihrem Lieblingsrestaurant reserviert, Don Giovanni. Leise Opernarien flossen aus versteckten Lautsprechern durch den Raum. Wie immer war die Beleuchtung sehr gedämpft; etwas, das ihm früher sehr entgegengekommen war, da er durch sein kleines Problem gelernt hatte, helles Licht von oben zu meiden. „Entschuldige die Verspätung, ich musste noch einige Dinge erledigen.“
„Kein Problem“, winkte sie ab, „die paar Minuten …“
Tatsächlich war er schon vor zwei Stunden bereit gewesen und in seiner Wohnung unruhig hin und her gewandert. Aber er hatte es für eine gute Idee gehalten, sie ein wenig warten zu lassen. Damit zerstreute er hoffentlich ihre Bedenken, dass sie ihm unangemessen viel bedeutete.
„Das ist also die versprochene Überraschung?“, fragte sie und konnte den skeptischen Blick nicht von seinen Haaren lassen.
„Ja. Wie findest du’s?“ Er drehte den Kopf in beide Richtungen.
„Phantastisch. Man merkt gar nicht, dass es eine Perücke ist.“
„Das liegt daran, dass es keine ist.“ Er grinste. Natürlich hatte er schon damals daran gedacht, sich ein Toupet zuzulegen, aber Carola hatte ihm diese Idee sofort wieder ausgeredet. Sie hasste Perücken. Ihre gerümpfte Nase sprach Bände. „Genau dasselbe haben meine Kollegen aber auch erst vermutet.“
„Willst du damit sagen, dass das dein eigenes Haar ist?“
„Ja.“
Sie sah ihn tadelnd an. „Vor drei Wochen haben wir uns das letzte Mal getroffen, und da sahst du noch genauso aus wie immer. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du in der kurzen Zeit eine solche Matte bekommen hast? Das geht gar nicht.“
„Wie du siehst, geht es sehr wohl. Sogar innerhalb weniger Tage.“ Er beugte sich verschwörerisch vor und flüsterte: „Aber natürlich ist Magie mit im Spiel.“
Sie grinste ihn an. „Klar, Magie. Ich tippe ja eher auf Chemie. Hat die Wissenschaft also endlich die Gebete der erkahlenden Männer erhört.“
„Halleluja.“
„Phantastisch. Freut mich für dich. Und offenbar kostest du das nun voll aus, mit dieser Länge. Steht dir aber. Das gibt dir so etwas … Wildes.“
Ihre Augen funkelten ihn an.
Ich wusste es, dachte er und lehnte sich zurück. „Wie du siehst, geht es mir und meinen Haaren blendend. Und wie ist es dir in den letzten Wochen so ergangen? Dir und Christoph?“ Er wählte bewusst einen falschen Namen, um ihr zu zeigen, wie wenig ihn der Typ interessierte.
„Christian. Wir sind nicht mehr zusammen.“ Die Worte klangen beiläufig, sie sah dabei aber zur Seite. Offenbar war sie doch ziemlich verletzt. Peters Laune hob sich so schlagartig, wie sich seine Mundwinkel senkten.
„Oh. Das tut mir leid. Was ist denn passiert?“
„Vor zwei Wochen … Ach, ich würde lieber nicht darüber reden.“
„Klar. Entschuldige“, sagte er mit ehrlichem Bedauern und wechselte das Thema.
Ein paar Gläser Chianti und Kerzenschein hatten das Leuchten in Carolas Augen zurückgebracht. Auch Peter fühlte sich immer beschwingter. Er streckte seine Beine unter dem Tisch aus und berührte wie zufällig ihren Unterschenkel. Ihre Beine zuckten nicht zurück, wie sie es sonst getan hatten. Statt dessen lächelte sie ihn an. Sie beugte sich vor, um mit ihrem halbvollen Weinglas zu spielen, und gewährte ihm dadurch einen Blick in ihr Dekolleté. Auch etwas, das sie in den letzten Monaten vermieden hatte. Viel konnte er nicht sehen, dazu war ihr Sommerkleid nicht weit genug ausgeschnitten, doch was er sah, reichte aus, um ein Pochen in seiner Leistengegend zu erwecken. Das sanfte Licht ließ ihre Haut schimmern und erinnerte ihn daran, wie samtweich sie war. Carola trug selten einen BH, wenn sie ausging; ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab. Sein Atem ging schwerer und ließ die Flamme der Kerze erzittern.
