Читать книгу Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe - Sebastian Miede - Страница 15
2.6.2 Differenzialpsychologische Determinanten & Lernerbiografien
ОглавлениеEs kann viele Gründe für Sprachlosigkeit im Fremdsprachenunterricht geben, aber zumeist lässt sich diese auf drei Faktoren zurückführen: die Schüler/innen, die Lehrer/innen sowie die Aufgaben, die im Unterricht gestellt werden. Auf Seiten der Schüler/innen ist zunächst der Faktor Angst (anxiety) zu nennen. Viele Schüler/innen trauen sich aus verschiedensten Gründen nicht, sich an Unterrichtsgesprächen zu beteiligen oder sich generell produktiv in der Zielsprache zu äußern (Lightbown/Spada 2012, Ellis/Shintani 2014, Loewen 2015). Dies korreliert stark mit differenzialpsychologischen Determinanten wie beispielsweise dem Fähigkeitsselbstkonzept. Unter diesem Begriff wird in der pädagogischen Psychologie „die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen eigener Fähigkeiten“ (Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008: 63) verstanden, wobei auch Vorstellungen über Ausprägung, Struktur und Stabilität dieser eingeschlossen werden, nicht aber affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten.
Das fremdsprachenspezifische Fähigkeitsselbstkonzept generiert sich auf Basis eigener Erfahrungen im Umgang mit der Zielsprache (z.B. bei der Lösung verschiedener Aufgaben) sowie aufgrund von Rückmeldungen direkter oder indirekter Art von relevanten Bezugspersonen (z.B. Lehrern) (vgl. Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008: 66). Es hat einen bedeutenden Einfluss auf die Schulleistung betreffender Lerner/innen und weitreichende Konsequenzen für deren Sprachlernbiografien. Mit einem hoch ausgeprägten Fähigkeitsselbstkonzept wird Erfolg meist auf internal-stabile Faktoren wie beispielsweise die hohe eigene Kompetenz und Misserfolg auf variable Ursachen wie Pech oder mangelnde Anstrengung attribuiert (vgl. ibid.: 69). Entsprechend positiv sind die Konsequenzen für das effektive Sprachenlernen. Wenn die Schüler/innen die Zielsprache angstfrei und selbstbewusst verwenden und kommunikative Erfolge entsprechend wahrnehmen, tritt langfristig ein Kompetenzzuwachs ein und die Motivation bleibt erhalten. Anders gestaltet sich die Situation hingegen, falls sich ein negatives Fähigkeitsselbstkonzept ausgebildet hat. Die Schüler/innen haben bei der Bearbeitung von (Sprech-)Aufgaben sinkende Erfolgserwartungen und es treten vermehrt handlungsirrelevante Gedanken auf (Angst vor Fehlern/kommunikativem Misserfolg, Angst ausgelacht zu werden, Angst vor negativen Rückmeldungen). Im schlechtesten Fall bildet sich eine Hilflosigkeit heraus, die wiederum zur Reduzierung der Anstrengung und zu Motivationsverlust führen kann. Diese Hypothese wurde bereits in den 1980er-Jahren von Krashen im Rahmen seines monitor models aufgestellt, wenn er von einem affektiven Filter spricht, der sich aus aus internalen Faktoren wie z.B. Motivation speise und, wenn er zu stark ausgeprägt sei, Spracherwerb limitiere (Krashen 1982: 30ff.).
Fremdsprachenlehrer/innen müssen sich dieser komplexen Determinanten bewusst sein und Konsequenzen für das eigene Unterrichten ableiten. Dies betrifft einerseits die Art und Weise der Rückmeldung auf Schüleräußerungen und andererseits die Wahl des Unterrichtsmaterials sowie der Aufgaben und Methoden. Schüler/innen müssen sprechen, um ihre Kompetenz weiterzuentwickeln, auch wenn sie Fehler befürchten. Die verwendeten Aufgaben und Materialien bzw. Medien müssen dieser Tatsache Rechnung tragen und sollten die Schüler/innen darin unterstützen, die Zielsprache in einer angstfreien Situation kommunikativ zu verwenden, und ihnen entsprechende Rückmeldung geben. Es ist daher unabdingbar, in der empirischen Fremdsprachenforschung auch Lernerbiografien1 zu betrachten, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich diese auf díe Einstellung zum Sprachenlernen und folglich auf die Beteiligung am Unterricht und die Wahrnehmung von Lerngelegenheiten auswirken. Dies impliziert auch, dass Forschung in diesem Bereich die Einstellungen der Lerner einbeziehen sollte und sich nicht nur auf die Untersuchung von Unterrichtssprache beschränken kann. In der vorliegenden Studie sollen daher die Erkenntnisse aus der Analyse von Unterrichtssequenzen zu den Positionen der Lerner in Beziehung gesetzt werden. Dies erfordert ein triangulierendes methodologisches Verfahren, das die Perspektiven der beforschten Subjekte einbezieht2.