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5. Technische Standardisierung

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Einen wesentlichen Anteil an den vorausgehend beschriebenen wirtschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der „digitalen Revolution“ bilden Initiativen, die zu einer Standardisierung beitragen.68 Standards sind Regelwerke, die unabhängig von staatlichen Regelungsvorgängen durch ihre Anwender selbst geprägt werden können und der einheitlichen Bewältigung eines bestimmten Vorgangs dienen.69 In der Internetwirtschaft beschreiben technische Standards Vorgaben, die der Interoperabilität und Kompatibilität beteiligter Kapazitäten, Ressourcen oder Akteure dienen.70 Die EU-Kommission beschreibt dies unter dem Begriff „Normen“ und grenzt demgegenüber „Standardbedingungen“ als gleichförmig verwendete Kauf- und Verkaufsbedingungen ab.71 Die Anwender eines Standards können sich also darauf verlassen, dass andere Anwender sich an ihre jeweils einschlägigen technischen Vorgaben halten werden. Dabei kann grob zwischen durch Normierungsgremien kooperativ beschlossenen Standards und von Unternehmen eigenständig gesetzten De-facto-Standards unterschieden werden.72 Sie können offen oder nicht-offen ausgestaltet sein. Offene Standards können von allen Anwendern zu gleichen Bedingungen genutzt werden. Nichtoffene Standards können dagegen aus technischen oder rechtlichen Gründen nicht von jedem Anwender genutzt werden. Nicht aufgrund kooperativer Abstimmungen zustande gekommene Standards können aufgrund ihrer Akzeptanz und Durchsetzung in der Branche sowie im Wettbewerb zu verbindlichen Defacto-Standards werden.73

Über die Verwendung von Standards lassen sich Effizienzvorteile und damit positive wettbewerbliche Effekte erzielen, wenn hierdurch technische Barrieren abgebaut werden und Wissen verteilt wird.74 Sie stehen deshalb in einem möglichen Zusammenhang mit den Freistellungswirkungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Die Einhaltung von technischen Standards bei der Entwicklung von Technologien führt dazu, dass die neue Entwicklung mit anderen Technologien zusammenwirken kann.75 Dies ist gerade bei internetgenutzten Technologien der Vorteil, da keine Lösung für eine „Übersetzung“ notwendig ist und damit Informationsverluste geringer ausfallen. Indem dort standardisierte Kommunikationsprotokolle zur Anwendung kommen, wird zum einen sichergestellt, dass überhaupt ein Datenaustausch stattfinden kann und nicht verschiedene technologische Entwicklungen ohne Vernetzung existieren. Standardisierung ist damit gerade im digitalen Bereich ein wichtiger Faktor für einen erleichterten Informationsaustausch. Zum anderen werden Kosten für die Entwicklung von individuellen Übersetzungs- oder Vermittlungstechnologien vermieden oder gesenkt, indem der dafür erforderliche Entwicklungsaufwand gesenkt wird. Offene Standardisierungsinitiativen können damit in der Internetwirtschaft verhindern, dass jeder Akteur eine eigene technische Lösung für ein spezifisches Kompatibilitäts- oder Interoperabilitätsproblem entwickeln muss und stattdessen auf einer abgestimmten Entwicklung aufbauen kann und sie über eine abstrakte logische Schnittstelle weiterentwickeln kann. Auf der anderen Seite bedeutet die Durchsetzung eines Standards die gleichzeitige Verhinderung anderer, nicht mit ihm konformgehender Lösungen. Die EU-Kommission sieht deshalb bei kooperativ gesetzten Standards das grundsätzliche Risiko von Wettbewerbsbeschränkungen, lässt aber eine Untersuchung im Einzelfall offen.76 Maßgeblich seien dabei die Auswirkungen der gesetzten Standardbedingungen auf Produktqualität, Produktvielfalt und Innovation.77

Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen

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