„Ich würde sie gerne mal anfassen.“
„Was?“ Ein wenig irritiert sah er ihr wieder ins Gesicht.
„Deine Haare. Ich bin neugierig, wie sie sich wohl anfühlen.“ Sie streckte spielerisch die Hand nach seinem Kopf aus, genauso spielerisch wich er zurück.
„Du möchtest doch nicht hier vor allen Leuten an mir herumfummeln“, sagte er mit einem breiten Grinsen und setzte nach, bevor sie antworten konnte. „Das sieht doch komisch aus. Aber wenn du noch ein paar Minuten Zeit hast, kannst du ja kurz mit hochkommen und dir meine Haare in aller Ruhe ansehen.“
Er hoffte, dass es belanglos klang. Nicht so verzweifelt wie einige seiner Anrufe damals, in denen er sie angefleht hatte, zu ihm zurückzukehren.
Sie kräuselte einen Moment in nachdenklicher Pose ihre Stirn und lachte ihn dann an. „Okay. Aber wehe, es ist doch eine Perücke. Wenn das nur ein Trick ist, um mich in deine Wohnung zu kriegen …“ Sie drohte mit dem Zeigefinger. Beschwipster, als er gedacht hatte.
„Selbstverständlich nicht.“ Er nahm ihre Hand und drückte sie.
„Zahlen, bitte!“
Den kurzen Weg zu seiner Wohnung, die bis vor einigen Monaten noch ihre gemeinsame Wohnung gewesen war, gingen sie Arm in Arm. Oben angekommen, legte er eine Terence-Trent-D’Arby-CD auf, die sie todsicher in romantische Stimmung versetzte. Sie hatte es sich bereits auf dem Sofa bequem gemacht. Die Beine angewinkelt auf der Sitzfläche, kuschelte sie sich an die Rückenlehne, das Kinn auf die Hand gestützt. Er setzte sich neben sie, rutschte dann noch ein wenig näher und sah sie an.
Wortlos begann sie, ihm durch die Haare zu streichen. Von vorne nach hinten, über die Seiten, er spürte ihre Finger überall. Er genoss das Gefühl einige Momente, bevor er seine Hand hob und ihren Nacken kraulte. Sie schloss die Augen und beugte den Kopf vor.
Nach einer kleinen, wohligen Ewigkeit zog er sie zu sich heran und küsste sie auf die Stirn. Sie sah auf und er hauchte einen Kuss auf ihren Mund, den sie ihm leicht geöffnet darbot. Seine Zungenspitze fuhr kurz über ihre Lippen, bevor er in sie eintauchte. Zärtlich spielten ihre Zungen miteinander. Noch während des Kusses beugte er sich über sie, und sie ließ sich zurückdrängen, rutschte seitwärts an der Lehne des Sofas hinab, bis sie unter ihm lag.
Er löste sich von ihren Lippen und küsste ihren Hals, schmeckte ihre leicht salzige Haut, strich mit der Hand über ihre Brüste, ihre Taille, fasste den Hintern. Sanft knetete er ihn, wobei er mit jedem Griff ein wenig näher an sein eigentliches Ziel rückte. Endlich spürten seine Fingerspitzen die Hitze des nassen Feuers zwischen ihren Schenkeln.
Carola hob ihre Hand von seinem Nacken, und für einen Moment fürchtete er, sie könnte ihn von sich drücken oder seine Hand festhalten; irgendetwas tun, das die knisternde Elektrizität verpuffen lassen würde. Aber dann sah er ihren Blick. Sie hatte nicht die Absicht, sich zu schützen. Sie wollte, dass der Blitz einschlug, zwischen ihren Beinen. Wurden Blitze nicht von feuchten Stellen angezogen? Falls das stimmte, würde er genau da landen, wo sie ihn haben wollte.
