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EINLEITUNG

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Seit 1945 schwebte die Kernfrage – Ist Kirche und Christsein unter dem Kommunismus möglich und wenn ja, wie? – als Damoklesschwert über dem ostdeutschen Katholizismus. Nach einer anfänglich eher skeptischen Haltung, die sich an der Person Kardinal Preysings3 festmachen lässt, wurde diese Frage zunächst durch bischöfliche Metaphern zu beantworten gesucht. Dabei verglich man die Lage der katholischen Kirche in der DDR mit einer „Gärtnerei im Norden“, einem „fremden Haus“ und der Situation von „Daniel in der Löwengrube“, der den Löwen weder streicheln noch am Schwanz ziehen solle.4 Die weltanschauliche Distanz und eine gewisse Resistenz gegenüber der totalitären Diktatur der SED stellte bis 1989 ein zentrales Moment in der Identität katholischer Christen in der DDR dar. Dies führte zum Modus einer politisch abstinenten Kirche, zu der eine denkwürdige Sprachregelung gehörte: Kirchlicherseits vermied man es stets von der „Katholischen Kirche der DDR“ zu sprechen, weil man darin staatstragendes Potential erblickte. Die bleibende Distanz zur SED-Diktatur sollte durch eine Präposition kenntlich gemacht werden: „Katholische Kirche in der DDR“. Mit dieser Distanz zum Staat war jedoch zugleich eine Passivität gegenüber der ideologisch geformten, überwachten und seit 1961 eingemauerten Gesellschaft verbunden.5 Im Laufe der 40jährigen sozialistischen „Wüstenzeit“ der Kirche änderte sich jedoch das Verständnis dafür, welches Verhältnis die Kirche und die Christen gegenüber den hier lebenden Menschen einnehmen sollten. Zu diesem Prozess der kirchlichen Positionsbestimmung traten ab 1965 Aussagen und Anspruch des Zweiten Vatikanischen Konzils. Wie sollte die kleine Zahl von Katholiken in der DDR den geforderten Dialog mit der Welt, in diesem besonderen Fall auch einer atheistischen Einparteiendiktatur führen, wenn das Ziel staatlicher Kirchenpolitik die gesellschaftliche Zurückdrängung und Zersetzung der Kirchen war? Wie sollte die Brüderlichkeit des Gottesvolkes gelebt werden, wenn staatliche Organe und geheimpolizeiliche Spitzel nach Einfallstoren in die kirchliche Phalanx suchten? Wie sollte die missionarische Sendung der Kirche und des Einzelnen gestärkt werden, wenn das christliche Engagement durch die Staatsideologie manipuliert, vereinnahmt und missbraucht wurde?

Die innerkirchliche Beantwortung dieser und weitere Fragen führte seit Mitte der 1960er Jahre zu nicht unerheblichen Kontroversen auf verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens. Vielen schritt die Umsetzung des Konzils nicht schnell genug voran, während anderen die anvisierten „Reformen“ zu weit gingen und eine Schwächung gegenüber der Diktatur zu bedeuten schienen. In dieser angespannten Situation gründete sich 1970 der Aktionskreis Halle, jene Gruppe aus Priestern und Laien, die vielen in der DDR als „Nestbeschmutzer“, den meisten als „entfant terrible“ des ostdeutschen Katholizismus galt und bis heute noch in bestimmten Kreisen gilt.

Die kirchengeschichtliche Arbeit ist darauf angelegt, historische, politische und theologische Dimensionen des Themas zu einer Synthese zusammenzuführen. Der Aktionskreis Halle hat sich in die konkrete geschichtliche Situation der DDR hineinbegeben und dabei dieses Land und seine Menschen als Ort und Ziel der kirchlichen Sendung realisiert und postuliert. Erscheint es nicht gerechtfertigt, aufgrund des Einsatzes all jener, die die DDR als ihre Heimat verstanden und hier Kirche für die Menschen sein wollten, von einem „Katholizismus der DDR“ zu sprechen? Eine solche Perspektive würde auch dafür sensibilisieren, dass sich die Kirche von ihrem Stiftungswillen und Auftrag distanziert, wenn sie sich aufgrund äußerer Einflüsse und Unwägbarkeiten von ihrem missionarischen Einsatz für das Evangelium dispensiert.

Der Aktionskreis Halle

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