„Mach’s mir“, hauchte sie ihm dorthin, wo sich unter der langen, kräftigen Mähne sein Ohr verbarg. „Mach’s mir mit deinen Haaren.“
Nackt lag sie vor ihm auf dem Bett, die Arme zum Kopfende ausgestreckt, die Beine leicht gespreizt. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, ihr Kleid und Höschen abzustreifen, und er war fast genauso schnell ausgezogen. Seine Erektion trug er wie eine Lanze vor sich her, als er auf das Bett kletterte und sich über sie beugte. Mit einem leichten Kuss auf die Stirn sorgte er dafür, dass sie ihre Augen schloss, ließ dann seine herabhängenden Haare über ihr Gesicht streichen, über ihre Augenlider, ihre Nase, ihre geöffneten Lippen, ihre Wangen. Er wanderte tiefer und sie hob das Kinn, um jede Stelle ihres Halses der Berührung preiszugeben. Seine Haare glitten sanft über ihre Schultern und folgten kurz den Innenseiten ihrer Arme, was ihr eine Gänsehaut verursachte. Doch selbst in den Achselhöhlen, in denen sie sonst sehr kitzlig war, schien sie den Reiz als angenehm zu empfinden.
Es ging weiter hinunter. Sie schien es kaum erwarten zu können, ihn auf ihren Brüsten zu spüren, bog sich ihm entgegen. Er strich über die weichen Hügel und die festen Türme in ihrem Zentrum. Ein leichtes Stöhnen entfloh ihrem Mund und sie reckte sich noch weiter empor. Sein Atem traf auf ihre Haut, während er ein paarmal kurz über ihre Brustwarzen leckte. Nach dieser kurzen Rast setzte er seine Reise über ihren Bauch fort, ließ ihren Venushügel aus und widmete sich den Beinen. Sie spreizte sie weit und drehte die Füße nach außen, wollte ihn auf den Innenseiten ihrer Schenkel spüren. Er ließ sich Zeit damit.
Endlich gelangte er an das heiße Zentrum ihres Körpers. Mit einer Hand zog er die ohnehin schon leicht geöffneten, vollen Lippen noch weiter auseinander und ließ seine Haare über das rosige Fleisch streichen. Zärtlich küsste er ihre Klitoris und fasste ein Bündel seiner Haare. Selbst diese schienen eine Erektion zu haben, es kam ihm vor, als versteiften sie sich in seiner Hand. Umso leichter konnte er mit ihnen jeden Winkel der feucht glänzenden Öffnung verwöhnen. Sie ließen sich sogar ein paar Zentimeter tief hineinstecken. Nach all den traurigen Monaten war er endlich wieder mit seiner Frau verbunden. Er küsste ihre Schenkel. Dann küsste er seine Haare.
Wie mit einem Pinsel strich er über den kleinen rosafarbenen Knubbel, der sich ihm entgegenreckte wie der Kopf eines Regenwurms, den die einsetzende Feuchtigkeit aus seinem unterirdischen Versteck lockte. Er hörte, wie Carola immer schwerer atmete und stöhnte. Dann war es soweit. Keuchend bäumte sie sich auf, ihr Körper zuckte, und erst, als ihre glühenden Schenkel wieder auf das Laken sanken, löste er sich von ihr.
Er legte sich neben sie. Während sie seinen Schwanz streichelte, küssten sie sich, wobei kein einziges seiner Haare im Wege war; nur Carola musste eine ihrer Strähnen aus ihrem Mund entfernen. Nach ein paar Minuten schwang sie sich auf ihn und revanchierte sich mit einem leidenschaftlichen Ritt.
*
Am nächsten Morgen fühlte sich Peter, als könnte er Bäume ausreißen. Als vermöchte er, heranrasende Güterzüge mit bloßer Hand zu stoppen. Als könnte er alles tun, alles erreichen, was er wollte. Er kam sich vor, als wäre er Gott. Jetzt wusste er, wie sich der Präsident der Vereinigten Staaten fühlen musste.
Nach all den einsamen Nächten, nach all den Tränen, die sein Kopfkissen hatte aufsaugen müssen, waren er und Carola wieder ein Paar.
Er brachte seine Arbeit beschwingt hinter sich, in Gedanken bei ihr, im Bett. „Ich ruf dich an“, klangen ihre Abschiedsworte noch in seinen Ohren, also wartete er geduldig. Die Zeit bis dahin nutzte er, um ihren ehemaligen Bereich im Kleiderschrank freizuräumen, in den er sich ausgebreitet hatte. Er freute sich darauf, mit ihr zu besprechen, wie sie wieder zusammenziehen und ihre gemeinsame Zukunft gestalten würden. Sich zusammensetzen und die Differenzen der Vergangenheit aus der Welt schaffen. Kompromisse erarbeiten. Lösungen finden. Das volle Programm.
Endlich, am späten Abend, klingelte das Telefon.
„Carola! Wie geht’s dir, Liebling?“
„Hallo. Gut. Danke.“ Sie zögerte.
Peter lächelte verständnisvoll. Er wusste, dass es keine angenehme Situation für sie sein konnte. Immerhin hatte sie einen schweren Fehler begangen, als sie ihn verließ. Es war sicher nicht leicht, das einzugestehen und sich bei ihm zu entschuldigen. Ihn zu bitten, sie wieder aufzunehmen. Er entschied sich, ihr entgegenzukommen.
„Ich weiß, was du jetzt sagen willst. Ich verstehe, dass das nicht einfach ist. Aber du kannst mir vertrauen, ich verurteile dich nicht. Wir haben beide Fehler gemacht, das weiß ich. Ich bin an der ganzen Sache ja auch nicht völlig schuldlos. Aber ich bin sicher, wir können so was in Zukunft vermeiden.“
„Wow“, sagte sie, und er konnte deutlich den Stein hören, der ihr vom Herzen fiel. „Ich hätte nicht gedacht, dass du das so locker siehst. Ich bin echt überrascht. Genau dasselbe habe ich mir nämlich auch gedacht. Das war ein einmaliger Ausrutscher, der nicht wieder vorkommen wird, das sollten wir uns beide versprechen.“
„Ein Mordsausrutscher war das“, lachte er. So leicht würde er sie nun aber auch wieder nicht davonkommen lassen. „Ein sechsmonatiger Ausrutscher.“
„Wieso sechs Monate?“
„Na, falls du nicht mitgezählt hast: So lange ist es her, dass du diesen kleinen Fehler begangen hast.“
„Welchen Fehler?“
„Na, dein Auszug. Und dieser … Kerl.“
Einen Moment lang herrschte Stille in der Leitung.
„Peter, ich rede von letzter Nacht. Das war der einmalige Ausrutscher, der nicht mehr vorkommen wird.“
„Aber wieso … das war, das war doch …“ Er brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren. Seine Eingeweide zogen sich zusammen. Er konnte nicht atmen. Aus dem Telefonhörer drang nur luftloses Schweigen. „Du kommst nicht zu mir zurück?“
„Ganz bestimmt nicht! Entschuldige, das sollte nicht so hart klingen. Nein, ich komme nicht zurück. Das haben wir doch alles schon besprochen. Es hat sich doch nichts geändert und das wird es auch nicht.“
„Ich hab jetzt Haare!“
Sie stöhnte genervt auf. „Das liegt doch nicht an den Haaren! Das habe ich dir auch schon gesagt. Du mit deinen Haaren! Das ist zu einer fixen Idee geworden, Peter, hör auf damit. Du hast jetzt Haare, schön, aber du bist immer noch derselbe. Und ich bin auch immer noch dieselbe. Und wir passen immer noch nicht zueinander. Das ist meine Meinung, und daran wird sich auch nichts ändern, Haare hin oder her.“
„Was war das dann gestern, hm? Nachdem du mich mit meinen Haaren gesehen hast, wolltest du doch gleich mit mir ins Bett!“
„Das stimmt doch gar nicht! Das war der Wein. Oder das Sommerwetter, da gehen schon mal die Hormone mit einem durch. Vielleicht brauchte ich auch nur ein bisschen Trost nach dieser Scheiße mit Christian. Ich weiß es nicht. Deine Haare sehen gut aus, Peter. Aber es lag nicht an deinen Haaren, dass wir gestern im Bett gelandet sind. Und es liegt auch nicht an deinen Haaren, dass das nicht mehr vorkommen wird. Verstehst du das?“
„Nein, das verstehe ich nicht! Du kannst doch nicht einfach …“ Er schluckte und wusste nicht, wie er den Satz zu Ende führen sollte. Die Schwerkraft war aufgehoben, er trieb haltlos mit dem Hörer am Ohr durch das Zimmer. Wie ein Stück Weltraumschrott. Der einzig klare Gedanke war, dass er nicht am Telefon weinen wollte.
Ihre Stimme wurde weicher. „Hey, es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Ich hätte das gestern nicht tun sollen, und wenn ich könnte, würde ich es ungeschehen machen. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Entschuldige. Pass auf dich auf.“
Er hörte nicht einmal ein Klicken, dann war sie weg.